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Der Globale Norden muss der Führung des Südens folgen

EDINBURGH – Mia Amor Mottley, die Ministerpräsidentin von Barbados, wurde mit ihrer ambitionierten Bridgetown-Agenda für die Reform der internationalen Finanzarchitektur zu einer mächtigen Verfechterin der Klimagerechtigkeit. Aber sie ist nicht die einzige Staatschefin, die sich den massiven Herausforderungen der heutigen Zeit stellt. Eine neue Generation Politiker aus dem Globalen Süden erhebt ihre Stimme.

Beispielsweise eröffnet der kenianische Präsident William Ruto neue Wege für klimapositives Wachstum in Afrika: Indem der Kontinent seine reichhaltigen natürlichen Ressourcen und sein grünes Produktionspotenzial nutze, könne er die industrialisierte Welt mit Waren und Dienstleistungen versorgen, um die Energiewende zu beschleunigen. In Lateinamerika hat der kolumbianische Präsident Gustavo Petro einen neuen Marshallplan zur Finanzierung globaler Klimamaßnahmen gefordert. Und Luiz Inácio Lula da Silva, der jetzt seine dritte Amtszeit als brasilianischer Präsident angetreten hat, will während der G20-Präsidentschaft seines Landes im nächsten Jahr nicht nur den Hunger, die Armut und die Ungleichheit bekämpfen, sondern auch nachhaltige Entwicklung fördern und überkommene globale Verwaltungsstrukturen reformieren.

Nach einem Jahrzehnt des Protektionismus und der Fragmentierung sollen diese Initiativen einen globalen Konsens dafür schaffen, dringend benötigte Reformen durchzuführen. Nach COVID-19 erlebt die Welt nun das, was die G20 „kaskadierende Krisen“ genannt hat, darunter einen dramatischen Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise, untragbare Schuldenbelastung der weltweit ärmsten Länder und eine Rekordzahl klimabedingter Katastrophen. Um gegen den Klimawandel wesentliche Fortschritte zu machen und ihre Entwicklungsziele zu erreichen, benötigen die Entwicklungsländer jährlich mindestens eine Billion Dollar. Aber nichts zu tun, wäre sogar noch teurer.

Unsere gemeinsame Zukunft hängt von einer dramatischen Steigerung der Finanzierung ab, und dazu müssen zunächst einmal Abgaben auf die Übergewinne fossiler Energiekonzerne erhoben werden. Laut Fatih Birol, dem Vorsitzenden der Internationalen Energieagentur, hat die globale Öl- und Gasindustrie 2022 etwa vier Billionen Dollar verdient – erstaunliche 2,5 Billionen mehr als im Durchschnitt der letzten Jahre.

Woher kam dieses Geld? Die kurze Antwort ist, von den Verbrauchern. Einige der weltweit reichsten Unternehmen profitieren von einer Krise der Lebenshaltungskosten – die weitgehend durch hohe Energiepreise angetrieben wurde und überproportional die Armen und Bedürftigen traf. Die größten Profiteure dieser effektiven Sondersteuer auf die Weltwirtschaft waren die Ölstaaten, deren Exportgewinne – einschließlich jener von Ländern wie Kanada, Australien, Irak und Iran – 2022 insgesamt bei fast einer Billion Dollar lagen.

Die größten dieser Länder, deren Pro-Kopf-Einkommen zu den weltweit höchsten zählt, wären durchaus in der Lage, auf ihre außerordentlich hohen Kohlenwasserstoffgewinne eine freiwillige Abgabe in einen globalen Fonds für nachhaltige Entwicklung zu zahlen. Eine 3%-ige Steuer auf die Exportgewinne der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE, 119 Milliarden Dollar), Katar (116 Milliarden), Kuwait (98 Milliarden), Norwegen (etwa 174 Milliarden) und Saudi-Arabien (311 Milliarden) für 2022 würde etwa 25 Milliarden Dollar einbringen – was kaum über dem liegt, was allein Saudi-Arabien in letzter Zeit für Fußball, Golf, Formel-Eins-Rennen und andere Sportgeschäfte ausgegeben hat.

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Dass die diesjährige Klimawandelkonferenz der Vereinten Nationen (COP28) in einem dieser Länder, nämlich den VAE stattfindet, könnte ein glücklicher Zufall sein: Als der designierte COP28-Präsident Sultan Al Jaber im Juli seinen Aktionsplan vorstellte, nannte er als einen der vier wichtigsten Punkte die „Festlegung der Klimafinanzierung“ und argumentierte, „alle Formen der Finanzierung“ müssten „verfügbarer, zugänglicher und erschwinglicher“ werden. Außerdem hat er die Geberländer, die ihre Versprechen noch nicht erfüllt haben, aufgefordert: „Zeigt mir das Geld.“

Aber als designiertes Präsidentschaftsland haben die VAE die Verantwortung, mit gutem Beispiel voran zu gehen. Um die COP28 in Gang zu bringen, sollte Al Jaber – der außerdem Geschäftsführer und Gruppen-CEO der nationalen Ölgesellschaft von Abu Dhabi ist – am besten ankündigen, sein Land werde drei Milliarden Dollar seiner Übergewinne an eine globale Finanzierungseinrichtung übertragen, und seine reichen Golfnachbarn davon überzeugen, dasselbe zu tun. Mehr als die Hälfte dieser Beiträge könnte in den Verlust- und Schadensfonds fließen, auf den sich die COP27 geeinigt hat, dessen Anfangsfinanzierung aber immer noch sehr gering ist. Der Rest könnte als Kapital- und Zuschussfinanzierung in neue Einrichtungen zur Klimaanpassung und Linderung der Folgeschäden fließen.

Mit einer solchen Abgabe müsste die internationale Gemeinschaft dann ein größeres Finanzierungsprogramm für die Entwicklungsländer ins Leben rufen – nach dem Prinzip, dass reiche, traditionell große und zahlungskräftige Verschmutzer mehr beitragen, um den ärmeren Ländern bei der Anpassung an die globale Erwärmung zu helfen. So sollten nicht nur die Hilfsbudgets vergrößert werden, sondern auch die Nachschubfinanzierung der Internationalen Entwicklungsorganisation – der Finanzierungsfazilität der Weltbank für die ärmsten Länder – für 2024.

Der Ökonom N.K. Singh und der ehemalige US-Finanzminister Lawrence H. Summers haben zwei Berichte an die G20 erstellt, deren erster vor dem jüngsten Gipfel der Ländergruppe in Delhi veröffentlicht wurde. Ihr zentraler Vorschlag ist, 90 Milliarden Dollar in Form vergünstigter Finanzmittel bereit zu stellen. Außerdem müsse die Gesamtkapazität des Systems der multilateralen Entwicklungsbanken (MEB) erhöht werden, was bedeutet, dessen jährliche Verpflichtungen auf 300 Milliarden Dollar regulärer Finanzmittel für Länder mittleren Einkommens zu verdreifachen.

Ebenso schlagen sie vor, die Weltbank zu rekapitalisieren und verstärkt Garantien einzusetzen. Diese könnten von den reichen Länder vergeben werden, um es den MEB zu ermöglichen, auf den Kapitalmärkten zu attraktiven Bedingungen Kredite aufzunehmen.

Solche Initiativen können, wenn sie richtig durchgeführt werden, die Kreditvergabe durch den Privatsektor mobilisieren, was für unsere Klimaziele entscheidend ist. Die Abgabe auf Übergewinne und die Garantien könnten, wenn sie auf der COP28 beschlossen werden, gemeinsam als Grundlage dafür dienen, den Entwicklungsländern bis 2030 jährlich eine Billion Dollar Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Vor 75 Jahren haben die USA Europa im Rahmen ihres Marshallplans 13,3 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau nach dem Krieg geliehen – eine Summe, die heute 169 Milliarden entsprechen würde. Dies war ein bemerkenswertes Beispiel globaler Führung, die zu Jahrzehnten stabilen Wirtschaftswachstums und internationaler Zusammenarbeit beigetragen hat.

Auch wenn die Welt und ihre Krisen heute sehr anders aussehen, muss die Antwort auf die Probleme ebenso ehrgeizig sein. Die Länder des Globalen Südens haben einen Weg nach vorn gezeigt. Jetzt müssen ihre reichen Partner aus dem Norden vorangehen und die nötigen Finanzmittel bereitstellen. Das Geld ist da, aber wir brauchen die politische Vision und den Willen, es einzusetzen, bevor die nächste Krise kommt.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Permacrisis: A Plan to Fix a Fractured World von Gordon Brown, Mohamed A. El-Erian, Michael Spence und Reid Lidow wurde am 28. September 2023 veröffentlicht.

https://prosyn.org/e6uHI42de