KOPENHAGEN – Christiana Figueres, ehemalige offizielle Vertreterin der Vereinten Nationen und Verantwortliche für das Pariser Klimaabkommen des Jahres 2015, hat eine erstaunliche Zukunftsvision für Restaurants: wer Steak essen möchte, sollte aus dem Lokal verbannt werden. „Wie wäre es, wenn Restaurants in 10-15 Jahren damit beginnen, Fleischesser gleich zu behandeln wie Raucher“?, fragte Figueres kürzlich auf einer Konferenz. „Wer Fleisch essen möchte, sollte das außerhalb des Restaurants tun.“
Falls Sie diese Entwicklung versäumt haben: Fleisch zu essen ist für viele grüne Aktivisten in zunehmendem Maße so abstoßend wie Rauchen. Es gilt, dieses Verhalten zu verhindern oder sogar zu verbieten.
Grund dafür ist, dass Ihr Hamburger für den Klimawandel verantwortlich gemacht wird. Bei der Fleischproduktion – insbesondere bei der Rinderzucht – wird Methan freigesetzt und es werden kohlendioxidintensive Produktionsmittel benötigt. In der reißerischen Sprache eines jüngst erschienen Berichts heißt es, eine „drastische Senkung des Fleischkonsums ist absolut notwendig“, um einen „Klimakollaps“ zu verhindern.
Ich war mein gesamtes Erwachsenenleben Vegetarier, weil ich nicht möchte, dass Tiere getötet werden, und deshalb kann ich mich damit identifizieren, einen geringeren Fleischkonsum in unserer Ernährung zu fördern. Ich möchte allerdings sichergehen, dass die Wissenschaft hier richtig liegt. Wenn man sich mit dem Thema nämlich eingehender befasst, ist festzustellen, dass diejenigen, die für das Verbot des Fleischkonsums in Restaurants eintreten und alle Menschen zur Umstellung ihrer Ernährung auffordern, häufig Rosinenpickerei mit den Daten betreiben und dabei grundlegende Fakten außer Acht lassen.
Wenn man die Boulevardpresse zu diesem Thema liest, findet man jede Menge Artikel, in denen darauf hingewiesen wird, dass die Treibhausgasemissionen ohne Fleischkonsum um 50 Prozent oder mehr sinken würden. Das ist ein gewaltiger Wert und er ist auch in gewaltiger Weise irreführend.
Wichtig ist festzuhalten, dass es für eine Emissionsreduktion um 50 Prozent nicht reicht, bloß vegetarisch zu leben. Erforderlich ist vielmehr eine vollständig vegane Lebensweise und das bedeutet den völligen Verzicht auf tierische Produkte wie Milch, Eier, Honig, Fleisch, Geflügel, Meeresfrüchte, Pelze, Leder, Wolle, Gelatine und noch vieles mehr. Derartiges wird in absehbarer Zukunft wohl nicht Einzug in die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der Durchschnittsbürger halten.
Dennoch wird in den Medien darauf hingewiesen, dass man mit einem vegetarischen Lebensstil die Emissionen des Einzelnen um 20-35 Prozent senken kann. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die Gesamtemissionen eines Menschen, sondern nur um jene, die aufgrund der Ernährung entstehen. Vier Fünftel der Emissionen werden dabei außer Acht gelassen und das heißt, die Auswirkungen sind eigentlich fünfmal geringer.
Wenn wir uns der wissenschaftlichen Literatur über Emissionssenkungen durch einen vegetarischen Lebensstil zuwenden, so zeigt eine systematische Überprüfung von Peer-Review-Studien, dass fleischlose Ernährung die Emissionen einer Person um das Äquivalent von 540 Kilogramm CO2 senkt. Für den Durchschnittsmenschen in den Industrieländern bedeutet das eine Senkung der Emissionen von lediglich 4,3 Prozent.
Doch dieser Wert überschätzt die Auswirkungen immer noch, weil man ein altbekanntes und in der Literatur ausführlich beschriebenes ökonomisches Phänomen außer Acht lässt, das als „Rebound-Effekt“ bekannt ist. Die vegetarische Ernährung ist zwar etwas billiger, aber das eingesparte Geld wird für andere Waren und Dienstleistungen ausgegeben, die zusätzliche Treibhausgasemissionen verursachen. In den Vereinigten Staaten sparen Vegetarier etwa 7 und in Großbritannien 15 Prozent ihres Lebensmittelbudgets. Aus einer schwedischen Studie geht hervor, dass vegetarische Ernährung um 10 Prozent billiger ist, wodurch etwa 2 Prozent des Gesamtbudgets einer Person für andere Zwecke für Verfügung stehen. Diese zusätzlichen Ausgaben führen zu höheren CO2-Emissionen, die, laut der Schlussfolgerungen der Studie, die Hälfte der durch den vegetarischen Lebensstil eingesparten Emissionen aufheben.
In einem entwickelten Land sieht die Realität so aus, dass eine Person, die für den Rest ihres Lebens einen vegetarischen Lebensstil annimmt, ihre Emissionen damit um etwa 2 Prozent senkt.
Das ist ein solide berechnetes Ergebnis, das dennoch viele Menschen überrascht, die meinen, mit einem vegetarischen Lebensstil sei mehr zu erreichen. Als ich diese Zahlen erstmals in den Vordergrund rückte, attackierten zwei britische Forscher meinen Ansatz und behaupteten gar, ich würde „Rosinenpickerei“ betreiben. Doch dieser Wert ist die beste Schätzung einer Meta-Studie und nicht das Ergebnis einer ausgewählten Einzelstudie, die die stärksten oder geringsten Auswirkungen ausweist.
Um ihr Gegenargument zu untermauern, wonach ein vegetarischer Lebensstil viel stärkere Auswirkungen hätte, beschlossen die Wissenschaftler allerdings, sich nur auf zwei Studien zu beziehen, die zufällig zwei der höchsten Schätzwerte aufwiesen. Dann ließen sie die eine Studie mit dem geringeren Wert unter den Tisch fallen und rundeten die in der anderen Studie angegebene Zahl auf. Sie ignorierten sogar den Rebound-Effekt, der die Auswirkungen in der Realität halbiert, obwohl in der Literatur klar und deutlich festgestellt wird: „Bei der Bewertung der Umweltfolgen des Vegetarismus sollte der Rebound-Effekt der Einsparungen berücksichtigt werden.“
Freilich lässt sich unser Planet durch Zahlenspiele, die unsere vorgefassten Meinungen bestätigen sollen, nicht täuschen. Faktum ist, dass Sie Ihre Treibhausgasemissionen um genau den gleichen Wert senken können, wenn Sie statt für den Rest Ihres Lebens komplett vegetarisch zu leben, jährlich etwas über 5 Euro in das europäische Emissionshandelssystem einzahlen – und dafür essen, was Sie wollen.
Eine Emissionssenkung um ein paar Prozentpunkte ist durchaus besser als nichts, aber es ist ganz gewiss nichts, womit man „den Planeten retten“ wird. Die unbequeme Wahrheit besteht darin, dass nur wenige individuelle Maßnahmen den Kampf gegen den Klimawandel verändern können. Eine Maßnahme, die wirklich etwas bewirken würde, ist sich für eine substanzielle Erhöhung der weltweiten Investitionen in die Forschung und Entwicklung grüner Energie zu engagieren. Die Entwicklung dieser Technologie muss massiv unterstützt werden, wenn wir den Zeitpunkt vorverlegen wollen, an dem alternative Energieträger fossile Brennstoffe aus dem Feld schlagen.
Mehr Forschung und Entwicklung ist überdies notwendig, um die CO2-Auswirkungen der Landwirtschaft zu senken und um künstliches Fleisch zu entwickeln und in großem Maßstab herzustellen. Dadurch wäre es möglich die Treibhausgasemissionen im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion um bis zu 96 Prozent zu senken.
Ebenso wie ein großer Teil des Aktivismus sind Figueres’ Pläne für Fleischesser verstörend, weil vermutet werden könnte, der ehemaligen UN-Klimachefin geht es auf Grundlage fadenscheiniger Beweise und reißerischer Zeitungsberichterstattung um das Verbot eines Verhaltens, das ihr nicht gefällt.
Außerdem deuten diese Pläne auf einen engen Fokus auf die Reichen der Welt hin. Es ist unglaublich selbstbezogen, Steaks in Restaurants verbieten zu wollen, wenn 1,45 Milliarden Menschen aufgrund ihrer Armut Vegetarier sind, die gerne einmal in der Lage wären, sich Fleisch leisten zu können.
Als Vegetarier aus ethischen Gründen bin ich der erste, der sagt, es gibt viele gute Gründe weniger Fleisch zu essen. Dass dieser Lebensstil eine enorme Wirkung auf das Klima hat, ist jedoch leider kein Grund.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier
KOPENHAGEN – Christiana Figueres, ehemalige offizielle Vertreterin der Vereinten Nationen und Verantwortliche für das Pariser Klimaabkommen des Jahres 2015, hat eine erstaunliche Zukunftsvision für Restaurants: wer Steak essen möchte, sollte aus dem Lokal verbannt werden. „Wie wäre es, wenn Restaurants in 10-15 Jahren damit beginnen, Fleischesser gleich zu behandeln wie Raucher“?, fragte Figueres kürzlich auf einer Konferenz. „Wer Fleisch essen möchte, sollte das außerhalb des Restaurants tun.“
Falls Sie diese Entwicklung versäumt haben: Fleisch zu essen ist für viele grüne Aktivisten in zunehmendem Maße so abstoßend wie Rauchen. Es gilt, dieses Verhalten zu verhindern oder sogar zu verbieten.
Grund dafür ist, dass Ihr Hamburger für den Klimawandel verantwortlich gemacht wird. Bei der Fleischproduktion – insbesondere bei der Rinderzucht – wird Methan freigesetzt und es werden kohlendioxidintensive Produktionsmittel benötigt. In der reißerischen Sprache eines jüngst erschienen Berichts heißt es, eine „drastische Senkung des Fleischkonsums ist absolut notwendig“, um einen „Klimakollaps“ zu verhindern.
Ich war mein gesamtes Erwachsenenleben Vegetarier, weil ich nicht möchte, dass Tiere getötet werden, und deshalb kann ich mich damit identifizieren, einen geringeren Fleischkonsum in unserer Ernährung zu fördern. Ich möchte allerdings sichergehen, dass die Wissenschaft hier richtig liegt. Wenn man sich mit dem Thema nämlich eingehender befasst, ist festzustellen, dass diejenigen, die für das Verbot des Fleischkonsums in Restaurants eintreten und alle Menschen zur Umstellung ihrer Ernährung auffordern, häufig Rosinenpickerei mit den Daten betreiben und dabei grundlegende Fakten außer Acht lassen.
Wenn man die Boulevardpresse zu diesem Thema liest, findet man jede Menge Artikel, in denen darauf hingewiesen wird, dass die Treibhausgasemissionen ohne Fleischkonsum um 50 Prozent oder mehr sinken würden. Das ist ein gewaltiger Wert und er ist auch in gewaltiger Weise irreführend.
Wichtig ist festzuhalten, dass es für eine Emissionsreduktion um 50 Prozent nicht reicht, bloß vegetarisch zu leben. Erforderlich ist vielmehr eine vollständig vegane Lebensweise und das bedeutet den völligen Verzicht auf tierische Produkte wie Milch, Eier, Honig, Fleisch, Geflügel, Meeresfrüchte, Pelze, Leder, Wolle, Gelatine und noch vieles mehr. Derartiges wird in absehbarer Zukunft wohl nicht Einzug in die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der Durchschnittsbürger halten.
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Dennoch wird in den Medien darauf hingewiesen, dass man mit einem vegetarischen Lebensstil die Emissionen des Einzelnen um 20-35 Prozent senken kann. Dabei handelt es sich allerdings nicht um die Gesamtemissionen eines Menschen, sondern nur um jene, die aufgrund der Ernährung entstehen. Vier Fünftel der Emissionen werden dabei außer Acht gelassen und das heißt, die Auswirkungen sind eigentlich fünfmal geringer.
Wenn wir uns der wissenschaftlichen Literatur über Emissionssenkungen durch einen vegetarischen Lebensstil zuwenden, so zeigt eine systematische Überprüfung von Peer-Review-Studien, dass fleischlose Ernährung die Emissionen einer Person um das Äquivalent von 540 Kilogramm CO2 senkt. Für den Durchschnittsmenschen in den Industrieländern bedeutet das eine Senkung der Emissionen von lediglich 4,3 Prozent.
Doch dieser Wert überschätzt die Auswirkungen immer noch, weil man ein altbekanntes und in der Literatur ausführlich beschriebenes ökonomisches Phänomen außer Acht lässt, das als „Rebound-Effekt“ bekannt ist. Die vegetarische Ernährung ist zwar etwas billiger, aber das eingesparte Geld wird für andere Waren und Dienstleistungen ausgegeben, die zusätzliche Treibhausgasemissionen verursachen. In den Vereinigten Staaten sparen Vegetarier etwa 7 und in Großbritannien 15 Prozent ihres Lebensmittelbudgets. Aus einer schwedischen Studie geht hervor, dass vegetarische Ernährung um 10 Prozent billiger ist, wodurch etwa 2 Prozent des Gesamtbudgets einer Person für andere Zwecke für Verfügung stehen. Diese zusätzlichen Ausgaben führen zu höheren CO2-Emissionen, die, laut der Schlussfolgerungen der Studie, die Hälfte der durch den vegetarischen Lebensstil eingesparten Emissionen aufheben.
In einem entwickelten Land sieht die Realität so aus, dass eine Person, die für den Rest ihres Lebens einen vegetarischen Lebensstil annimmt, ihre Emissionen damit um etwa 2 Prozent senkt.
Das ist ein solide berechnetes Ergebnis, das dennoch viele Menschen überrascht, die meinen, mit einem vegetarischen Lebensstil sei mehr zu erreichen. Als ich diese Zahlen erstmals in den Vordergrund rückte, attackierten zwei britische Forscher meinen Ansatz und behaupteten gar, ich würde „Rosinenpickerei“ betreiben. Doch dieser Wert ist die beste Schätzung einer Meta-Studie und nicht das Ergebnis einer ausgewählten Einzelstudie, die die stärksten oder geringsten Auswirkungen ausweist.
Um ihr Gegenargument zu untermauern, wonach ein vegetarischer Lebensstil viel stärkere Auswirkungen hätte, beschlossen die Wissenschaftler allerdings, sich nur auf zwei Studien zu beziehen, die zufällig zwei der höchsten Schätzwerte aufwiesen. Dann ließen sie die eine Studie mit dem geringeren Wert unter den Tisch fallen und rundeten die in der anderen Studie angegebene Zahl auf. Sie ignorierten sogar den Rebound-Effekt, der die Auswirkungen in der Realität halbiert, obwohl in der Literatur klar und deutlich festgestellt wird: „Bei der Bewertung der Umweltfolgen des Vegetarismus sollte der Rebound-Effekt der Einsparungen berücksichtigt werden.“
Freilich lässt sich unser Planet durch Zahlenspiele, die unsere vorgefassten Meinungen bestätigen sollen, nicht täuschen. Faktum ist, dass Sie Ihre Treibhausgasemissionen um genau den gleichen Wert senken können, wenn Sie statt für den Rest Ihres Lebens komplett vegetarisch zu leben, jährlich etwas über 5 Euro in das europäische Emissionshandelssystem einzahlen – und dafür essen, was Sie wollen.
Eine Emissionssenkung um ein paar Prozentpunkte ist durchaus besser als nichts, aber es ist ganz gewiss nichts, womit man „den Planeten retten“ wird. Die unbequeme Wahrheit besteht darin, dass nur wenige individuelle Maßnahmen den Kampf gegen den Klimawandel verändern können. Eine Maßnahme, die wirklich etwas bewirken würde, ist sich für eine substanzielle Erhöhung der weltweiten Investitionen in die Forschung und Entwicklung grüner Energie zu engagieren. Die Entwicklung dieser Technologie muss massiv unterstützt werden, wenn wir den Zeitpunkt vorverlegen wollen, an dem alternative Energieträger fossile Brennstoffe aus dem Feld schlagen.
Mehr Forschung und Entwicklung ist überdies notwendig, um die CO2-Auswirkungen der Landwirtschaft zu senken und um künstliches Fleisch zu entwickeln und in großem Maßstab herzustellen. Dadurch wäre es möglich die Treibhausgasemissionen im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion um bis zu 96 Prozent zu senken.
Ebenso wie ein großer Teil des Aktivismus sind Figueres’ Pläne für Fleischesser verstörend, weil vermutet werden könnte, der ehemaligen UN-Klimachefin geht es auf Grundlage fadenscheiniger Beweise und reißerischer Zeitungsberichterstattung um das Verbot eines Verhaltens, das ihr nicht gefällt.
Außerdem deuten diese Pläne auf einen engen Fokus auf die Reichen der Welt hin. Es ist unglaublich selbstbezogen, Steaks in Restaurants verbieten zu wollen, wenn 1,45 Milliarden Menschen aufgrund ihrer Armut Vegetarier sind, die gerne einmal in der Lage wären, sich Fleisch leisten zu können.
Als Vegetarier aus ethischen Gründen bin ich der erste, der sagt, es gibt viele gute Gründe weniger Fleisch zu essen. Dass dieser Lebensstil eine enorme Wirkung auf das Klima hat, ist jedoch leider kein Grund.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier