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Wirtschaftliche Vorteile durch Förderung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit

NEW YORK – Frauen stellen zwar fast 40 Prozent der weltweiten Erwerbsbevölkerung, der durchschnittliche Arbeitsplatz ist jedoch nicht für sie geschaffen. Systembedingte Hemmnisse wie unzureichender Elternurlaub und fortgesetzte sexuelle Belästigung hindern Frauen daran, die Karriereleiter zu erklimmen, und sorgen dafür, dass das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern fortbesteht.

Das muss sich ändern. Durch klare Richtlinien zu sexueller Belästigung, flexiblem Urlaub und Telearbeit sollten sich Unternehmen um die Schaffung eines integrativen Umfelds für Frauen bemühen. Dies würde es allen Beschäftigten ermöglichen, in ihre Gesundheit zu investieren und ihre Familien zu unterstützen - auch Männern, die beispielsweise ihren Vaterschaftsurlaub ohne Schuldgefühle in Anspruch nehmen möchten.

Auch wenn in den letzten Jahrzehnten einige wichtige Fortschritte im Hinblick auf die Eingliederung von Frauen in die Arbeitswelt erzielt wurden, bleibt noch viel zu tun. Fast 200 Millionen in globalen Lieferketten beschäftigte Frauen leben in Ländern, in denen ihre gesundheitlichen Bedürfnisse weitgehend unbeachtet bleiben. Ebenso besorgniserregend ist, dass weniger als jede dritte Führungskraft eine Frau ist.

Daher konzentriert sich der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) darauf, Unternehmen dabei zu unterstützen, in die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren. Das ist nicht nur ein richtiger Schritt, sondern sorgt auf für wirtschaftliche Vorteile: Eine kürzlich durchgeführte UNFPA-Analyse ergab, dass die Subventionierung von Produkten und Dienstleistungen im Bereich sexueller und reproduktiver Gesundheit die Produktivität am Arbeitsplatz um 15 Prozent erhöht. Ein starkes Engagement in diesem und im Bereich der Rechte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnte auch die Arbeitsmoral verbessern, Fehlzeiten verringern, die Fluktuation senken und - am wichtigsten - die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz vorantreiben, wodurch das weltweite BIP um 12 Billionen Dollar steigen könnte.

In dem Wissen, dass ein sinnvoller, nachhaltiger Wandel nur durch die Erfassung von Fortschritten möglich ist, hat der UNFPA in Zusammenarbeit mit Accenture eine Scorecard veröffentlicht, die aufzeigt, wie gut es Unternehmen gelingt, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu verhindern und zu bekämpfen und die Ziele seiner Beschäftigten bei der Familienplanung zu unterstützen. Wie andere Kennzahlen aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung misst die Scorecard die Leistung anhand von Indikatoren, die sowohl ein öffentliches Gut unterstützen als auch das Unternehmensergebnis fördern.

Der erste Schritt auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz besteht darin, für Sicherheit und Respekt zu sorgen. Jüngste Daten haben gezeigt, dass eine von fünf Personen Gewalt oder Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, und dass eine von 15 Personen sexuelle Gewalt oder Belästigung am Arbeitsplatz erfährt. Allerdings spricht nur die Hälfte der Betroffenen mit anderen über erlebten Missbrauch am Arbeitsplatz. Diese Zahlen bestätigen, was viele Frauen schon lange wissen.

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Die Schaffung eines sicheren Arbeitsplatzes beginnt bei der Unternehmenskultur - für die Firmen gilt es, deutlich zu machen, dass sie sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nicht dulden und derartiges Verhalten tatsächlich unterbinden. Das heißt, es müssen Richtlinien eingeführt werden, in denen Belästigungen direkt thematisiert und klare Wege für die Meldung von Belästigungsfällen geschaffen werden. Darüber hinaus sind Schulungen durchzuführen, in denen die Bedeutung eines integrativen Umfelds betont wird.

Im Bereich reproduktiver Gesundheit kann ein Unternehmen die Wahlmöglichkeiten von Frauen erweitern und ihnen zu einem gedeihlichen Arbeitsumfeld verhelfen, indem es finanzielle Unterstützung für Fruchtbarkeitsbehandlungen, Leihmutterschaft, Adoption und das Einfrieren von Eizellen anbietet sowie private Räume zum Stillen und auch kostenlose oder subventionierte Menstruationsprodukte zur Verfügung stellt. Und durch die Ausweitung des bezahlten Elternurlaubs lassen sich jüngere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewinnen.  

Unternehmen, die sich für ethische Unternehmensführung und das Wohlergehen ihrer Belegschaft engagieren, können die bestqualifizierten Fachkräfte einstellen und an sich binden und gleichzeitig das Optimum aus ihrer Belegschaft herausholen. Einfache Maßnahmen, wie die Bereitstellung von Damenbinden und Eisenpräparaten können die Produktivität am Arbeitsplatz nachweislich steigern. Darüber hinaus erklären 59 Prozent der Unternehmen, die einen Versicherungsschutz bei Unfruchtbarkeit anbieten, dass sie dadurch als familienfreundlicher Arbeitgeber anerkannt werden, und 62 Prozent geben an, aufgrund dieser Maßnahmen wettbewerbsfähig zu bleiben, wenn es darum geht, Arbeitskräfte zu gewinnen und zu halten.

Nicht nur die Beschäftigten wünschen sich bessere Standards am Arbeitsplatz. Auch Kunden sind eher bereit, Unternehmen mit ethischen und nachhaltigen Praktiken zu bevorzugen. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter Verbrauchern der Generation Z führte die Hälfte der Befragten an, lieber bei Unternehmen zu kaufen, die sich nachweislich für Diversität und Integration einsetzen. Eine andere Studie ergab, dass progressives Marketing in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter Marken zu einem Wachstum von 8 Prozent verhelfen könnte.

Um den Anteil von Frauen in der Erwerbsbevölkerung zu erhöhen und für Spitzenkräfte - unabhängig vom Geschlecht - attraktiv zu sein, sollten Unternehmen in Maßnahmen zur Förderung der reproduktiven Gesundheit und zur Bekämpfung von sexueller Belästigung und Diskriminierung investieren. Daraus ergibt sich eine gesündere, glücklichere und produktivere Belegschaft, die den Grundstein für eine erfolgreichere, integrative Zukunft legt, in der Beschäftigte erfolgreich sind und Unternehmen florieren.

Übersetzung: Helga Klinger-Groier

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