rogoff203_Federico Gambarinipicture alliance via Getty Images_coal mining emissions Federico Gambarini/picture alliance via Getty Images

Ein fairerer Weg, um den Entwicklungsländern bei der Dekarbonisierung zu helfen

CAMBRIDGE, MASS. – Die kommende Regierung des designierten US-Präsidenten Joe Biden verspricht, einen frischen, rationalen Ansatz in Bezug auf den Klimawandel zu verfolgen. Daher ist dies ein idealer Zeitpunkt, um für eine CO2-Weltbank zu argumentieren, die finanzielle und technische Unterstützung leisten und koordinieren könnte, um den Entwicklungsländern bei der Dekarbonisierung zu helfen. Der vorgeschlagene grüne New Deal in den USA und der europäische Green Deal der Europäischen Kommission haben lobenswerte Umweltziele, sind jedoch zu sehr nach innen ausgerichtet. Wenn ein komplettes Gebäude in Brand steht, verzögert eine Konzentration der Brandbekämpfung auf ein einziges Stockwerk dessen Zerstörung lediglich, aber verhindert sie nicht.

Laut der Internationalen Energie-Agentur (IEA) wird fast der gesamte Nettoanstieg der CO2-Emissionen der nächsten zwei Jahrzehnte von den Schwellenmärkten ausgehen. Obwohl China kürzlich zugesagt hat, bis 2060 Netto-Emissionsfreiheit zu erreichen, ist der Gedanke, dass auf das Land die Hälfte der weltweiten Kohleproduktion und des weltweiten Kohleverbrauchs entfallen, ernüchternd.

Auch Indien ist hochgradig von seinen großen Kohlevorkommen abhängig und wird dies trotz deutlicher Fortschritte im Bereich der Solarenergie voraussichtlich auch bleiben. Trotz all des mit dem Pariser Klima-Abkommen einhergehenden Getöses liegt der Anteil sauberer Energie bei den weltweiten Energie-Investitionen noch immer bei nur rund 34% und damit auf nahezu demselben Niveau wie vor fünf Jahren. Auf Wind- und Solarenergie entfallen bloße 8% der globalen Energie. Die IEA schätzt, dass, wenn man den bestehenden Kraftwerken erlauben würde, für den Rest ihrer erwarteten Lebensdauer in ihrer gegenwärtigen Form in Betrieb zu bleiben, dies allein schon einen Anstieg der weltweiten Temperaturen um 1,7 °C gegenüber vorindustriellem Niveau bewirken würde.

Derzeit besteht der weithin am stärksten diskutierte Ansatz, um die Entwicklungsländer zur Senkung ihrer CO2-Emissionen zu ermutigen, in einer Kohlenstoffsteuer auf Importe aus Ländern ohne hinreichende CO2-Preissetzungssysteme. Die Europäische Union erwägt gegenwärtig eine derartige Maßnahme, und auch das Climate Leadership Council (zu dessen Mitgliedern die kommende US-Finanzministerin Janet Yellen gehört) hat sich dafür ausgesprochen.

Die Ökonomen bevorzugen fast durch die Bank Kohlenstoffsteuern (Europas CO2-Preissetzungssystem ist eine plumpere Version), damit Produzenten und Verbraucher den Einfluss ihres Handelns auf das globale Gemeinwohl berücksichtigen. Ein steuerlicher Grenzausgleich zielt darauf ab, die Entwicklungsländer zur Einführung eigener Kohlenstoffsteuern zu ermutigen. Diese Politik ist konzeptionell vernünftig, aber sie ist zu statisch und zu schwer umsetzbar.

Zunächst einmal haben die Entwicklungsländer weder die Ressourcen noch die Technologie, um sich selbst über Nacht umzustellen. Ein Grund, warum die hochentwickelten Länder in der Lage waren, ihre CO2-Emissionen zu senken, ist, dass die globale produzierende Industrie in Schwellenmärkte abgewandert ist, die stark in Energie investiert haben.

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Das durchschnittliche Alter der asiatischen Kohlekraftwerke beträgt zwölf Jahre, verglichen mit 43 Jahren in den hochentwickelten Volkswirtschaften. Angesichts der Lebensspanne eines Kohlekraftwerks von etwa 50 Jahren und der Tatsache, dass Kohle einer der wenigen natürlichen Rohstoffe ist, über die China und Indien reichlich verfügen, sind die Kosten, die dem sich entwickelnden Asien bei einer Außerbetriebnahme seiner Kohlekraftwerke entstehen würden, enorm. Und dann ist da Afrika, wo die Anzahl der Menschen, die keinen Zugriff auf elektrischen Strom haben, während der COVID-19-Pandemie auf fast 600 Millionen angestiegen ist.

Die Kluft zwischen der Fähigkeit der Entwicklungsländer, den Klimawandel zu bewältigen, und den in den hochentwickelten Volkswirtschaften diskutierten ehrgeizigen Plänen ist ein weiteres Beispiel für die enormen Unterschiede bei Vermögen und Ressourcen zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden. In Reaktion auf die COVID-19-Krise etwa haben die hochentwickelten Volkswirtschaften laut Internationalem Währungsfonds (IWF) in 2020 Haushaltsmittel und Kredite von durchschnittlich 16% vom BIP aufgewandt, verglichen mit 6% in den Schwellenmärkten und 2% in den Entwicklungsländern. Und diese breite Lücke lässt zudem noch die Möglichkeit unberücksichtigt, dass sich die pandemiebedingte Schuldenzunahme in den Entwicklungsländern in den nächsten Jahren zu einer eine Dekarbonisierung zusätzlich erschwerenden vollausgewachsenen Schuldenkrise auswächst.

Die globale Festlegung der Kohlenstoffpreise ist unverzichtbarer Bestandteil jeder langfristigen Lösung der Klimakrise, doch darf die entwickelte Welt den Entwicklungsländern nicht nur mit der Peitsche drohen, sondern muss ihnen auch ein Zuckerbrot anbieten. Dies sollte die Form einer mit hohen Konzessionen verbundenen Finanzierung annehmen, verbunden mit technischem Fachwissen und der Weitergabe bewährter Verfahren. All dies sollte unter der Leitung einer CO2-Weltbank geschehen.

Der IWF, die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken haben eine wichtige Rolle zu spielen, doch sind ihre Mandate zu diffus, als dass sie der Klimaherausforderung allein wirksam begegnen könnten. Derweil sollten jene, die meinen, dass zwischenstaatliche Unterstützung bei Klimalösungen keine Rolle spielen sollte, sich vergegenwärtigen, dass die weltweite Kohlebranche zunehmend von staatseigenen Unternehmen beherrscht wird, die auf wirtschaftliche Anreize nicht besonders stark reagieren.

Ist es zu optimistisch, zu glauben, dass die auf sich selbst fokussierten hochentwickelten Volkswirtschaften je bereit sein werden, große Mengen an Hilfsgeldern – mindestens 100-200 Milliarden Dollar jährlich – bereitzustellen, um den Entwicklungsländern beim Erreichen der weltweiten Klimaziele zu helfen? Die Reaktion auf die COVID-19-Krise macht bislang wenig Mut. Die Initiative der G20 zur Aussetzung des Schuldendienstes (DSSI) hat bisher 40 sehr armen Ländern ein paar Milliarden Dollar an Schuldenerleichterungen gebracht, doch ist das wenig im Vergleich zu den Billionenbeträgen, die die reichen Länder für ihre eigenen Bürger ausgegeben haben. Ein verbessertes Kohlenstoffsteuer- oder CO2-Preissetzungssystem könnte längerfristig eine nachhaltige Finanzierungsquelle sein, doch ist das Problem zu dringend, um abzuwarten, bis dies Gestalt annimmt.

Das von der EU und vermutlich bald auch von den USA verabschiedete Ziel, unter dem Strich bis 2050 CO2-Emissionsfreiheit zu erreichen, ist lobenswert. Doch ist Umweltschutz nach dem St.-Florians-Prinzip kein Weg, um ein globales Problem zu lösen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/mId7401de