catalini1_Getty Images_dollar crypto Getty Images

Kryptopolitik für Gestalter und nicht für Spekulanten

CAMBRIDGE – Die Kryptowährungsbranche geht bei den US-Präsidentschaftswahlen im November aufs Ganze und lässt hunderte Millionen Dollar in die Unterstützung von Kandidaten fließen, die sich für eine vernünftige Regulierung in diesem Bereich einsetzen könnten. Doch trotz aller Investitionen - der Sektor übertrifft mit seinen Spenden in diesem Wahlkampf alle anderen - bleibt unklar, wie die beiden Präsidentschaftskandidaten das Thema angehen und echten Gestaltern vor Spekulanten den Vorzug geben würden.

Beiläufige Beobachter haben vielleicht mitbekommen, dass der ehemalige Präsident und republikanische Kandidat Donald Trump sich des Themas angenommen hat. Auf einer kürzlich veranstalteten Bitcoin-Konferenz versprach er, die Vereinigten Staaten zum „Krypto-Zentrum des Planeten“ zu machen, eine strategische Bitcoin-Reserve anzulegen und sich für Stablecoins einzusetzen. Die Teilnehmerschaft hat es ihm abgekauft. Doch Trumps Art des Hochjubelns verdeutlicht die größte Herausforderung des Sektors: Zu lange haben nämlich Leute, die diese Technologie für Finanzspekulationen nutzen wollen, die politischen Debatten dominiert, während andere, die tatsächlich etwas damit aufbauen wollen, ins Abseits gerieten.

Vizepräsidentin Kamala Harris, die Kandidatin der Demokraten, hat sich zu diesem Thema bisher praktisch nicht geäußert, bekommt nun aber die Gelegenheit, einen besser durchdachten und progressiveren Ansatz für Finanzinnovationen vorzulegen. Bei Kryptopolitik geht es, wie auch in der KI-Politik, im Wesentlichen um Innovation und nationale Wettbewerbsfähigkeit. Um die USA als Vorreiter in diesem strategischen Sektor zu etablieren, muss die nächste Regierung zunächst das derzeitige Gefüge feindseliger Finanzaufseher unter der Führung des Vorsitzenden der Securities and Exchange Commission, Gary Gensler, austauschen, der einen sinnvollen Dialog mit der Branche stets abgelehnt hat.

Die Einsetzung von Regulierungsbehörden, die eher der Mentalität des schnellen Gewinns wohlgesonnen sind, würde jedoch nicht gerade eine Verbesserung darstellen. Die größte Stärke von Kryptowährungen - ihre Fähigkeit, Anreize für den Aufbau offener Netzwerke zu schaffen - ist auch ihre größte Schwäche. Wie die Euphorie rund um die Eisenbahn im 19. Jahrhundert haben Kryptowährungen die Schaffung wertvoller neuer Infrastruktur vorangetrieben, wurden aber auch von rücksichtslosen Akteuren ausgenutzt, um Betrug und Gaunereien zu verüben. Sam Bankman-Fried ist das Paradebeispiel einer Person, die es verstand, das System innerhalb des bestehenden, unvollkommenen Rechtsrahmens zu nutzen.

Von dem derzeitigen Regulierungschaos profitieren vor allem Unternehmen, die sich nur dem Spekulationsgeschäft verschreiben oder gar auf Betrug aus sind. Noch schlimmer: Viele, die sich proaktiv für eine Regulierung eingesetzt oder versucht haben, mit den Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten, sahen sich mit Durchsetzungsmaßnahmen konfrontiert, was dazu führte, dass sie den Zugang zu wichtigen Bankdienstleistungen verloren.

Den Regulierungsbehörden fehlt es häufig an Anreizen, bestehende Regeln an neue Technologien anzupassen, und etablierte Unternehmen geben ihnen oft Anlass, am Status quo festzuhalten. In der Kryptowirtschaft wird die Verantwortung für kriminelle Handlungen zu spät oder gar nicht übernommen, so dass die Verbraucher auf der Strecke blieben. In Ermangelung einer klaren Regulierung schrecken Marktteilnehmer mit etablierten Unternehmen oder einem Bedarf an Bankdienstleistungen oft davor zurück, die Technologie ungeachtet ihres Potenzials zu erproben. Das Ergebnis ist ein System, das Rücksichtslosigkeit und Betrug belohnt und gleichzeitig Innovatoren abschreckt, die versuchen, den Zahlungsverkehr zu verbessern, den Finanzsektor zu reformieren, den Datenschutz zu wahren oder die Marktkonzentration im Bereich Big Tech anzugehen.

PS Events: Climate Week NYC 2024
image (24)

PS Events: Climate Week NYC 2024

Project Syndicate is returning to Climate Week NYC with an even more expansive program. Join us live on September 22 as we welcome speakers from around the world at our studio in Manhattan to address critical dimensions of the climate debate.

Register Now

Eine durchdachte Regulierung der Kryptowirtschaft erfordert jedoch mehr als Trumps Anbiederung. Diese Frage reicht auch über das Krypto-Thema hinaus. Wenn die USA in Sachen KI, Verteidigung und anderen Bereichen eine Vorreiterrolle spielen wollen, brauchen sie Regeln, in denen der Wert dieser innovationsintensiven Sektoren für die Gesamtwirtschaft anerkannt wird, nicht zuletzt durch die Wiederherstellung des Wettbewerbs. Dabei handelt es sich um ein komplexes Unterfangen. Um erfolgreich zu sein, bedarf es weit mehr, als Bitcoin-Maximalisten zu hofieren und Stablecoins einfach zuzulassen.

Man denke nur an Trumps Vorschlag, die US-Regierung solle Bitcoin als strategischen Vermögenswert halten. Es liegt auf der Hand, dass dies dem Bitcoin-Preis zugute kommen würde, allerdings nicht in einer Weise, die dem nationalen Interesse dienen würde. Stattdessen sollte die US-Regierung Blockchain-basierte Netzwerke als kritische Infrastruktur anerkennen, ähnlich wie dies bei 5G der Fall ist.

Ebenso wenig sollte die Regierung blindlings das einheimische Bitcoin-Mining unterstützen, ohne dabei Methoden zur Nutzung erneuerbarer Energien und gestrandeter Energie zu fördern oder ein zunehmend instabiles Stromnetz zu stärken (wie in Texas zu sehen). In den Regulierungsbestimmungen sollte berücksichtigt werden, wie Bitcoin-Mining und Chip-Herstellung zur nationalen Sicherheit beitragen und gleichzeitig minimale ökologische Auswirkungen gewährleistet werden können.

In seiner Rede in Nashville beschuldigte Trump die Regierung Biden, die Beziehungen zwischen Kryptounternehmen und ihren Banken ins Visier zu nehmen. Das eigentliche Problem ist jedoch ein regulatorisches und aufsichtsrechtliches Umfeld, das es den Banken erschwert, sich auf sichere Weise mit Kryptowährungen einzulassen. Viele Banken erkennen, dass digitale Zahlungen und Vermögenswerte eine wichtige Rolle im Finanzsystem spielen werden. Dennoch behindert man sie durch unvernünftige Regeln wie dem Staff Accounting Bulletin Nr. 121 (SAB 121), das Unternehmen, die nicht privat mit Mitarbeitern der Börsenaufsichtsbehörde Ausnahmen ausloten können, sanktionierende Rechnungslegungsvorschriften auferlegt.

Darüber hinaus versprach Trump, sich für Stablecoins einzusetzen, um die Vorherrschaft des Dollars zu stärken. Aber auch hier ist das Thema komplexer, als es scheinen mag. Um eine Marktkonzentration wie in der Kreditkartenbranche zu verhindern, müssen die USA ein wettbewerbsfähiges Umfeld für die Ausgabe von Stablecoins schaffen. Der vorherrschende Anwendungsfall sollte nicht die Dollarisierung sein, da dieses Ziel Kapitalkontrollen schwächen, Schwellenländer destabilisieren und Sanktionen untergraben könnte. Stattdessen muss die Gesetzgebung sicherstellen, dass Stablecoins zu einem sicheren Zahlungsmittel werden, das unverzügliche globale Transaktionen ermöglicht.

Die Verwirklichung dieser Vision erfordert einen robusten Rahmen für die Einhaltung der Vorschriften. Die derzeitigen Stablecoin-Emittenten wissen nicht oder wollen nicht wissen, ob ihre digitalen Dollars von sanktionierten Ländern oder Kriminellen gehalten werden. Dieser gefährliche blinde Fleck stellt jedoch eine wesentliche Hürde für die Akzeptanz im Mainstream dar. Es liegt an den Krypto-Unternehmern, innovative Lösungen zu entwickeln, mit denen die Herausforderungen hinsichtlich Identität und Einhaltung von Vorschriften bewältigt werden können, doch bislang halten sich die Fortschritte in diesen Bereichen in Grenzen. Eine Neuregelung muss die Anreize für den Privatsektor stärken, diese schwierige Aufgabe zu übernehmen.

Letztendlich ist die Politik in Washington gefordert, neue Regeln zu konzipieren, anstatt zu versuchen, Krypto-Anwendungsfälle in Gesetze zu gießen, die aus der Zeit vor fast einem Jahrhundert stammen. Die Branche ihrerseits muss die vielen Probleme angehen, die traditionelle Finanzdienstleister und führende Kryptounternehmen lange ignoriert haben. Eine durchdachte Krypto-Politik würde Gestaltern den Vorzug vor Spekulanten geben. Ähnlich wie in den Anfängen des Internets besteht auch hier der Vorteil in einer Technologie, die den Wettbewerb in Sektoren wiederherstellen kann, wo es ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/klv5ROjde