sirleaf8_Hector VivasGetty Images_claudiasheinbaum Hector Vivas/Getty Images

In diesem Superwahljahr braucht es mehr Frauen an der Spitze

MONROVIA/WASHINGTON, D.C.: Mexiko hat nach einer seltenen Wahl mit zwei Gegenkandidatinnen gerade seine erste Präsidentin gewählt, und eine Rekordzahl Frauen wurden in die Nationalversammlung Südkoreas gewählt. Doch während diese Ergebnisse willkommene Schritte in Richtung Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern darstellen, sind sie Ausnahmeerscheinungen. Das größere Gesamtbild ist entmutigend.

Man betrachte etwa eine andere aktuelle Wahl. Dreißig Jahre nach Ende der Apartheid und den ersten freien Wahlen – und trotz beeindruckender (von Frauen angeführter) Schritte in Richtung Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern in anderen Bereichen – hatten die Menschen in Südafrika noch immer keine Gelegenheit, eine Frau ins höchste Amt des Landes zu wählen.

Und Südafrika ist keine Ausnahme. Bei den Parlamentswahlen in Portugal im März errangen nur 76 Frauen Mandate – ein Rückschritt gegenüber den 85 der vorherigen Wahl. Obwohl die Mehrheit der Südafrikaner, die letzte Woche an die Urnen gingen, Frauen waren, werden alle wichtigen Parteien des Landes noch immer von Männern geführt. Angesichts der Tatsache, dass dies ein Superwahljahr ist – in dem rund die Hälfte der Menschheit ihre Stimme abgeben wird –, stand in der Frage der Vertretung von Frauen und ihrer Teilhabe am öffentlichen Leben selten derart viel auf dem Spiel. Doch in den drei größten Ländern, in denen in diesem Jahr Wahlen stattfinden – Indonesien, Indien und den USA –, sind die wichtigsten Kandidaten für das höchste Amt sämtlich Männer. Und in Afrika, wo bis Ende des Jahres in 19 Ländern Wahlen abgehalten werden, dürfte es in nur einem Land (Namibia) eine Frau ins Präsidentenamt schaffen.

Unsere globalen Ziele und Zusagen in Bezug auf die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern sind in Gefahr. Jüngste Daten der Vereinten Nationen zeigen, dass es bei einer Fortschreibung des derzeitigen Trends 47 Jahre dauern wird, bis Frauen in den nationalen Parlamenten und anderen gewählten Gremien im gleichen Umfang vertreten sind. Das wäre 41 Jahre nach der im Ziel für nachhaltige Entwicklung zur Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern (SDG 5) festgelegten Frist.

Sicherzustellen, dass Frauen politische Macht haben und an der Entscheidungsfindung im gleichen Umfang beteiligt sind, ist nicht nur moralisch richtig; es birgt auch praktische Vorteile. Wenn Frauen politische Führungspositionen innehaben, legen sie den Schwerpunkt mit größerer Wahrscheinlichkeit auf für die nachhaltige Entwicklung zentrale politische Maßnahmen – von Bemühungen, sicherzustellen, dass die Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, bis hin zu einer bezahlbaren Kinderbetreuung. Zudem setzen Länder, die diese Ziele verfolgen und sich in der Regierung um Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern bemühen, mit größerer Wahrscheinlichkeit starke Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte um. Untersuchungen zeigen sogar, dass sich die Wirtschaftsleistung insgesamt verbessert, wenn Frauen ihre spezifischen Erfahrungen in die Politik einbringen.

Während sich das Leben in weiten Teilen der Welt in den letzten Jahren zunehmend turbulenter, regressiver und autoritärer anfühlt, haben Frauen diesen Trends auf nationaler Ebene durch ihren Einsatz für politischen Wandel und gegen eine Politik der Ausgrenzung Widerstand geleistet. Ihre Bemühungen zeigen, dass es nicht zu spät ist, den verstörenden, sich bei den diesjährigen Wahlen abzeichnenden Trend umzukehren.

BLACK FRIDAY SALE: Subscribe for as little as $34.99
BF2024-Onsite-1333x1000

BLACK FRIDAY SALE: Subscribe for as little as $34.99

Subscribe now to gain access to insights and analyses from the world’s leading thinkers – starting at just $34.99 for your first year.

Subscribe Now

Mehr Frauen in politische Führungspositionen zu wählen bleibt dabei zentral. Doch erfordern echte, bleibende Fortschritte, dass Regierungen und philanthropische Einrichtungen mehr Frauen in die Lage versetzen, sich überhaupt um diese Positionen zu bemühen. Im Jahr 2022 erhielten ausschließlich geschlechtsorientierte Projekte keinerlei SDG-bezogene Fördermittel irgendwelcher Art. Tatsächlich hinkt die Entwicklung bei SDG 5 den übrigen 16 SDGs weit hinterher, und die Auswirkungen dieses Finanzierungsdefizits sind bereits weltweit sichtbar.

Als Frauen in Führungsrollen haben wir eine Pflicht, auf die Untätigkeit in Bezug auf die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern hinzuweisen. Die Open Society Foundations haben nun durch einen neuen Fonds – den Women’s Political Leadership Fund – ihre Investitionen ausgeweitet, um es weltweit zum Normalfall zu machen, dass mutige Frauen in Führungspositionen gelangen. Ziel dabei ist es, zu helfen, die repressiven, diskriminierenden Strukturen einzureißen, die Frauen bisher daran hindern, transformative Veränderungen in ihren Gesellschaften voranzutreiben.

In ähnlicher Weise engagiert sich das Ellen Johnson Sirleaf Presidential Center for Women and Development dafür, erfolgreiche und aufstrebende Frauen in öffentlichen Rollen durch seine wegweisende Amujae-Initiative zu unterstützen. Mehr als 40 Amujae-Frauen in Führungspositionen engagieren sich für Klimaschutz, eine gerechte Gesundheitsversorgung, einen einfacheren Zugang zum Finanzsystem und inklusive digitale Technologien, und einige von ihnen bewerben sich inzwischen um politische Ämter in mehreren afrikanischen Ländern.

Zusätzlich zu unseren eigenen Bemühungen gibt es engagierte zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich entschlossen für die Rechte und Freiheiten von Frauen engagieren. Doch sie konkurrieren um schrumpfende Finanzmittel. Solange bilaterale und multilaterale Geber und philanthropische Einrichtungen nicht mehr Geld auf den Tisch legen, werden Frauen insbesondere in den einkommensschwachen Ländern weiterhin unter dem Mangel an Investitionen in die Stärkung ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten leiden. Wir dürfen uns nicht scheuen, Initiativen zu unterstützen, die sich ausschließlich darauf konzentrieren, mehr Frauen in Wahlämter und ernannte Positionen zu bringen. Frauen sind schon so mit genügend Hürden konfrontiert.

Lassen Sie uns 2024 zu einem Jahr der Stärkung einer neuen Generation von Frauen machen, die Führungspositionen übernehmen. Gemeinsam können wir eine Zukunft schaffen, in der starke Frauen eine treibende Kraft in der Politik sind.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/webVqKode