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Wo sind die globalen Problemlöser?

NEW YORK: Ein seltsamer und verstörender Aspekt der heutigen globalen Politik ist die Verwechslung von Verhandlungen und Problemlösungen. Laut einem im Dezember 2007 vereinbarten Zeitplan haben wir noch sechs Monate, um in Kopenhagen ein globales Übereinkommen zum Klimawandel zu erreichen. Die Regierungen verhandeln wie wild, aber wie wild um Problemlösungen bemühen tun sie sich nicht. Stattdessen fragt sich jedes Land: „Wie können wir möglichst wenig tun und erreichen, dass die anderen Länder möglichst viel tun?“ Die Frage, die sie sich tatsächlich stellen müssten, aber lautet: „Wie können wir zusammen unsere gemeinsamen Ziele möglichst preiswert und mit größtmöglichem Nutzen umsetzen?“

Das könnte klingen, als liefe es auf Dasselbe hinaus. Tut es aber nicht. Die Bewältigung des Klimawandels erfordert die Reduzierung der CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen. Diese wiederum erfordert Entscheidungen über Technologien, von denen manche bereits existieren und viele erst entwickelt werden müssen. Kohlekraftwerke etwa müssen, wenn sie ein wichtiger Bestandteil des Energiemix bleiben sollen, das bisher freigesetzte CO2 abscheiden und speichern – ein Prozess, der international als CCS (Carbon Capture & Sequestration) bezeichnet wird. Aber diese Technologie hat sich bisher nicht bewährt.

In ähnlicher Weise müssen wir das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine neue Generation von Kernkraftwerken wiederherstellen, die sicher sind und zuverlässig überwacht werden. Wir brauchen neue Technologien, um Solarenergie, Windkraft und Geoenergie im großen Umfang zu nutzen. Wir könnten versuchen, Biokraftstoffe zu nutzen, doch dies nur in einer Form, die nicht mit der Nahrungsmittelproduktion oder kostbaren ökologischen Gütern konkurriert.

Die Liste lässt sich verlängern. Wir brauchen Verbesserungen bei der Energieeffizienz durch „grüne“ Gebäude und effizientere Haushaltsgeräte. Wir müssen von Autos mit Verbrennungsmotoren auf Hybrid-, Plug-in-Hybrid-, Batterie- und Brennstoffzellenfahrzeuge umsteigen.

Um eine neue Generation von Elektrofahrzeugen zu erhalten, bedarf es eines Jahrzehnts der Partnerschaft zwischen dem Staat und der privaten Wirtschaft, um die grundlegenden Technologien (wie etwa bessere Akkus), ein stabileres Stromnetz, eine neue Infrastruktur zum Aufladen der Autos und vieles mehr zu entwickeln. In ähnlicher Weise wird es ein Jahrzehnt öffentlicher und privater Investitionen brauchen, um die Machbarkeit der CO2-Abscheidung bei Kohlekraftwerken unter Beweis zu stellen.

Die Umstellung auf neue Technologien ist nicht primär eine Sache von Verhandlungen, sondern von Technik, Planung, Finanzierung und Anreizen. Wie kann die Welt diese neuen Technologien auf möglichst effiziente Weise entwickeln, demonstrieren und dann für ihre Verbreitung sorgen? Wer sollte dort, wo private Gewinne unwahrscheinlich sind, die frühen Demonstrationsmodelle bezahlen, die Milliarden kosten dürften? Wie sind private Anreize für Forschung und Entwicklung aufrechtzuerhalten, wenn wir gleichzeitig erfolgreiche Technologien in die Entwicklungsländer transferieren?

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Dies sind drängende ungelöste Fragen. Doch die globalen Verhandlungen über den Klimawandel konzentrieren sich auf eine Reihe ganz anderer Fragen. Es geht bei den Verhandlungen vor allem darum, welche Gruppen von Ländern ihre Emissionen wie stark und wie schnell senken sollten und was das Bezugsjahr hierfür ist. Es wird Druck auf Länder ausgeübt, ihre Emissionen bis 2020 um bestimmte Prozentsätze zu senken, ohne dass ernsthaft darüber diskutiert wird, wie dies erreicht werden kann. Die Antworten hängen natürlich davon ab, was für emissionsarme Technologien zur Verfügung stehen werden und wie schnell diese eingesetzt werden können.

Man nehme etwa die Vereinigten Staaten. Um ihre Emissionen steil zu senken, müssen die USA im Verlauf der nächsten zehn Jahre auf eine neue Autoflotte umstellen, die zunehmend mit Strom betrieben wird. Die USA müssen außerdem über die Erneuerung und Ausweitung ihrer Kernkraftwerke und die Verwendung von Staatsland zum Bau neuer Kraftwerke zur Produktion erneuerbarer Energie entscheiden, insbesondere der Sonnenenergie. Und sie werden ein neues Stromnetz brauchen, um erneuerbare Energie aus Standorten mit geringer Bevölkerungsdichte – wie etwa den Wüsten im Südwesten im Falle der Solarenergie und den Ebenen im Norden im Falle der Windenergie – an die dicht besiedelten Küsten zu transportieren. All dies freilich erfordert einen nationalen Plan, nicht bloß nummerische Ziele zur Emissionsreduzierung.

China könnte ähnlich wie die USA seine CO2-Emissionen durch Steigerung der Energieeffizienz und eine neue Flotte von Elektrofahrzeugen senken. Aber China muss das Problem unter dem Gesichtspunkt einer kohleabhängigen Volkswirtschaft  betrachten. Chinas zukünftige Entscheidungen hängen davon ab, ob „saubere Kohle“ wirklich effektiv und im großen Umfang funktioniert. Der Weg Chinas bei der Emissionsreduzierung hängt daher entscheidend von einer frühen Erprobung der CCS-Technologien ab.

Ein echtes globales Brainstorming müsste zunächst diskutieren, was die jeweils besten uns zur Verfügung stehenden technologischen und wirtschaftlichen Alternativen sind und wie sich diese durch zielgerichtete Forschung und Entwicklung und bessere Anreize optimieren ließen. Dabei müssten bei den Verhandlungen zunächst die Palette der jedem Land und jeder Region offenstehenden Optionen – von der CCS-Technologie bis hin zur Solarenergie, Wind- und Kernkraft – diskutiert und ein Zeitplan für eine neue Generation emissionsarmer Autos skizziert werden, wobei man sich bewusst sein müsste, dass der Wettbewerb am Markt und die öffentlichen Finanzen das tatsächliche Tempo bestimmen werden.

Auf der Grundlage dieser Bausteine könnte die Welt dann die Verteilung der Kosten für eine beschleunigte Entwicklung und Verbreitung neuer, emissionsarmer Technologien vereinbaren. Dieses globale Rahmenwerk würde die nationalen und globalen Ziele der Emissionssteuerung und der Überwachung der Fortschritte der technologischen Erneuerung untermauern. Wenn sich die neuen Technologien bewährt haben, würden die Ziele dann strenger werden. Natürlich wäre es Teil der Strategie, Marktanreize für neue emissionsarme Technologien zu setzen, damit die Investoren eigene Ideen entwickeln könnten – mit der Aussicht auf hohe Gewinne, falls diese Ideen stimmen.

Mein Plädoyer, Pläne und Strategien Seite an Seite mit den spezifischen Emissionszielen zu diskutieren, mag aussehen, als würde man damit eine Verzögerung der Verhandlungen riskieren. Aber wenn wir keine Strategie haben, die mit unseren Zielen einhergeht, werden die Regierungen weltweit diese Ziele entweder überhaupt nicht akzeptieren, oder sie akzeptieren sie in zynischer Weise, ohne echte Absicht, sie tatsächlich umzusetzen.

Wir müssen, gemeinsam, hart darüber nachdenken, welche echten technologischen Optionen der Welt offenstehen, und uns anschließend um einen gemeinsamen globalen Rahmen bemühen, der es uns erlaubt, in ein neues Zeitalter vorzudringen – eines, dass auf realisierbaren und nachhaltigen Technologien für Energie, Transport, Industrie und Gebäude basiert.

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