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Ein leuchtendes Beispiel für erfolgreichen Multilateralismus

PARIS – Der Multilateralismus, so heißt es, befinde sich auf dem Rückzug. Wir dürfen jedoch nicht zulassen, dass Sparmaßnahmen und Zersplitterung die Oberhand gewinnen. In Anbetracht des Klimawandels, des Zusammenbruchs der Artenvielfalt sowie der Konflikte, der geopolitischen Spannungen und Turbulenzen, die die Welt von heute prägen, ist uns bewusst, dass die Bewältigung globaler Herausforderungen neue und verstärkte Formen globaler Zusammenarbeit erfordert.

Erfreulicherweise besteht echter Grund zu Optimismus, dass neue und innovative Partnerschaften eine bessere Welt schaffen können. Und möglicherweise präsentieren sich die Erfolgsbilanz und die potenziellen Chancen des Multilateralismus nirgendwo deutlicher als im Bereich der Zusammenarbeit zur Verbesserung der globalen Gesundheit.

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben Multilateralismus, Solidarität und Partnerschaft erstaunliche Erfolge im Kampf gegen Infektionskrankheiten ermöglicht und das Leben einiger der am stärksten benachteiligten Bevölkerungsgruppen der Welt verändert. So ist beispielsweise die Kindersterblichkeit seit dem Jahr 2000 weltweit um die Hälfte zurückgegangen, und das ist in erster Linie auf Impfungen zurückzuführen.

In den kommenden Jahren präsentieren sich nur wenige Vorhaben so vielversprechend für die Menschheit wie Impfungen. Bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse haben neue und wirksamere Impfstoffe hervorgebracht, darunter den weltweit ersten Malaria-Impfstoff, der derzeit in mehreren afrikanischen Ländern erstmals zur Anwendung kommt. Innovation spielt eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, mehr Ländern als je zuvor die Herstellung und den Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen.

Am 20. Juni, also etwa einen Monat vor Beginn der nächsten Olympischen Sommerspiele, kommen in Paris führende Persönlichkeiten aus nationalen Regierungen, der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor zusammen, um das Thema „Zukunftssicherung: Globales Forum für Impfstoffsouveränität und Innovation“ zu erörtern. Das von Frankreich im Namen des Teams Europa (bestehend aus Europäischer Union, EU-Mitgliedstaaten, Europäischer Investitionsbank und Europäischer Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) gemeinsam mit der Afrikanischen Union (AU) und der Impfallianz Gavi ausgerichtete Treffen steht für den Geist der Solidarität, der diesen Errungenschaften zugrunde liegt.

Halb Afrika wird derzeit von einem erneuten Ausbruch der Cholera heimgesucht, die in der Region als direkte Folge des Klimawandels endemisch geworden ist. Nach Covid-19 ist diese Entwicklung ein weiterer Beweis dafür, dass die Entwicklungsländer eine verlässlichere und leichter zugängliche Versorgung mit Impfstoffen benötigen.

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Das Forum soll den Beginn eines neuen Zeitalters der Impfungen und Chancengleichheit markieren, denn Gavi beabsichtigt, mehr Kinder vor mehr Krankheiten zu schützen als je zuvor. Im 25. Jahr ihres Bestehens wurden bereits mehr als eine Milliarde Kinder in Ländern mit geringem Einkommen durch Gavi geimpft – also ein Achtel der Menschheit. Im Laufe ihrer Tätigkeit hat die Organisation dazu beigetragen, Millionen von Todesfällen zu verhindern, einen wirtschaftlichen Nutzen in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar zu erzielen und Ausbrüche neuer und wieder auftretender Krankheiten zu verhindern beziehungsweise darauf zu reagieren.

In Zukunft werden Vakzine voraussichtlich eine noch größere Rolle in der Gesundheitsvorsorge spielen (ein Impfstoff gegen Darmkrebs wird derzeit in Großbritannien getestet) und die Entwicklung vieler Länder unterstützen. Impfstoffe leisten einen bedeutenden Beitrag zur Verringerung der Gefahr von Antibiotikaresistenzen und bieten Ländern, die sich an den Klimawandel anpassen müssen, Schutz vor dem Ausbruch wasserbezogener Krankheiten wie Cholera und mückenübertragener Krankheiten wie Malaria und Gelbfieber, die allesamt durch Überschwemmungen, Dürren und steigende Temperaturen hervorgerufen werden können.

Impfstoffsouveränität bedeutet, Länder dabei zu unterstützen, die Verantwortung für ihre eigenen nationalen Strategien zu übernehmen, und ihnen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen, um Zugang zu den notwendigen Impfstoffen zu erhalten. Dies insbesondere in Krisenzeiten und im Falle von Unterbrechungen der globalen Lieferketten, wie wir sie während der Covid-19-Pandemie erlebt haben. Eine einzigartige Stärke des Gavi-Modells besteht darin, dass es von Anfang an auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Die Nachfrage wird gebündelt, um erschwingliche Preise zu gewährleisten, während die Länder aufgefordert werden, sich stärker an den Kosten zu beteiligen, wenn ihr Nationaleinkommen steigt.

Bis dato haben 19 Länder ein ausreichend hohes Wirtschaftswachstum erreicht, um nicht mehr auf die Unterstützung durch Gavi angewiesen zu sein und die vollen Kosten für ihre nationalen Impfprogramme selbst zu tragen. In den nächsten fünf Jahren werden die von Gavi unterstützten Länder so viel wie nie zuvor in Impfungen investieren und über 40 Prozent der Kosten für Routineimpfungen selbst übernehmen.

Impfstoffsouveränität bedeutet außerdem, Zugang zu einer gesicherten Impfstoffversorgung zu haben. Aufgrund der Pandemie traten die systemimmanente Ungerechtigkeit und Ineffizienz zutage, die mit der Konzentration der Impfstoffproduktion in einigen wenigen Ländern einhergehen. Das führte in den vom Produktionssystem ausgeschlossenen Ländern und Kontinenten zu langen Wartezeiten.

Der African Vaccine Manufacturing Accelerator  (AVMA), ein mit 1 Milliarde US-Dollar dotierter Finanzierungsmechanismus, der ebenfalls in Paris vorgestellt wird, soll dieses Ökosystem durch die Förderung der Entwicklung solider Impfstoff-Produktionskapazitäten in Afrika wieder ins Gleichgewicht bringen. Derzeit werden in Afrika nur 2 Prozent der dort benötigten Impfstoffe hergestellt. Der AVMA wird sich auf die Finanzierung von derzeit knapp vorhandenen Impfstoffen konzentrieren, wie beispielsweise Vakzine gegen Cholera und Ebola. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit der Agenda 2063 der AU, die vorsieht, durch Forschung, Entwicklung und Innovation Gesundheit und Wohlstand für die Menschen in Afrika zu erreichen. Davon profitiert wir alle, denn niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind.

In einer Welt, die oft gespalten scheint, bietet dieses Forum für die Sicherung unserer Zukunft die Möglichkeit, die beispiellose globale Wirkung von Impfungen sowie das ungenutzte Potenzial weltweiter Solidarität und Partnerschaft im Allgemeineren zu würdigen. Gemeinsam mit Regierungschefs aus aller Welt werden wir vor Ort sein, um unsere unerschütterliche Unterstützung für Gavis ehrgeiziges Programm und ihr Engagement zur Beschaffung jener Mittel zu bekunden, die erforderlich sind, um eine gesündere und wohlhabendere Zukunft zu gestalten, indem wir die jetzige Generation zur bestgeschützten in der Geschichte machen.

https://prosyn.org/c2ivzSWde