NEW YORK – In diesem Monat treffen sich Delegierte von Regierungen aus aller Welt (virtuell) zu einem entscheidenden, aber wenig beachteten Klimagipfel bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO, International Maritime Organization) der Vereinten Nationen. Es geht darum, wie die globale Schifffahrtsindustrie dekarbonisiert werden kann, die über 80% des Welthandels abwickelt und über eine Milliarde Tonnen Treibhausgase im Jahr emittiert – mehr als alle bis auf die fünf größten Emittentenländer.
Diese massive Emissionsquelle darf nicht ignoriert werden. Unsere Sucht nach fossilen Brennstoffen hat katastrophale Auswirkungen auf den Planeten und insbesondere unsere Ozeane. Zunehmende Wärme und Übersäuerung, schmelzendes Meereseis und immer weniger Sauerstoff zerstören die Korallenriffe, bedrohen die Meereslebewesen und untergraben die Fähigkeit der Ozeane, als wichtiges Ökosystem und als Klimaregulator dienen zu können. Angesichts dessen, dass jeder zweite Atemzug, den wir nehmen, vom Meer kommt, ist unsere Gesundheit direkt mit der dieses natürlichen Systems verbunden.
Wissenschaftler warnen, dass wir nur noch höchstens zehn Jahre dafür haben, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die globale Erwärmung auf 1,5 ºC des vorindustriellen Niveaus zu begrenzen und damit erhebliche Gefahren von Natur und Menschheit abzuwenden. Aber trotz zunehmender öffentlicher Besorgnis über die Klimakrise rufen die Treffen der IMO bei den Medien immer noch kaum Aufmerksamkeit hervor. Die meisten Menschen haben keine Ahnung, wer bei diesen Gesprächen ihr Land vertritt – ganz zu schweigen davon, ob ihre Regierung höhere Klimastandards unterstützt oder ablehnt.
2018 unterstützten fast alle Länder die Einführung eines sinnvollen Dekarbonisierungsplans zur Halbierung der Emissionen des weltweiten Schifffahrtssektors bis 2050. Aber die wichtige Frage, wie dieses Ziel durchgesetzt werden soll, ist immer noch nicht beantwortet. Die Regierungen werden versuchen, diese Blockade beim IMO-Treffen in diesem Monat zu überwinden, und dann erneut bei der 75. Sitzung des Marine Environment Protection Committee (MEPC75) im nächsten Monat.
Dazu einigen sich bereits jetzt so verschiedene Länder wie China, Indien, Frankreich und Nigeria auf einen vernünftigen Vorschlag: „zielorientierte operative Effizienz“. Mit diesem Ansatz, der nicht so technisch ist, wie er klingt, würde sich die internationale Gemeinschaft auf eine Höchstmenge an Kohlendioxid einigen, die die einzelnen Schiffstypen pro Tonne Fracht und zurückgelegter Seemeile ausstoßen dürfen. Unter Berücksichtigung dieser Grenzen werden die Schiffseigentümer dann selbst entscheiden, wie sie die Dekarbonisierungsziele erreichen wollen. Mit einem genügend ehrgeizigen Ziel – beispielsweise der Verringerung der CO2-Intensität um 80% bis 2030 – kann die Schifffahrtsindustrie nicht nur eine Emissionsminderung im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen erreichen, sondern auch ein weiteres Wachstum des Welthandels bedienen.
Wie immer steckt der Teufel dabei aber im Detail: Ein mögliches Problem ist, dass Japan und ein paar andere Länder die verbindliche Durchsetzung strengerer CO2-Regeln bis 2029 oder 2030 blockieren. Sind sie damit erfolgreich, werden die jährlichen Emissionen der Schifffahrtsindustrie in diesem Jahrzehnt weiter steigen und die Ziele von Paris noch mehr außer Reichweite bringen.
Einigen sich die Regierungen aber und führen strenge CO2-Obergrenzen ein, mangelt es den Schiffseignern keineswegs an Möglichkeiten, um die neuen Ziele erreichen zu können. Beispielsweise kann der Treibstoffverbrauch durch Flettner-Rotorsegel um über 8% verringert werden, und durch Luftschmierungssysteme um weitere 12%. Trotz ihrer erwiesenen Effektivität wird bisher keins dieser beiden Systeme bei mehr als einer Handvoll der weltweit etwa 60.000 Handelsschiffe verwendet. Und selbst wenn die Schiffseigner zu knapp bei Kasse sind, um in diese vernünftigen Maßnahmen zu investieren, würde allein die Verringerung der Geschwindigkeit ihrer Schiffe um 20% zu 24-34% weniger Emissionen und Treibstoffkosten führen.
Soll der Sektor allerdings Nettonullemissionen erreichen, ist dazu natürlich ein viel größerer Schritt weg von fossil befeuerten Antriebssystemen erforderlich. Aber hier ist die Schifffahrtsindustrie selbst bereits weiter als die zögerlichen Regierungen, die den Fortschritt innerhalb der IMO zu blockieren versuchen. Unter der Schirmherrschaft der Getting to Zero-Koalition arbeiten bereits über 120 große Unternehmen daran, innerhalb der nächsten zehn Jahre emissionsfreie Schiffe einzusetzen.
Von diesen Plänen können Entwicklungs- und Schwellenländer, die reich an erneuerbaren Energien sind, erheblich profitieren. Die saubere Schifffahrt bietet ihnen gleich drei große Vorteile: Sie verringert nicht nur die Belastung durch Luftverschmutzung, sondern senkt auch die hohen Rechnungen für Ölimporte und verstärkt die Investitionen in die nationalen Sektoren der erneuerbaren Energien. Laut einer Studie des Environmental Defense Fund könnte beispielsweise Chile bis zu 90 Milliarden Dollar an Investitionen in die Infrastruktur erneuerbarer Energien mobilisieren, wenn es seine Schiffe anstatt auf fossile Weise mit grünen, auf Wasserstoff beruhenden Brennstoffen betreibt, die mit erneuerbaren Energien hergestellt werden.
Wie bei so vielem in der Klimadebatte liegt das wirkliche Hindernis für eine nachhaltige Zukunft nicht in der Technologie, sondern in der Politik. Können sich die Regierungen endlich darauf einigen, mithilfe der IMO in diesem Jahr strenge Emissionsregeln für alle Schiffe dieser Welt festzulegen, bereiten sie damit den Weg für ein saubereres und grüneres weltweites Handelssystem, das mit im Überfluss vorhandener erneuerbarer Energie betrieben wird. Dies wäre gut für den Planeten, das Meer und die Menschheit.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
NEW YORK – In diesem Monat treffen sich Delegierte von Regierungen aus aller Welt (virtuell) zu einem entscheidenden, aber wenig beachteten Klimagipfel bei der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO, International Maritime Organization) der Vereinten Nationen. Es geht darum, wie die globale Schifffahrtsindustrie dekarbonisiert werden kann, die über 80% des Welthandels abwickelt und über eine Milliarde Tonnen Treibhausgase im Jahr emittiert – mehr als alle bis auf die fünf größten Emittentenländer.
Diese massive Emissionsquelle darf nicht ignoriert werden. Unsere Sucht nach fossilen Brennstoffen hat katastrophale Auswirkungen auf den Planeten und insbesondere unsere Ozeane. Zunehmende Wärme und Übersäuerung, schmelzendes Meereseis und immer weniger Sauerstoff zerstören die Korallenriffe, bedrohen die Meereslebewesen und untergraben die Fähigkeit der Ozeane, als wichtiges Ökosystem und als Klimaregulator dienen zu können. Angesichts dessen, dass jeder zweite Atemzug, den wir nehmen, vom Meer kommt, ist unsere Gesundheit direkt mit der dieses natürlichen Systems verbunden.
Wissenschaftler warnen, dass wir nur noch höchstens zehn Jahre dafür haben, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die globale Erwärmung auf 1,5 ºC des vorindustriellen Niveaus zu begrenzen und damit erhebliche Gefahren von Natur und Menschheit abzuwenden. Aber trotz zunehmender öffentlicher Besorgnis über die Klimakrise rufen die Treffen der IMO bei den Medien immer noch kaum Aufmerksamkeit hervor. Die meisten Menschen haben keine Ahnung, wer bei diesen Gesprächen ihr Land vertritt – ganz zu schweigen davon, ob ihre Regierung höhere Klimastandards unterstützt oder ablehnt.
2018 unterstützten fast alle Länder die Einführung eines sinnvollen Dekarbonisierungsplans zur Halbierung der Emissionen des weltweiten Schifffahrtssektors bis 2050. Aber die wichtige Frage, wie dieses Ziel durchgesetzt werden soll, ist immer noch nicht beantwortet. Die Regierungen werden versuchen, diese Blockade beim IMO-Treffen in diesem Monat zu überwinden, und dann erneut bei der 75. Sitzung des Marine Environment Protection Committee (MEPC75) im nächsten Monat.
Dazu einigen sich bereits jetzt so verschiedene Länder wie China, Indien, Frankreich und Nigeria auf einen vernünftigen Vorschlag: „zielorientierte operative Effizienz“. Mit diesem Ansatz, der nicht so technisch ist, wie er klingt, würde sich die internationale Gemeinschaft auf eine Höchstmenge an Kohlendioxid einigen, die die einzelnen Schiffstypen pro Tonne Fracht und zurückgelegter Seemeile ausstoßen dürfen. Unter Berücksichtigung dieser Grenzen werden die Schiffseigentümer dann selbst entscheiden, wie sie die Dekarbonisierungsziele erreichen wollen. Mit einem genügend ehrgeizigen Ziel – beispielsweise der Verringerung der CO2-Intensität um 80% bis 2030 – kann die Schifffahrtsindustrie nicht nur eine Emissionsminderung im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen erreichen, sondern auch ein weiteres Wachstum des Welthandels bedienen.
Wie immer steckt der Teufel dabei aber im Detail: Ein mögliches Problem ist, dass Japan und ein paar andere Länder die verbindliche Durchsetzung strengerer CO2-Regeln bis 2029 oder 2030 blockieren. Sind sie damit erfolgreich, werden die jährlichen Emissionen der Schifffahrtsindustrie in diesem Jahrzehnt weiter steigen und die Ziele von Paris noch mehr außer Reichweite bringen.
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Einigen sich die Regierungen aber und führen strenge CO2-Obergrenzen ein, mangelt es den Schiffseignern keineswegs an Möglichkeiten, um die neuen Ziele erreichen zu können. Beispielsweise kann der Treibstoffverbrauch durch Flettner-Rotorsegel um über 8% verringert werden, und durch Luftschmierungssysteme um weitere 12%. Trotz ihrer erwiesenen Effektivität wird bisher keins dieser beiden Systeme bei mehr als einer Handvoll der weltweit etwa 60.000 Handelsschiffe verwendet. Und selbst wenn die Schiffseigner zu knapp bei Kasse sind, um in diese vernünftigen Maßnahmen zu investieren, würde allein die Verringerung der Geschwindigkeit ihrer Schiffe um 20% zu 24-34% weniger Emissionen und Treibstoffkosten führen.
Soll der Sektor allerdings Nettonullemissionen erreichen, ist dazu natürlich ein viel größerer Schritt weg von fossil befeuerten Antriebssystemen erforderlich. Aber hier ist die Schifffahrtsindustrie selbst bereits weiter als die zögerlichen Regierungen, die den Fortschritt innerhalb der IMO zu blockieren versuchen. Unter der Schirmherrschaft der Getting to Zero-Koalition arbeiten bereits über 120 große Unternehmen daran, innerhalb der nächsten zehn Jahre emissionsfreie Schiffe einzusetzen.
Von diesen Plänen können Entwicklungs- und Schwellenländer, die reich an erneuerbaren Energien sind, erheblich profitieren. Die saubere Schifffahrt bietet ihnen gleich drei große Vorteile: Sie verringert nicht nur die Belastung durch Luftverschmutzung, sondern senkt auch die hohen Rechnungen für Ölimporte und verstärkt die Investitionen in die nationalen Sektoren der erneuerbaren Energien. Laut einer Studie des Environmental Defense Fund könnte beispielsweise Chile bis zu 90 Milliarden Dollar an Investitionen in die Infrastruktur erneuerbarer Energien mobilisieren, wenn es seine Schiffe anstatt auf fossile Weise mit grünen, auf Wasserstoff beruhenden Brennstoffen betreibt, die mit erneuerbaren Energien hergestellt werden.
Wie bei so vielem in der Klimadebatte liegt das wirkliche Hindernis für eine nachhaltige Zukunft nicht in der Technologie, sondern in der Politik. Können sich die Regierungen endlich darauf einigen, mithilfe der IMO in diesem Jahr strenge Emissionsregeln für alle Schiffe dieser Welt festzulegen, bereiten sie damit den Weg für ein saubereres und grüneres weltweites Handelssystem, das mit im Überfluss vorhandener erneuerbarer Energie betrieben wird. Dies wäre gut für den Planeten, das Meer und die Menschheit.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff