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Die Gestaltung der Wirtschaft nach dem CO2-Zeitalter

NEW YORK – Ende dieses Jahres werden sich Vertreter aus 170 Unterzeichnerstaaten der UN-Klimarahmenkonvention in Kopenhagen zu – wie sie hoffen – abschließenden Verhandlungen über internationale Maßnahmen gegen die globale Erwärmung und den Klimawandel treffen. Im Erfolgsfall wird dabei eine globale Vereinbarung darüber erzielt, wie man schädliche Treibhausgase reduziert, um welchen Wert und zu welchem Zeitpunkt. Das Abkommen würde 2010 in Kraft treten, wenn das aktuelle Kyoto-Protokoll ausläuft.

McKinsey-Forschungsergebnisse über Effektivität und Kosten von über 200 Mechanismen zur Reduktion der CO2-Emissionen – von größerer Kraftfahrzeugeffizienz über Atomkraft, verbesserter Gebäudeisolierung bis hin zu besserem Waldmanagement – zeigen, dass man nur mit  konzertierten globalen Aktionen jene Werte sicherstellen kann, die die wissenschaftliche Gemeinde für nötig hält, um die desaströsen Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern. Unsere in 21 Ländern und Regionen über zwei Jahre durchgeführten Untersuchungen ergaben, dass jede Region und jeder Sektor seinen Beitrag leisten muss. Wem das noch nicht folgenschwer genug erscheint, möge Folgendes bedenken: Wenn wir die Maßnahmen auch nur für ein paar Jahre aufschieben, werden wir die angepeilten Ziele möglicherweise nicht erreichen, selbst wenn es zu einem zeitweiligen, mit der schrumpfenden Wirtschaftstätigkeit verbundenen Rückgang der CO2-Emissionen kommt. 

Die gute Nachricht ist, dass wir die angestrebten Ziele erreichen können, dass wir uns dies leisten können und dass alles ohne Wachstumseinschränkungen möglich ist. In der jüngsten Ausgabe der globalen Kostenkurve zur Reduktion von CO2-Emissionen von McKinsey werden Möglichkeiten zur Stabilisierung der Emissionen bis 2030 auf die Werte des Jahres 1990 oder auf 50 Prozent der aktuellen Werte dargelegt.

Diese Senkungen würden bis 2030 jährlich etwa 200 bis 350 Milliarden Euro kosten – also weniger als 1 Prozent des für 2030 prognostizierten globalen BIP.  Die gesamte Vorausfinanzierung käme bis 2020 auf 530 Milliarden Euro – das ist weniger als der aktuelle Rettungsplan für den US-Finanzsektor – und bis 2030 auf 810 Milliarden Euro, eine Summe also, die sich durchaus innerhalb des zu bewältigenden Rahmens der Finanzmärkte bewegt.  

Industrienationen und Entwicklungsländer müssen gleichermaßen in die Reduktion der Emissionen investieren. Der Löwenanteil dieser Investitionen führt zu geringerem Energieverbrauch und daher zu niedrigeren Energiekosten. Energieeffizienz zu erreichen, ist sowohl für die Klima- als auch für die Energiesicherheit von entscheidender Bedeutung – und beruht auf einer Reihe wohlbekannter politischer Signale und bewährter Technologien.   

Diese führen weder zu eingeschränktem Wachstum noch zu höheren Energiekosten und manches kann das Wachstum sogar ankurbeln. Ebenso könnte ein globaler Richtungswechsel hin zu einem neuen, stärker dezentralisierten Energiesektor – mit einem größeren Anteil an erneuerbaren Energien und einer intelligenteren Netz-Infrastruktur – zu Wachstumsvorteilen führen.

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Um all das zu erreichen, müssen wir uns in Richtung eines neuen Modells bewegen, das eine Erhöhung der Produktivität jener Schlüsselressourcen sicherstellt, die wir lange als selbstverständlich hingenommen haben. In dem Ausmaß, in dem wir sektor- und regionenübergreifend investieren, um unsere Kohlenstoffproduktivität (BIP pro emittierter Kohlenstoffeinheit) zu erhöhen, werden wir die Beschränkungen des weltweiten Wachstums aufgrund von Umweltverschmutzung verringern. 

Zur Verbesserung der Kohlenstoffproduktivität bedarf es einer Verbesserung der Bodenproduktivität. Wälder und Pflanzen entziehen der Atmosphäre CO2 und stellen damit über 40 Prozent des Potenzials zur Senkung der CO2-Werte zwischen jetzt und 2020 dar.

Ohne einen sorgsamen Umgang mit den Regenwäldern – von denen 90 Prozent in Entwicklungsländern wachsen, die unter Druck stehen, Land für andere wirtschaftliche Zwecke zu gewinnen – können wir unsere Ziele einer Reduzierung der CO2-Emissionen nicht erreichen. Die Hilfe  für Sojabohnen- und Palmölbauern sowie Rinderzüchter von Brasilien bis Südost-Asien, den Boden produktiver zu nutzen und dabei den Druck zur Abholzung der Regenwälder zu verringern, muss ein integraler Bestandteil der Lösung sein.

Mit einer verbesserten landwirtschaftlichen Produktivität muss auch verbessertes Wassermanagement einhergehen. Angesichts der Tatsache, dass die Landwirtschaft 70 Prozent des weltweit verfügbaren Wasserangebots verbraucht (und der möglichen Auswirkungen des Klimawandels auf ein zuverlässiges Wasserangebot) muss ein umfassender Ansatz zur Klimasicherheit auch bessere Strategien in den Bereichen Wasser, integriertes Bodenmanagement und eine Reform des Agrarmarktes enthalten. Aus unseren Forschungsergebnissen geht hervor, dass die Wasserproduktivität in den nächsten Jahrzehnten jährlich von 0,3 auf 3 Prozent ansteigen muss.

Mit anderen Worten: Ressourcen und Strategien sind voneinander abhängig. Die Hinwendung zu einem Modell, bei dem sich CO2-Emissionen und Wirtschaftswachstum in entgegengesetzte Richtungen bewegen – was wir als Post-Kohlenstoff-Wirtschaft bezeichnen – könnte in Kopenhagen mit Vereinbarungen zur Reduktion von CO2 in der Atmosphäre beginnen. Allerdings kann der Erfolg nur eintreten, wenn wir eine Agenda zur Förderung der Produktivität natürlicher Ressourcen auf breiterer und besser integrierter Basis umsetzen.

Daraus ergibt sich, dass wir auf dem Weg zu einer verbesserten Ressourcenproduktivität neue weltweite Regelungen brauchen. Wenn wir die nötige Produktivität in den Bereichen Energie, Boden, Wasser und CO2 erreichen wollen, müssen wir ein integriertes globales Rahmenwerk entwickeln, das diese Interdependenz von Ressourcen anerkennt. Ein Industrieland kann seine Ziele im Hinblick auf CO2-Emissionen nicht durch die Auslagerung der schmutzigsten Produktionsschritte in ein Entwicklungsland erreichen. Und ein Entwicklungsland kann seine Ziele nicht durch die Abholzung von Wäldern erreichen, um Platz für Industrieanlagen oder landwirtschaftliche Betriebe mit geringer Produktivität zu schaffen.

Um eine Post-Kohlenstoff-Wirtschaft zu etablieren, müssen die Länder ihre gegenseitige Abhängigkeit anerkennen, die globale Koordination ihrer Strategien im Umgang mit Ressourcen stärken und sich auf neue, bedingtere Modelle von Souveränität einstellen. Die Chance in Kopenhagen besteht darin, mit der Gestaltung eines neuen, von gemeinsamen Aktionen geprägten Modells zu beginnen, auf dem wir die Post-Kohlenstoff-Wirtschaft aufbauen können.

https://prosyn.org/kivXImFde