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Finanzgewinne in Zeiten der Krise

NEW YORK – In den letzten drei Monaten kam es weltweit zu einer kräftigen Erholung der Vermögenspreise: In den Industrieländern stiegen die Aktienpreise um über 30 Prozent und in den meisten Schwellenländern ging es noch steiler nach oben. Die Rohstoffpreise – für Öl, Energie und Metalle – schnellten empor. Die Credit Spreads (die Renditedifferenz zwischen Staatsanleihen und Unternehmensanleihen) haben sich dramatisch verringert, da die Renditen der Staatsanleihen stark angestiegen sind. Die Volatilität (das „Angstmaß“) ist gesunken und der Dollar wurde aufgrund der abflauenden Nachfrage nach sicheren Dollar-Vermögenswerten schwächer.

Aber ist diese Erholung bei den Vermögenswerten auch durch ökonomische Fundamentaldaten begründet? Ist sie nachhaltig? Handelt es sich bei der Erholung der Aktienpreise um eine weitere Bärenmarktrallye oder den Beginn einer Bullenphase?  

Die Wirtschaftsdaten deuten zwar auf eine Verbesserung der Fundamentaldaten hin – die Gefahr einer Beinahe-Depression ist gesunken, die Aussichten, dass die weltweite Rezession mit Jahresende ihre Talsohle erreicht, steigen und das Risikobewusstsein verbessert sich. Es ist aber ebenso klar, dass andere, weniger nachhaltige Faktoren auch eine Rolle spielen. Außerdem bedroht dieser massive Anstieg der Vermögenspreise die Erholung der Weltwirtschaft, die ihren Boden noch nicht erreicht hat. Tatsächlich bleiben viele Risiken einer Marktkorrektur nach unten weiter bestehen.

Erstens sind Vertrauen und Risikoaversion labil und es könnte zu Perioden erneuter Volatilität kommen, wenn makroökonomische und finanzielle Daten wider Erwarten schlecht ausfallen – wie es passieren könnte, wenn eine kurzfristige und robuste globale Erholung (die viele erwarten) doch nicht eintritt.  

Zweitens könnte eine extrem lockere Geldpolitik (Nullzinssätze, Liquiditätsversorgung für Banken, neue Kreditmöglichkeiten, Emissionen von Staatsanleihen und Ankauf illiquider, riskanter privater Vermögenswerte) in Kombination mit den immensen Summen, die zur Stabilisierung des Finanzsystems ausgegeben wurden, auf den Finanz- und Rohstoffmärkten zu einer neuen Vermögenspreisblase aufgrund der erhöhten Liquidität führen. So decken sich beispielsweise chinesische Staatsunternehmen, die Zugang zu enormen Geldsummen und Krediten bekamen, nun mit Aktien und Vorräten ein, die weit über ihre Erfordernisse hinsichtlich der Produktion hinausgehen.

Das Risiko einer Korrektur angesichts enttäuschender makroökonomischer Fundamentaldaten liegt klar auf der Hand. Jüngste Daten aus den USA und anderen Industrieländern deuten darauf hin, dass die Rezession bis zu Jahresende andauern könnte. Noch schlimmer ist, dass die anschließende Erholung wahrscheinlich anämisch und unter pari ausfallen wird – über ein paar Jahre, wenn nicht länger, weit unter dem Potenzial – da Belastungen durch Schulden und Fremdkapital auf dem privaten Sektor mit steigenden Staatsschulden zusammentreffen. Haushalte können dadurch weniger konsumieren und Geld ausgeben, Finanzinstitute weniger Kredite vergeben und für Unternehmen wird es schwieriger, an Kredite zu kommen und Investitionen zu tätigen.

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Dieses prekäre Szenario einer anämischen Entwicklung lässt die Hoffnung auf eine V-förmige Erholung schwinden, da niedriges Wachstum und Deflationsdruck Erträge und Gewinnspannen belasten und da Arbeitslosenraten von über 10 Prozent in den meisten Industriestaaten aufgrund damit verbundener steigender Verluste für Banken und Finanzinstitutionen durch Kredite und toxische Wertpapiere erneute Finanzschocks verursachen. Gleichzeitig könnten sich Finanzkrisen in einer Reihe von Schwellenländern als ansteckend erweisen und zusätzlichen Stress auf die globalen Finanzmärkte ausüben..

Überdies wäre es möglich, dass der Anstieg bei manchen Vermögenspreisen zu einer W-förmigen Rezession mit zwei Tiefpunkten führt. Vor allem aufgrund der massiven Liquidität steigen die Energiepreise zu rasch und zu stark. Die Rolle der hohen Ölpreise beim Absturz der Weltwirtschaft in die Rezession im Sommer 2008 sollte nicht unterschätzt werden. Ein Ölpreis von über 140 Dollar pro Barrel war – nach den Immobilienpleiten und den Finanzschocks – der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, da dies einen massiven Angebotsschock für die USA, Europa, Japan, China und andere Öl-Nettoimporteure bedeutete.  

Unterdessen sorgen die steigenden Haushaltsdefizite in den meisten Ökonomien für höhere Renditen bei langfristigen Staatsanleihen. Teilweise ist dieser Anstieg der langfristigen Sätze eine notwendige Korrektur, da die Anleger in ihren Kalkulationen auf eine globale Erholung setzen. Teilweise allerdings ist dieser Anstieg auf eher Besorgnis erregende Faktoren zurückzuführen, nämlich auf die Auswirkungen der enormen Haushaltsdefizite und Schulden auf das Risiko staatlicher Kreditnehmer und daher auf Realzinssätze sowie auf Bedenken, dass der Anreiz, diese riesigen Defizite zu monetisieren, zu einer hohen Inflation führt, nachdem sich die Weltwirtschaft in den Jahren 2010 und 2011 erholt haben wird und deflationäre Tendenzen abflauen. Die Verdrängung der privaten Nachfrage aufgrund höherer Renditen bei Staatsanleihen – und der anschließende Anstieg bei Hypothekenzinssätzen und anderer privater Erträge  - könnten die Erholung wiederum gefährden.

Deshalb ist nicht auszuschließen, dass bis Ende 2010 oder 2011 ein Ölpreis von über 100 Dollar pro Barrel, steigende Renditen bei Staatsanleihen sowie Steuererhöhungen (da die Regierungen Risiken bei der Refinanzierung ihrer Schulden vermeiden wollen) zu einem erneuten Abschwung, wenn nicht gar zu einer ausgewachsenen W-Rezession führen.

Die jüngste Erholung der Vermögenspreise seit ihren Tiefstwerten im März ist teilweise durch Fundamentaldaten gerechtfertigt, da die Risiken einer globalen Kernschmelze des Finanzsystems und einer Depression abnehmen und sich das Vertrauen verbessert. Allerdings ist ein Großteil des Anstiegs unbegründet, weil er von übertrieben optimistischen Annahmen einer raschen Erholung des Wachstums in Richtung potenziell möglicher Werte ausgeht und weil eine Liquiditätsblase die Preise für Öl und Aktien zu rasch und zu früh in die Höhe treibt.  Ein negativer Ölschock in Kombination mit steigenden Renditen bei Staatsanleihen könnte der Erholung die Flügel stutzen und zu einem signifikanten weiteren Rückgang bei Vermögenspreisen und in der Realwirtschaft führen.

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