lomborg164_OHANNES EISELEAFPGetty Images_pollution Johannes Eisele/AFP/Getty Images

Das erste Opfer der globalen Erwärmung ist die Wahrheit

BRÜSSEL – Auf dem jüngsten Klimagipfel in Polen haben die Umweltaktivisten ihre üblichen Schreckens- und Katastrophenszenarien an die Wand gemalt. Der Klimawandel scheint unsere Fähigkeit zum kritischen Denken einzufrieren: Zu sehr wollen wir glauben, das Problem sei viel schlimmer, als die Wissenschaft behauptet, und unsere Lösungen seien viel einfacher, als die Wirklichkeit es zulässt.

Nehmen wir Wetterereignisse: Heute ist es üblich geworden, diese mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen. Für jede Überschwemmung machen die Medien die globale Erwärmung verantwortlich und warnen, ihre Häufigkeit nehme zu. Aber die seriöseste Erkenntnis ist diejenige des Weltklimarats IPCC der Vereinten Nationen, dass gar nicht klar ist, ob die Überflutungen im letzten Jahrhundert global gesehen zu- oder abgenommen haben.

Auch die Waldbrände in Europa und die Hurrikane in den USA werden der globalen Erwärmung zugeschrieben. Aber obwohl die europäischen Brände 2018 in den Medien mehr Aufmerksamkeit bekommen haben als üblich, war in diesem Jahr nur die Hälfte der sonst üblichen Fläche betroffen: In den südeuropäischen Ländern, wo 90% der Waldbrände stattfinden, hat sich die Brandfläche innerhalb der letzten 35 Jahre halbiert. Zum Thema der Hurrikane sagen die Wissenschaftler des IPCC, im letzten Jahrhundert habe es „keine signifikanten beobachteten Trends“ gegeben. Tatsächlich ist die Häufigkeit aller Festlandhurrikane in den USA seit 1900 sogar zurückgegangen, ebenso wie die der großen US-Hurrikane insgesamt.

Die Wahrheit über den Klimawandel ist vielschichtig: Es gibt ihn wirklich, und langfristig wird er ein Problem sein. Aber seine Auswirkungen sind geringer, als wir vielleicht glauben mögen. Laut dem letzten großen Bericht des IPCC hätte ein ungebremster Klimawandel bis in die 2070er Jahre einen Einkommensrückgang von etwa 0,2 - 2% zur Folge. Dies entspricht dem Effekt einer einzigen wirtschaftlichen Rezession in den nächsten fünfzig Jahren.

Aber trotzdem haben die grünen Aktivisten bei ihrem Kampf gegen die Leugner des Klimawandels jedes Maß verloren. So sagte der einflussreiche Kampagnenleiter George Monbiot, der Begriff „Klimawandel“ sei nicht alarmierend genug, also solle er durch „Klimazusammenbruch“ ersetzt werden.

Aber das Klima bricht nicht zusammen. In Wirklichkeit hat es uns dazu gebracht, zusammenzubrechen. Vor hundert Jahren kosteten Klimakatastrophen jedes Jahr durchschnittlich 500.000 Menschen in aller Welt das Leben. Und obwohl heute in den gefährdeten Regionen viel mehr Menschen wohnen, ist die Zahl der Opfer um über 95% zurückgegangen.

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Wenn Aktivisten und Medien Angst schüren, indem sie jedes Feuer, jedes Hochwasser und jeden Hurrikan mit dem Klimawandel in Verbindung bringen, fördern sie die falsche Ansicht, es gäbe einfache Lösungen – wenn sich die Politiker und die Öffentlichkeit nur darum bemühen würden.

Nehmen wir das neue Argument, vegetarische Ernährung könnte den Klimawandel aufhalten. Hört ein Mensch im Westen auf, Fleisch zu essen, verringern sich dadurch seine Treibhausgasemissionen aber lediglich um wenige Prozentpunkte.

Oder denken wir an die seltsame Bemerkung des UN-Generalsekretärs António Guterres, die Klimapolitik werde „mindestens 26 Billionen Dollar an wirtschaftlichem Nutzen bringen“. Bezeichnenderweise beruht seine Aussage auf nichts mehr als einem Hochglanzbericht, während die tatsächlichen (vermutlich heldenhaften) Berechnungen nie veröffentlicht wurden. Die Behauptung steht völlig im Widerspruch zur etablierten Klimaökonomie. Ersetzt man fossile Energieträger durch ineffiziente Alternativen, verlangsamt dies das Wachstum. Deshalb wird das Pariser Klimaabkommen von 2015, wenn es voll umgesetzt wird, den Planeten jährlich etwa ein bis zwei Billionen Dollar kosten.

Weiterhin wird immer wieder behauptet, Solar- und Windenergie sei bereits jetzt wettbewerbsfähiger als fossile Brennstoffe. Aber alternative Energien werden jährlich immer noch mit etwa 160 Milliarden Dollar subventioniert. Werden diese Förderungen abgeschafft, gehen die Investitionen in Solar- und Windenergie normalerweise stark zurück. Es gibt zwar Fälle, in denen alternative Energieträger günstiger sind als fossile Brennstoffe, aber noch häufiger ist das Gegenteil der Fall – und wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint, sind Solar- und Windenergie unendlich viel teurer.

Global betrachtet decken Solar- und Windenergie weniger als 1% unseres Energiebedarfs. Sogar für den Fall, dass das Pariser Abkommen bestehen bleibt, schätzt die Internationale Energieagentur (IEA), dieser Wert werde bis 2040 auf kaum über 4% steigen.

Wollen wir den Klimawandel erfolgreich bekämpfen, müssen wir auf William Nordhaus hören, den ersten Klimaökonomen, der den Nobelpreis bekommen hat. Er zeigt, dass der Kampf gegen die globale Erwärmung – wie alles andere auch – eine Frage der richtigen Balance ist. Anhand seines über Jahrzehnte verfeinerten klimaökonomischen Modells zeigt Nordhaus, dass die Temperaturen mit einer global koordinierten, gemäßigten und progressiven Kohlenstoffsteuer maßvoll verringert werden könnten. Einige Klimaschäden zu verhindern werde etwa 20 Billionen Dollar kosten und in den kommenden Jahrhunderten zu einem Nettonutzen von 30 Billionen Dollar führen.

Aber ohne weltweite Koordination würden die Kosten der Maßnahmen eskalieren. Und der Versuch, die Temperaturen drastischer auf 2,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu reduzieren, würde die Kosten auf über 130 Billionen Dollar treiben und zu einem Defizit von 50 Billionen führen.

Vergleichen wir Nordhaus’ gründliche Arbeit, in der er zeigt, dass eine Begrenzung auf 2,5°C fast unmöglich ist, mit der Aufregung, mit der davon gesprochen wird, den Anstieg der globalen Temperaturen auf die viel schwerer zu erreichende Schwelle von 1,5°C zu begrenzen: Beim aktuellen Emissionsniveau würde dies voraussetzen, die Verbrennung fossiler Energien innerhalb von zehn Jahren zu beenden – eine Idee, die historisch gesehen unmöglich erscheint. Seit hundert Jahren stößt die Welt Emissionen aus und konnte dabei Milliarden von Menschen aus der Armut befreien. Uns wird sogar erzählt, wir müssten innerhalb von ein paar Jahrzehnten in bisher ungekanntem Ausmaß mit völlig unerprobten Technologien Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen. Das ist reines Wunschdenken. Laut der IEA werden 2040 immer noch drei Viertel des weltweiten Energiebedarfs durch fossile Energien gedeckt.

Das technologische Defizit kann nur gelöst werden, wenn wir unsere Ausgaben für Erforschung und Entwicklung alternativer Energien drastisch erhöhen. Sorgfältige Analysen zeigen, dass der Klimawandel ein Problem ist. Aber er ist nicht das Ende der Welt. Um ihn zu bekämpfen, brauchen wir keine Übertreibungen und Schauergeschichten, sondern intelligente, technische Innovationen für einen grünen Planeten.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

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