Nuclear energy Bloomberg/Getty Images

Eine neue Politik für saubere Energie

NEW YORK – Die Diplomaten haben ihre Arbeit getan und im Dezember das Pariser Klimaabkommen geschlossen. Und in der letzten Woche kamen bei den Vereinten Nationen Regierungsvertreter zusammen, um das neue Übereinkommen zu unterzeichnen. Die Umsetzung freilich dürfte der schwierige Teil sein. Die Regierungen brauchen einen neuen Ansatz für ein Problem, das hoch komplex, langfristig und von globalem Ausmaß ist.

Im Kern ist die Klimaherausforderung ein Energieproblem. Rund 80% der weltweiten Primärenergie stammt aus kohlenstoffhaltigen Energieträgern: Kohle, Öl und Gas. Werden diese verbrannt, geben sie das Kohlendioxid ab, das die globale Erwärmung verursacht. Bis 2070 brauchen wir eine zu nahezu 100% kohlenstofffreie Weltwirtschaft, um zu verhindern, dass die globale Erwärmung gefährlich außer Kontrolle gerät.

Das Pariser Abkommen erkennt diese grundlegenden Tatsachen an. Es ruft die Welt dazu auf, die Netto-Treibhausgasemissionen (insbesondere CO2) in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts auf null zu senken. Zu diesem Zweck sollen die Regierungen Pläne nicht nur bis zum Jahr 2030 aufstellen (die sogenannten national festgelegten Beiträge („Nationally Determined Contributions“ oder NDCs)), sondern zusätzlich bis zur Jahrhundertmitte (die sogenannten emissionsarmen Entwicklungsstrategien („Low-Emission Development Strategies“ oder LEDS)).

Noch nie zuvor haben die weltweiten Regierungen versucht, einen Kernsektor der Weltwirtschaft auf globaler Ebene unter Ansatz derart aggressiver Zeitvorgaben umzugestalten. Das auf fossilen Brennstoffen beruhende Energiesystem wurde schrittweise über zwei Jahrhunderte geschaffen. Nun muss es in nur 50 Jahren in umfassender Weise überarbeitet werden, und das nicht nur in ein paar Ländern, sondern überall. Die Regierungen werden neue Ansätze brauchen, um ihre LEDS zu entwickeln und umzusetzen.

Es gibt vier Gründe, warum eine Politik wie gehabt nicht ausreichen wird. Erstens ist das Energiesystem ein System vieler miteinander verbundener Teile und Technologien. Kraftwerke, Pipelines, Meerestransporte, Übertragungskabel, Dämme, Landnutzung, Eisenbahnen, Autobahnen, Gebäude, Fahrzeuge, Haushaltsgeräte und vieles mehr müssen alle in ein funktionierendes Ganzes eingepasst werden.

Ein derartiges System lässt sich nicht in kleinen, aufeinander folgenden Schritten überholen. Eine grundlegende Überarbeitung erfordert einen systemweiten Umbau, um sicherzustellen, dass alle Teile weiterhin effektiv zusammenarbeiten.

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Zweitens gibt es viele große technologische Unsicherheiten auf dem Weg zu einem kohlenstoffarmen Energiesystem. Sollten Fahrzeuge durch Batteriestrom, Wasserstoff verwendende Brennstoffzellen oder moderne Biokraftstoffe dekarbonisiert werden? Lassen sich Kohlekraftwerke durch Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) sicher machen? Wird die Nuklearenergie politisch akzeptiert werden und sicher und preiswert sein? Wir müssen Investitionen in Forschung und Entwicklung planen, um diese Unsicherheiten auszuräumen und unsere technologischen Optionen zu verbessern.

Drittens erfordern vernünftige Lösungen eine internationale Zusammenarbeit in Energiefragen. Ein zentraler Aspekt kohlenstoffarmer Energien (genau wie fossiler Brennstoffe) ist, dass sie sich im Allgemeinen nicht dort befinden, wo sie letztendlich gebraucht werden. Genau wie Kohle, Öl und Gas müssen auch Solar- und Geothermalenergie, Wind- und Wasserkraft per Stromleitungen über weite Entfernungen transportiert werden. Gleiches gilt für per Wind- und Solarenergie hergestellte synthetische Flüssigbrennstoffe.

Viertens gibt es natürlich mächtige Partikularinteressen in der Fossilbrennstoffindustrie, die sich Veränderungen widersetzen. Dies ist etwa in den USA überdeutlich, wo die Republikanische Partei den Klimawandel aus dem einzigen Grund bestreitet, dass sie in großem Umfang durch die US-Ölindustrie finanziert wird. Dies ist mit Sicherheit eine Art geistiger Korruption, wenn nicht politischer Korruption (vermutlich ist es beides).

Die Tatsache, dass das Energiesystem so viele komplexe Vernetzungen aufweist, führt zu enormen Beharrungskräften. Der Wandel hin zu einem kohlenstoffarmen Energiesystem erfordert daher ein hohes Maß an Planung, lange Vorlaufzeiten, eigene Finanzquellen und konzertiertes Handeln über viele Wirtschaftsbereiche hinweg – darunter Energieproduzenten, Energieversorger und private, gewerbliche und industrielle Verbraucher. Politische Maßnahmen wie eine Steuer auf Kohlenstoffemissionen können helfen, einige – aber nur einige – der Herausforderungen dieser Energiewende zu bewältigen.

Hier liegt ein weiteres Problem. Wenn die Regierungen statt 30-50 Jahren nur 10-15 Jahre vorausplanen, wie das für die Energiepolitik typisch ist, werden sie dazu neigen, schlechte systembezogene Entscheidungen zu treffen. So werden die Energieplaner dann etwa von Kohle auf kohlenstoffärmeres Erdgas umstellen, aber tendenziell zu wenig in die sehr viel entscheidendere Umstellung auf erneuerbare Energien investieren.

In ähnlicher Weise werden sie möglicherweise entscheiden, die Kraftstoffstandards für Autos mit Verbrennungsmotoren zu verbessern, statt die erforderliche Umstellung auf Elektrofahrzeuge zu forcieren. In diesem Sinne ist ein Planungshorizont von 30-50 Jahren nicht nur lebenswichtig, um die richtigen langfristigen Entscheidungen zu treffen, sondern auch, um die richtigen kurzfristigen Entscheidungen zu beeinflussen. Das Deep Decarbonization Pathways Project der Vereinten Nationen hat gezeigt, wie langfristige Planungen konzipiert und bewertet werden können.

Keine dieser Herausforderungen wird den gewählten Politikern leichtfallen. Die Herausforderungen der Dekarbonisierung erfordern eine konsequente Politik über 30-50 Jahre, während der Zeithorizont der Politiker vielleicht ein Zehntel davon beträgt. Auch tut sich die Politik schwer mit einem Problem, das umfangreiche öffentliche und private Finanzierung, hochgradig koordiniertes Handeln in vielen Teilen der Volkswirtschaft und das Treffen von Entscheidungen angesichts anhaltender technologischer Unsicherheiten erfordert. Es überrascht daher nicht, dass bisher die meisten Politiker vor diesen Herausforderungen zurückscheuen und dass seit Unterzeichnung des UN-Rahmenabkommens zum Klimawandel 1992 viel zu wenig praktische Fortschritte erzielt wurden.

Ein zentraler Schritt besteht meiner Ansicht nach darin, diese Probleme aus der kurzfristigen Wahlkampfpolitik herauszunehmen. Die einzelnen Länder sollten die Einrichtung unabhängiger Energieagenturen mit hoher technologischer Kompetenz in Betracht ziehen. Natürlich werden wichtige energiepolitische Entscheidungen (etwa, ob man Kernkraft einsetzen oder ein neues Stromnetz errichten sollte) eine tiefgreifende politische Beteiligung erfordern, doch Planung und Umsetzung sollten ohne überzogene Parteipolitik und Lobbyismus stattfinden. Genau wie die Regierungen ihren Notenbanken erfolgreich eine gewissen Unabhängigkeit zugestanden haben, sollten sie ihren Energieagenturen ausreichend Freiraum geben, um sie in die Lage zu versetzen, langfristig zu denken und zu handeln.

Bei der nächsten globalen Klimakonferenz (der COP22 in Marrakesch im November) werden die Regierung von Marokko und mein Team vom UN Sustainable Development Solutions Network gemeinsam mit anderen Partnern eine „Konferenz für emissionsarme Lösungen“ ausrichten. Diese Konferenz wird Energieexperten aus den UN-Mitgliedsstaaten, Unternehmen und Städte zusammenbringen, um gemeinsam an hochgradig praxisorientierten Ansätzen zu einer tiefgreifenden Dekarbonisierung zu arbeiten. Nun, da das Pariser Klimaabkommen in Kraft ist, müssen wir uns dringend in Richtung seiner wirksamen Umsetzung bewegen.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

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