CAMBRIDGE – Die Gespräche in Peking zwischen US-Präsident Barack Obama und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping - den Staatschefs der beiden weltweit größten Kohlenstoffemittenten – führten unerwartet zu einem bahnbrechenden bilateralen Abkommen über Treibhausgasemissionen. Gemäß der neuen Vereinbarung werden die USA ihre Emissionen, ausgehend vom Niveau des Jahres 2005, innerhalb der nächsten 20 Jahre um 26 bis 28 Prozent senken. Chinas Emissionen sollen im Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben. In Ermangelung eines verbindlichen weltweiten Abkommens sind derartige unilaterale oder bilaterale Zusagen der Länder, ihren Beitrag zur globalen Erwärmung in Grenzen zu halten, die realistischste Hoffnung, dem Klimawandel beizukommen.
Mit der Einführung rechtsverbindlicher Emissionsgrenzwerte markierte das Kyoto-Protokoll einen bedeutenden Schritt im Rahmen der Bemühungen, die verheerendsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Allerdings fehlten dementsprechende Zusagen großer Entwicklungsländer wie China und Indien und hauptsächlich aus diesem Grund haben die Vereinigten Staaten das Protokoll auch nie ratifiziert.
Ein loses System von Einzelzusagen, im Rahmen dessen jedes Land unilateral Emissionsziele festsetzt, könnte dazu beitragen, Vertrauen und Dynamik für ein inklusiveres Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls zu schaffen. Man hofft, ein derartiges Nachfolgeabkommen bei der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris zu erarbeiten. Wenn ein solches System allerdings funktionieren soll, müsste allgemeiner Konsens über gerechte Emissionsziele für die jeweiligen Länder herrschen. Dann könnten Interessengruppen und Wissenschaftler Wertungslisten erstellen, die zeigen, welche Länder die Normen erfüllen – und welche dies beschämenderweise nicht tun.
Auf den ersten Blick scheint keine Einigkeit darüber zu herrschen, wie faire Emissionssenkungen aussehen könnten. Indien verweist darauf, dass ein durchschnittlicher Amerikaner zehn Mal so viele Emissionen produziert wie ein durchschnittlicher Inder. Man argumentiert, dass Emissionsrechte deshalb auf Grundlage der Bevölkerungszahl zugeteilt werden sollten. Die Vereinigten Staaten beharren darauf, dass es ungerecht wäre, ihren Unternehmen die Last aufzubürden, wenn energieintensive Branchen einfach in Entwicklungsländer abwandern könnten, wo Emissionen noch nicht beschränkt sind. Beide Seiten haben nicht ganz unrecht.
Eine Studie zu Emissionszielen, auf die sich die Länder – in Kyoto und auf der UN-Klimakonferenz 2010 in Cancún – bereits geeinigt haben, ermöglicht uns glücklicherweise die Beschreibung und sogar Quantifizierung dessen, was in der Vergangenheit als gerecht und sinnvoll erachtet wurde. Implizit tendieren Emissionsziele einer Formel zu folgen, mit der drei wichtige Prinzipien quantifiziert werden: alle Länder müssen ihre Emissionen drosseln, aber reiche Länder sollten größere Einschnitte akzeptieren als arme Länder; Staaten, in denen die Emissionen in jüngster Zeit rapide anstiegen, sollte etwas Zeit eingeräumt werden, diesen Anstieg wieder rückgängig zu machen; und kein Land oder keine Ländergruppe sollte unter unverhältnismäßig hohen ökonomischen Kosten zu leiden haben.
Im Kyoto-Protokoll kam jeder Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens um 10 Prozent einer vereinbarten Emissionssenkung von 1,4 Prozent gleich. Im Rahmen der Übereinkunft von Cancún entsprach jeder Einkommensanstieg um 10 % einer Emissionskürzung von 1,6 Prozent. Wird dieses Muster über das verbleibende Jahrhundert beibehalten – wobei sich der Schwerpunkt schrittweise von Werten der Vergangenheit in Richtung Pro-Kopf-Ziele verschiebt – prognostizieren die ökonomischen Modelle, dass kein Land einen Verlust von mehr als 1 Prozent des GDP als abgezinsten Wert erleiden würde (unter der Annahme, dass Marktmechanismen wie der internationale Handel gestattet sind).
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Es besteht natürlich ein grundlegender Unterschied zwischen der Frage, wie man die wirtschaftliche Last einer bestimmten globalen Emissionsstrategie aufteilt und der Frage, wie ökologisch ambitioniert die allgemeinen Bemühungen zur Eindämmung Klimawandels sein sollen. Doch im Hinblick auf das Voranschreiten der Verhandlungen hilft dieser Ansatz bei der Einschätzung, ob die Last der Eindämmung der schädlichen Auswirkungen des Klimawandels gerecht verteilt ist. Überdies nützt er auch bei der Beurteilung, ob die einzelnen Länder im Vorfeld der im nächsten Monat in Peru stattfindenden UN-Klimakonferenz 2014 ihren Beitrag leisten.
In der Graphik zu diesem Artikel wird das Pro-Kopf-Einkommen der Länder mit jenen Emissionssenkungen verglichen, die die Länder bis 2020 zugesichert haben. Die Emissionskürzung jedes Landes wird im Verhältnis zu einem bestimmten Ausgangswert ermittelt, der dem Durchschnittswert zwischen dem tatsächlichen Emissionsniveau im Jahr 2005 und den im Jahr 2020 zu erwartenden Emissionen ohne internationale Maßnahmen entspricht.
Der Anstieg der Geraden stimmt in bemerkenswerter Weise mit den Daten aus dem Kyoto-Protokoll und der Vereinbarung von Cancún überein, woraus abzuleiten ist, dass der Eindruck dessen, was als fair betrachtet wird, über die Zeit stabil geblieben ist. Im Schnitt entspricht jeder Einkommensanstieg von 10 Prozent einer Emissionssenkung von 1,4 Prozent. Die Tatsache, dass die Länder nahe an der Geraden gruppiert sind, ist ein Hinweis, dass die Beziehung statistisch signifikant ist.
Die Graphik fördert noch weitere interessante Erkenntnisse zutage. So sind beispielsweise Indiens Emissionsziele zwar bescheiden, aber angesichts des niedrigen Einkommens der Bewohner durchaus angemessen. Norwegen weist die umfangreichsten Einschnitte bei den Emissionen auf. Teilweise ist das durch sein hohes Einkommen zu erklären, aber es wird dort auch mehr als nur der erforderliche Beitrag geleistet. Singapur, die Türkei und Moldau präsentieren sich in dieser Hinsicht als offensichtliche Drückeberger.
Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass es uns diese Graphik ermöglicht, die von China und den USA – den beiden prominentesten Verweigerern des Kyoto-Protokolls – erklärten Ziele zu evaluieren. Wie die Zahlen belegen, befinden sich diese Ziele ungefähr im Einklang mit deren in der Vergangenheit als gerecht erachteten Beitrag, obwohl sich beide etwas ambitionierter zeigen könnten.
Nun, da sich andere Länder China, den USA und der Europäischen Union anschließen, um ihre Klimaziele für 2030 und darüber hinaus zu definieren, kann dieser statistische Gradmesser der Fairness als wirksames Instrument bei der Festlegung dienen, wie hoch der angemessene Anteil der Last ist, den jedes Land übernehmen kann.
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CAMBRIDGE – Die Gespräche in Peking zwischen US-Präsident Barack Obama und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping - den Staatschefs der beiden weltweit größten Kohlenstoffemittenten – führten unerwartet zu einem bahnbrechenden bilateralen Abkommen über Treibhausgasemissionen. Gemäß der neuen Vereinbarung werden die USA ihre Emissionen, ausgehend vom Niveau des Jahres 2005, innerhalb der nächsten 20 Jahre um 26 bis 28 Prozent senken. Chinas Emissionen sollen im Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben. In Ermangelung eines verbindlichen weltweiten Abkommens sind derartige unilaterale oder bilaterale Zusagen der Länder, ihren Beitrag zur globalen Erwärmung in Grenzen zu halten, die realistischste Hoffnung, dem Klimawandel beizukommen.
Mit der Einführung rechtsverbindlicher Emissionsgrenzwerte markierte das Kyoto-Protokoll einen bedeutenden Schritt im Rahmen der Bemühungen, die verheerendsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Allerdings fehlten dementsprechende Zusagen großer Entwicklungsländer wie China und Indien und hauptsächlich aus diesem Grund haben die Vereinigten Staaten das Protokoll auch nie ratifiziert.
Ein loses System von Einzelzusagen, im Rahmen dessen jedes Land unilateral Emissionsziele festsetzt, könnte dazu beitragen, Vertrauen und Dynamik für ein inklusiveres Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls zu schaffen. Man hofft, ein derartiges Nachfolgeabkommen bei der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris zu erarbeiten. Wenn ein solches System allerdings funktionieren soll, müsste allgemeiner Konsens über gerechte Emissionsziele für die jeweiligen Länder herrschen. Dann könnten Interessengruppen und Wissenschaftler Wertungslisten erstellen, die zeigen, welche Länder die Normen erfüllen – und welche dies beschämenderweise nicht tun.
Auf den ersten Blick scheint keine Einigkeit darüber zu herrschen, wie faire Emissionssenkungen aussehen könnten. Indien verweist darauf, dass ein durchschnittlicher Amerikaner zehn Mal so viele Emissionen produziert wie ein durchschnittlicher Inder. Man argumentiert, dass Emissionsrechte deshalb auf Grundlage der Bevölkerungszahl zugeteilt werden sollten. Die Vereinigten Staaten beharren darauf, dass es ungerecht wäre, ihren Unternehmen die Last aufzubürden, wenn energieintensive Branchen einfach in Entwicklungsländer abwandern könnten, wo Emissionen noch nicht beschränkt sind. Beide Seiten haben nicht ganz unrecht.
Eine Studie zu Emissionszielen, auf die sich die Länder – in Kyoto und auf der UN-Klimakonferenz 2010 in Cancún – bereits geeinigt haben, ermöglicht uns glücklicherweise die Beschreibung und sogar Quantifizierung dessen, was in der Vergangenheit als gerecht und sinnvoll erachtet wurde. Implizit tendieren Emissionsziele einer Formel zu folgen, mit der drei wichtige Prinzipien quantifiziert werden: alle Länder müssen ihre Emissionen drosseln, aber reiche Länder sollten größere Einschnitte akzeptieren als arme Länder; Staaten, in denen die Emissionen in jüngster Zeit rapide anstiegen, sollte etwas Zeit eingeräumt werden, diesen Anstieg wieder rückgängig zu machen; und kein Land oder keine Ländergruppe sollte unter unverhältnismäßig hohen ökonomischen Kosten zu leiden haben.
Im Kyoto-Protokoll kam jeder Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens um 10 Prozent einer vereinbarten Emissionssenkung von 1,4 Prozent gleich. Im Rahmen der Übereinkunft von Cancún entsprach jeder Einkommensanstieg um 10 % einer Emissionskürzung von 1,6 Prozent. Wird dieses Muster über das verbleibende Jahrhundert beibehalten – wobei sich der Schwerpunkt schrittweise von Werten der Vergangenheit in Richtung Pro-Kopf-Ziele verschiebt – prognostizieren die ökonomischen Modelle, dass kein Land einen Verlust von mehr als 1 Prozent des GDP als abgezinsten Wert erleiden würde (unter der Annahme, dass Marktmechanismen wie der internationale Handel gestattet sind).
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In der Graphik zu diesem Artikel wird das Pro-Kopf-Einkommen der Länder mit jenen Emissionssenkungen verglichen, die die Länder bis 2020 zugesichert haben. Die Emissionskürzung jedes Landes wird im Verhältnis zu einem bestimmten Ausgangswert ermittelt, der dem Durchschnittswert zwischen dem tatsächlichen Emissionsniveau im Jahr 2005 und den im Jahr 2020 zu erwartenden Emissionen ohne internationale Maßnahmen entspricht.
Der Anstieg der Geraden stimmt in bemerkenswerter Weise mit den Daten aus dem Kyoto-Protokoll und der Vereinbarung von Cancún überein, woraus abzuleiten ist, dass der Eindruck dessen, was als fair betrachtet wird, über die Zeit stabil geblieben ist. Im Schnitt entspricht jeder Einkommensanstieg von 10 Prozent einer Emissionssenkung von 1,4 Prozent. Die Tatsache, dass die Länder nahe an der Geraden gruppiert sind, ist ein Hinweis, dass die Beziehung statistisch signifikant ist.
Die Graphik fördert noch weitere interessante Erkenntnisse zutage. So sind beispielsweise Indiens Emissionsziele zwar bescheiden, aber angesichts des niedrigen Einkommens der Bewohner durchaus angemessen. Norwegen weist die umfangreichsten Einschnitte bei den Emissionen auf. Teilweise ist das durch sein hohes Einkommen zu erklären, aber es wird dort auch mehr als nur der erforderliche Beitrag geleistet. Singapur, die Türkei und Moldau präsentieren sich in dieser Hinsicht als offensichtliche Drückeberger.
Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass es uns diese Graphik ermöglicht, die von China und den USA – den beiden prominentesten Verweigerern des Kyoto-Protokolls – erklärten Ziele zu evaluieren. Wie die Zahlen belegen, befinden sich diese Ziele ungefähr im Einklang mit deren in der Vergangenheit als gerecht erachteten Beitrag, obwohl sich beide etwas ambitionierter zeigen könnten.
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Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier