Armut und erneuerbare Energien

MIAMI – Laut UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon „schadet der Klimawandel in erster Linie und am stärksten den Armen.“ Das stimmt, denn die Armen sind am verwundbarsten und verfügen über die wenigsten Ressourcen, um sich anzupassen. Allerdings vergessen wir oft, dass sich Energie aufgrund der momentan angewandten Strategien gegen die globale Erwärmung stark verteuert und das schadet den Armen dieser Welt noch viel mehr.

Im Jahr 2012 wurden Solar- und Windenergie mit 60 Milliarden Dollar subventioniert. Das bedeutet, die Welt bezahlte 60 Milliarden Dollar mehr für Energie als nötig. Und weil der gesamte Klimanutzen magere 1,4 Milliarden Dollar betrug, wurden mit den Förderungen im Wesentlichen 58,6 Milliarden Dollar verschwendet. Weitere 19 Milliarden Dollar flossen in die Förderung von Biokraftstoffen, woraus sich im Grunde auch kein Nutzen für das Klima ergibt. Dieses ganze Geld hätte man verwenden können, um die Gesundheitswesen zu verbessern, mehr Lehrer einzustellen, bessere Straßen zu bauen oder die Steuern zu senken.

Indem man alle zwingt, kostspieliger zu kaufen, treiben weniger zuverlässige Energieträger die Kosten in der gesamten Wirtschaft nach oben, wodurch weniger Geld für andere öffentliche Güter zur Verfügung steht. Makroökonomische Modelle zeigen, dass sich die Gesamtkosten der EU-Klimapolitik von 2020 bis zum Ende des Jahrhunderts im Schnitt jährlich auf 209 Milliarden Euro belaufen werden.

Die Last dieser Politik haben überwiegend die Armen dieser Welt zu tragen, denn die Reichen können für ihre Energie leicht mehr bezahlen. Ich bin oft bestürzt über wohlmeinende und wirtschaftlich in komfortablen Verhältnissen lebende Ökonomen, die nonchalant empfehlen den Benzinpreis zu verdoppeln oder Strom nur mehr  aus kostspieligen grünen Quellen zu beziehen.  Das mag vielleicht im wohlhabenden Hunterdon County in New Jersey funktionieren, wo die Bewohner Berichten zufolge lediglich 2 Prozent ihres Einkommens für Benzin ausgeben. Doch die ärmsten 30 Prozent der US-Bevölkerung geben beinahe 17 Prozent ihres Nettoeinkommens für Kraftstoff aus.

In ähnlicher Weise rühmen Umweltschützer, dass Haushalte in Großbritannien ihren Stromverbrauch seit 2005 um beinahe 10 Prozent gesenkt haben. Nicht erwähnt wird allerdings, dass dies Ausdruck eines Anstiegs der Strompreise um 50 Prozent ist, der hauptsächlich dazu dient, den Anstieg des Anteils erneuerbarer Energien von 1,8 auf 4,6 Prozent zu finanzieren.  

Wenig überraschend haben die Armen ihren Verbrauch um über 10 Prozent gesenkt, während die Reichen ihren Verbrauch überhaupt nicht einschränkten. In den letzten fünf Jahren wurde die Beheizung einer Wohnung in Großbritannien um 63 Prozent teurer, während die Reallöhne sanken. Etwa 17 Prozent der Haushalte gelten mittlerweile als energiearm – das heißt, sie müssen mehr als 10 Prozent ihres Einkommens für Energie ausgeben. Und weil ältere Menschen typischerweise ärmer sind, gilt etwa ein Viertel dieser Haushalte als energiearm. Da Bücher billiger sind als Kohle, verbrennen sozial benachteiligte Rentner alte Bücher, um ihre Wohnung warm zu halten, sie fahren den ganzen Tag in beheizten Bussen durch die Gegend und ein Drittel der Rentner beheizt Teile seiner Wohnungen gar nicht mehr.

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In Deutschland, wo grüne Förderungen heuer mit 23,6 Milliarden Euro zu Buche schlagen werden, sind die Strompreise für Haushalte seit dem Jahr 2000 um 80 Prozent gestiegen, wodurch mittlerweile 6,9 Millionen Haushalte in Energiearmut leben. Wohlhabende Eigenheimbesitzer in Bayern können sich über ihre ineffizienten Sonnenkollektoren freuen, für die sie großzügige Subventionen kassieren, die vor allem von armen Bewohnern des Ruhrgebiets finanziert werden, die sich keine eigenen Sonnenkollektoren leisten können, aber trotzdem höhere Strompreise zahlen müssen.

Diese Aufzählung kann fortgesetzt werden. In Griechenland, wo Steuererhöhungen auf Öl die Heizkosten um 48 Prozent in die Höhe trieben, fällen immer mehr Bewohner Athens  Bäume im Park, wodurch sich die Luftverschmutzung aufgrund der Verbrennung von Holz verdreifachte.  

In den Entwicklungsländern verursachen diese klimapolitischen Strategien noch höhere Kosten. Dort fehlt es drei Milliarden Menschen an Zugang zu billiger, reichlich vorhandener Energie, wodurch die Armut festgeschrieben wird. Die Menschen dort kochen und heizen, indem sie Zweige und Dung verbrennen. Dadurch verpesten sie die Luft in den Innenräumen, was  jedes Jahr 3,5 Millionen Menschen das Leben kostet – bei weitem das größte Umweltproblem weltweit.

Zugang zu Elektrizität könnte dieses Problem lösen und es den Menschen gleichzeitig ermöglichen, am Abend zu lesen, im eigenen Kühlschrank Lebensmittel vor dem Verderben zu bewahren oder einen Computer zu nutzen, um sich mit der Welt zu verbinden. Außerdem würde man damit auch Firmen  größere Wettbewerbsfähigkeit sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und höheres Wirtschaftswachstum ermöglichen.

Man denke an Pakistan oder Südafrika, wo der Mangel an Kapazitäten zur Energieerzeugung zu wiederkehrenden Stromausfällen führt, die in Unternehmen verheerenden Schaden anrichten und Arbeitsplätze vernichten. Doch die Finanzierung neuer Kohlekraftwerke wurde in beiden Ländern von wohlmeinenden Vertretern des Westens und Regierungen auf breiter Front abgelehnt. Stattdessen schlagen sie erneuerbare Energien als Lösung vor.  

Doch das ist scheinheilig. Die reiche Welt gewinnt lediglich 1,2 Prozent ihres Energiebedarfs aus enorm kostspieligen Solar- und Windenergietechnologien und wir würden es niemals hinnehmen, nur dann mit Strom versorgt zu werden, wenn der Wind bläst. In den nächsten zwei Jahren wird Deutschland zehn neue Kohlekraftwerke errichten, damit die Lichter nicht ausgehen.

Im Jahr 1971 kam 40 Prozent der Energie Chinas aus erneuerbaren Energiequellen. Seit damals hat das Land sein explosionsartiges Wirtschaftswachstum fast ausschließlich mit äußerst umweltschädlicher Kohle vorangetrieben und  680 Millionen Menschen aus der Armut befreit.   Heute bezieht China unbedeutende 0,23 Prozent seiner Energie aus Wind- und Sonnentechnologie. Im Gegensatz dazu kommen in Afrika 50 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen – und Afrika ist immer noch arm.

Eine neue Untersuchung des Center for Global Development fasst unsere Missachtung der Armen dieser Welt in Zahlen. Durch Investitionen in erneuerbare Energien kann um 500 Dollar eine Person aus der Armut befreit werden. Doch mit der Verstromung von Erdgas könnten wir für den gleichen Betrag mehr als vier Menschen ermöglichen, die Armut hinter sich zu lassen. Indem wir uns auf unsere Klima-Sorgen konzentrieren, entscheiden wir uns bewusst dafür, mehr als drei Viertel der Menschen weiterhin in Dunkelheit und Armut leben zu lassen.

Die Lösung des Problems der globalen Erwärmung erfordert  effektiv langfristige Innovationen, die grüne Energien für alle erschwinglich machen. Bis dahin enorme Summen zu Lasten der Armen dieser Welt zu verschwenden, ist überhaupt keine Lösung.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/wNC5cQgde