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Amerikas Soft Power im Zeitalter Trumps

CAMBRIDGE – Die Administration unter US-Präsident Donald Trump zeigt wenig Interesse an öffentlicher Diplomatie. Und doch ist öffentliche Diplomatie – die Bemühungen einer Regierung direkt mit der Öffentlichkeit eines anderen Landes zu kommunizieren – eines der wichtigsten Instrumente für politische Entscheidungsträger, um Soft Power zu erzeugen. Aufgrund der derzeit stattfindenden Informationsrevolution sind derartige Instrumente von größerer Bedeutung als jemals zuvor.

Aus Meinungsumfragen und dem Portland Soft-Power-30-Index geht hervor, dass Amerikas Soft Power seit der Amtsübernahme Trumps rückgängig ist. Tweets können zwar dazu beitragen, die globale Agenda festzulegen, aber sie generieren keine Soft Power, wenn sie für andere nicht ansprechend sind.

Trumps Verteidiger halten dem entgegen, dass Soft Power – also was in den Köpfen anderer vor sich geht  –  irrelevant sei; wirklich zählen würde nur die Hard Power mit ihren militärischen und wirtschaftlichen Instrumenten. Im März 2017 verkündete Trumps Haushaltsdirektor Mick Mulvaney einen „Hard-Power-Haushalt” im Rahmen dessen die Mittel für das Außenministerium und für die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit um beinahe 30 Prozent hätten gekürzt werden sollen.  

Glücklicherweise sind die Führungspersonen aus dem Militär anderer Meinung. Im Jahr 2013 warnte General James Mattis (später Trumps erster Verteidigungsminister) den Kongress: „Wenn Sie das Außenministerium nicht in vollem Umfang finanzieren, werde ich letztlich mehr Munition kaufen müssen.“ Wie Henry Kissinger einmal betonte, hängt die internationale Ordnung nicht nur vom Gleichgewicht der Hard Power ab, sondern auch von wahrgenommener Legitimität, die wiederum in entscheidendem Maße von Soft Power abhängig ist.

Informationsrevolutionen haben immer tiefgreifende sozioökonomische und politische Folgen – man denke an die dramatischen Auswirkungen der Druckerpresse Gutenbergs im Europa des 15. und 16. Jahrhunderts. Die aktuelle Informationsrevolution datiert aus den 1960er Jahren und dem damals formulierten „Mooreschem Gesetz”: die Zahl der Transistoren auf einem Computer-Chip verdoppelt sich etwa alle zwei Jahre. Infolgedessen ist die Rechnerleistung dramatisch angestiegen und die Kosten betrugen zu Beginn dieses Jahrhunderts 0,1 Prozent des Wertes in den frühen 1970er Jahren.

Im Jahr 1993 gab es auf der ganzen Welt etwa 50 Webseiten; im Jahr 2000 überstieg dieser Wert die Marke von 5 Millionen. Heute sind über vier Milliarden Menschen online, wobei diese Zahl bis 2020 auf 5-6 Milliarden Menschen steigen soll. Durch das „Internet der Dinge“ werden noch Dutzende Milliarden an Geräten hinzukommen. Die Zahl der Facebook-Nutzer ist höher als die Einwohnerzahl Chinas und der USA zusammen. 

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In einer derartigen Welt erlangt die Anziehungs- und Überzeugungskraft immer größere Bedeutung. Doch die Zeiten, da öffentliche Diplomatie hauptsächlich über Rundfunk und Fernsehen stattfand, sind lange vorbei. Der technologische Fortschritt hat zu einem dramatischen Rückgang der Kosten für die Verarbeitung und Übermittlung von Informationen geführt. Das Ergebnis ist eine Informationsexplosion, die ein „Paradox des Überflusses“ hervorbrachte: ein Übermaß an Information führt zu einem Mangel an Aufmerksamkeit.

Nimmt das Informationsvolumen für die Menschen erdrückende Ausmaße an, wissen sie nicht mehr, worauf sie sich konzentrieren sollen. Die Algorithmen der sozialen Medien sind für den Kampf um die Aufmerksamkeit konzipiert. Reputation wird noch wichtiger als sie es in der Vergangenheit war und bei den von sozialen und ideologischen Affinitäten geprägten politischen Kämpfen geht es oftmals um die Schaffung und Zerstörung von Glaubwürdigkeit. Die sozialen Medien können Falschinformationen glaubwürdiger erscheinen lassen, wenn sie von „Freunden“ kommen. Wie der Bericht von US-Sonderermittler Robert Mueller über die russische Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf 2016 zeigt, konnte Russland so die sozialen Medien Amerikas als Waffe einsetzen.

Reputation hat in der Weltpolitik immer eine Rolle gespielt, aber Glaubwürdigkeit ist mittlerweile zu einer noch bedeutsameren Machtressource geworden. Informationen, die sich als Propaganda entpuppen, werden möglicherweise nicht nur verachtet, sondern könnten sich auch als kontraproduktiv erweisen, wenn sie die Reputation eines Landes hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit untergraben – und damit seine Soft Power reduzieren. Die wirksamste Propaganda besteht nicht in Propaganda, sondern in einem wechselseitigen Dialog zwischen Menschen.

Russland und China scheinen das nicht zu begreifen und in manchen Fällen bestehen auch die Vereinigten Staaten diese Prüfung nicht. Während des Irak-Krieges beispielsweise führte die Behandlung der Gefangenen in Abu Ghraib – nämlich in einer Weise, die nicht mit amerikanischen Werten in Einklang stand – zu Wahrnehmungen von Heuchelei, die auch mit Bildern von gut in Amerika lebenden Muslimen nicht mehr rückgängig gemacht werden konnten.  Heute untergraben präsidentielle „Tweets”, die sich als nachweislich falsch herausstellen die Glaubwürdigkeit Amerikas und reduzieren seine Soft Power. Die Wirksamkeit öffentlicher Diplomatie wird an der Veränderung der öffentlichen Meinung gemessen (wie sie in Interviews oder Meinungsumfragen zum Ausdruck kommt) und nicht an der Summe der ausgegebenen Dollars oder Anzahl der versendeten Nachrichten.  

Innen- oder Außenpolitik, die scheinheilig, arrogant oder den Ansichten anderer gegenüber gleichgültig erscheint oder auf einer engen Vorstellung von nationalem Interesse beruht, kann die Soft Power untergraben. So ist beispielsweise die Attraktivität der USA in Meinungsumfragen, die nach der Irak-Invasion des Jahres 2003 durchgeführt wurden, stark zurückgegangen. In den 1970er Jahren wandten sich viele Menschen auf der ganzen Welt gegen den Krieg der USA in Vietnam und die Unbeliebtheit dieser Politik spiegelte sich in Amerikas weltweitem Ansehen wider.

Skeptiker argumentieren, dass derartige Zyklen nur zeigen, dass es auf Soft Power nicht wirklich ankommt; Länder kooperieren aus Eigeninteresse. Doch dieses Argument lässt einen entscheidenden Punkt außer Acht: Kooperation ist eine Frage des Ausmaßes und dieses Ausmaß wird von Abneigung oder Anziehungskraft bestimmt.  

Glücklicherweise hängt die Soft Power eines Landes nicht nur von seiner offiziellen Politik ab, sondern auch von der Attraktivität seiner Zivilgesellschaft. Als die Demonstranten außerhalb der USA gegen den Vietnam-Krieg marschierten, haben sie oft „We Shall Overcome“ gesungen - die Hymne der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Angesichts der Erfahrungen in der Vergangenheit gibt es allen Grund zur Hoffnung, dass Amerika seine Soft Power nach Trump wiedererlangen wird, auch wenn höhere Investitionen in die öffentliche Diplomatie sicherlich hilfreich wären.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

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