CAMBRIDGE –Der Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre lag zum letzten Mal vor etwa drei Millionen Jahren so hoch wie heute – damals waren auch die Meeresspiegel 10 bis 30 Mal höher, als dies heute der Fall ist. Man hat sich lange Zeit bemüht, mit Klimamodellen diese enormen Schwankungen der Meeresspiegel nachzuvollziehen – bis jetzt. Tatsächlich gelang es nun erstmals mit einem hochwertigen Modell des antarktischen Eises und des Klimas, diese beträchtlichen Fluktuationen zu simulieren. Eine großartige wissenschaftliche Leistung, aber sie bringt auch niederschmetternde Neuigkeiten mit sich.
Das neue Modell zeigt, dass allein die Eisschmelze in der Antarktis bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu einem Anstieg der Meeresspiegel um bis zu einem Meter führen könnte – ein Wert, der deutlich über früheren Schätzungen liegt. Schlimmer noch: es gibt Hinweise, dass selbst eine immens erfolgreiche Emissionssenkung den Westantarktischen Eisschild nicht mehr retten würde, was letztlich einen Anstieg der Meeresspiegel von über fünf Metern zur Folge hätte. Schon ein Anstieg von einem Meter könnte ganze Städte von Miami bis Mumbai bedrohen und immense wirtschaftliche Schäden verursachen.
Wir müssen die Hitze abstellen – und zwar rasch. Überaus vielversprechend in dieser Hinsicht ist die Veränderung der Albedo – eine Art des Geo-Engineerings, mit der man den Planeten durch eine Steigerung der Rückstrahlkraft der Erdatmosphäre abkühlt.
Die Freisetzung von synthetischen, das Sonnenlicht reflektierenden Aerosolen in der Stratosphäre könnte beispielsweise helfen, der durch Treibhausgase verursachten Erwärmung entgegenzuwirken. Der Mechanismus funktioniert ähnlich wie das Tragen eines weißen T-Shirts im Sommer: Weiß reflektiert das Sonnenlicht und kühlt die darunter liegenden Schichten, während dunklere Farben das Sonnenlicht absorbieren und damit für eine Erwärmung sorgen.
Solares Geo-Engineering allein könnte freilich nicht einmal im allerbesten Fall für eine Stabilisierung des Weltklimas sorgen. Um das zu erreichen, müssen wir aufhören, Kohlendioxid in die Atmosphäre zu pumpen und auch lernen, das dort bereits vorhandene Kohlendioxid zu beseitigen. Aus diesem Grund sollte auch der Löwenanteil der für den Kampf gegen den Klimawandel bestimmten Ressourcen für die Senkung von Emissionen aufgewendet werden.
Aber wie diese jüngste Studie zeigt, können auch Emissionssenkungen alleine den Westantarktischen Eisschild nicht retten und einen drastischen Anstieg der Meeresspiegel verhindern. Doch in Kombination mit einer maßvollen Modifikation der Albedo besteht die Chance, den Temperaturanstieg zu bremsen und ihn somit unter 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu halten, wie durch das ehrgeizigere Ziel der Klimaverhandlungen in Paris vom letzten Dezember vorgegeben. (Anzumerken ist, dass angesichts von Rückkopplungen im Kohlenstoffkreislauf wie dem Auftauen der Permafrost-Böden, der Welt auch dann eine Erwärmung von 1,5 Grad ins Haus stehen würde, wenn es heute gelänge, sämtliche Emissionen zu eliminieren.)
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Die Veränderung der Albedo wurde mit zahlreichen der technisch ausgereiftesten Klimamodelle untersucht und allen Fällen wurde festgestellt, dass diese Methode den Klimawandel potenziell mildern kann. Neben einer Begrenzung der Gesamterwärmung kann sie den Anstieg der Spitzentemperaturen bremsen und damit die Gefahr zerstörerischer Hitzewellen eindämmen. Und sie scheint besonders wirksam, wenn es darum geht, extreme Niederschläge zu vermindern, was wiederum grundlegende Auswirkungen auf die Minimierung von Hochwasserschäden hat.
Teilweise aufgrund eines Mangels an organisierter wissenschaftlicher Forschung gestaltet sich die Veränderung der Albedo jedoch nach wie vor unsicher und riskant. Manches würde sich damit zweifellos auch verschlechtern. Allerdings geht aus keinem einzigen Klimamodell hervor, dass es irgendeiner Region aufgrund einer maßvollen Intervention insgesamt schlechter ergehen würde. Außerdem stehen den umfangreichen, in Billionen Dollar messbaren Vorteilen geringe direkte Kosten gegenüber – diese liegen bei vollständigem Einsatz der Technik im einstelligen Milliardenbereich. Tatsächlich ist die Veränderung des Albedo derart billig, dass direkte Kosten keine entscheidende Frage darstellen. Vielmehr handelt es sich um einen Zielkonflikt der Risiken – dessen Bewertung weitere Forschungen erfordert.
Angesichts mangelnder Forschungsergebnisse würde kein vernünftiger Mensch heute auf den Einsatz der Albedo-Veränderung drängen. Aber es hätte auch keinen Sinn, ihr Potenzial außer Acht zu lassen. Schließlich würde auch niemand argumentieren, dass wir die Erforschung eines vielversprechenden Krebsmedikaments aufgeben, weil seine Wirkung nicht bewiesen ist.
In einem Bericht aus dem Jahr 1983 lenkte die amerikanische National Academy of Sciences die Aufmerksamkeit erstmals auf die von ihr so bezeichnete „Klimamodifikation“. Man empfahl 1992 sowie erneut im Jahr 2015 weitere gewissenhafte Forschungen. Bedeutende Umweltorganisationen wie der Environmental Defense Fund und das Natural Resources Defense Council unterstützen eine sorgfältige wissenschaftliche Forschung in kleinerem Maßstab. Aber ein umfangreiches Programm besteht nicht.
Ein Grund dafür sind Bedenken, dass man damit möglicherweise Ressourcen von anderen Projekten abziehen könnte. Und natürlich bestehen Zielkonflikte. Allerdings verfügen beispielsweise die USA über ein jährliches Klimaforschungsbudget von ungefähr 3 Milliarden Dollar. Ein Programm zur Erforschung des solaren Geo-Engineering, das sich pro Jahr mit ein paar Dutzend Millionen Dollar zu Buche schlägt, ist also durchaus machbar.
Ein größeres Fortschrittshindernis sind Befürchtungen, wonach aufgrund vermehrter Aufmerksamkeit für Lösungen im Bereich Geo-Engineering die Motivation zur Senkung von Emissionen nachlassen könnte. Das ist schon möglich, aber es wäre völlig verrückt, nur deshalb mit dem Rauchen zu beginnen, weil eine Krebsbehandlung im Versuchsstadium erste Erfolge bei Laborratten zeigt. Und es ist in der Tat denkbar, dass konzertierte Bemühungen zur Förderung der Forschung im Bereich Albedo-Veränderung auch zur Entwicklung von Maßnahmen im Bereich Emissionssenkung führen, ebenso wie ein Blick auf die Nebenwirkungen einer Chemotherapie manche dazu veranlasst, das Rauchen aufzugeben.
Ungeachtet dessen, wie man sich entscheidet, ist der moralische Imperativ zur Erforschung einer Technologie, die die ärmsten und am stärksten gefährdeten Menschen in diesem Jahrhundert zu schützen vermag wohl stärker als unscharfe Bedenken, dass man damit Anreize für Lösungen schwächen könnte, von denen hauptsächlich künftige Generationen profitieren würden.
China hat ein begrenztes Programm zur Erforschung der Albedo-Veränderung ins Leben gerufen. Die USA nicht. Das ist ein gravierendes Versäumnis angesichts der Tatsache, dass die Veränderung des Albedo eine Technologie darstellt, die offene, transparente und internationale Forschungsbemühungen erfordert – also genau die Art von Anstrengungen, worin sich die USA auszeichnen.
Die US-Regierung sollte nun die Führungsrolle in der Erforschung der Albedo-Veränderung übernehmen. Selbst wenn dabei herauskommt, dass diese Veränderung des Albedo nicht funktioniert, wäre die Dividende derartiger Forschungen enorm, weil damit zusätzlicher Druck zur Senkung der Emissionen entsteht. Und sollten die Forschungsbemühungen erfolgreich sein, wären die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Renditen beträchtlich.
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CAMBRIDGE –Der Kohlendioxidgehalt der Erdatmosphäre lag zum letzten Mal vor etwa drei Millionen Jahren so hoch wie heute – damals waren auch die Meeresspiegel 10 bis 30 Mal höher, als dies heute der Fall ist. Man hat sich lange Zeit bemüht, mit Klimamodellen diese enormen Schwankungen der Meeresspiegel nachzuvollziehen – bis jetzt. Tatsächlich gelang es nun erstmals mit einem hochwertigen Modell des antarktischen Eises und des Klimas, diese beträchtlichen Fluktuationen zu simulieren. Eine großartige wissenschaftliche Leistung, aber sie bringt auch niederschmetternde Neuigkeiten mit sich.
Das neue Modell zeigt, dass allein die Eisschmelze in der Antarktis bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu einem Anstieg der Meeresspiegel um bis zu einem Meter führen könnte – ein Wert, der deutlich über früheren Schätzungen liegt. Schlimmer noch: es gibt Hinweise, dass selbst eine immens erfolgreiche Emissionssenkung den Westantarktischen Eisschild nicht mehr retten würde, was letztlich einen Anstieg der Meeresspiegel von über fünf Metern zur Folge hätte. Schon ein Anstieg von einem Meter könnte ganze Städte von Miami bis Mumbai bedrohen und immense wirtschaftliche Schäden verursachen.
Wir müssen die Hitze abstellen – und zwar rasch. Überaus vielversprechend in dieser Hinsicht ist die Veränderung der Albedo – eine Art des Geo-Engineerings, mit der man den Planeten durch eine Steigerung der Rückstrahlkraft der Erdatmosphäre abkühlt.
Die Freisetzung von synthetischen, das Sonnenlicht reflektierenden Aerosolen in der Stratosphäre könnte beispielsweise helfen, der durch Treibhausgase verursachten Erwärmung entgegenzuwirken. Der Mechanismus funktioniert ähnlich wie das Tragen eines weißen T-Shirts im Sommer: Weiß reflektiert das Sonnenlicht und kühlt die darunter liegenden Schichten, während dunklere Farben das Sonnenlicht absorbieren und damit für eine Erwärmung sorgen.
Solares Geo-Engineering allein könnte freilich nicht einmal im allerbesten Fall für eine Stabilisierung des Weltklimas sorgen. Um das zu erreichen, müssen wir aufhören, Kohlendioxid in die Atmosphäre zu pumpen und auch lernen, das dort bereits vorhandene Kohlendioxid zu beseitigen. Aus diesem Grund sollte auch der Löwenanteil der für den Kampf gegen den Klimawandel bestimmten Ressourcen für die Senkung von Emissionen aufgewendet werden.
Aber wie diese jüngste Studie zeigt, können auch Emissionssenkungen alleine den Westantarktischen Eisschild nicht retten und einen drastischen Anstieg der Meeresspiegel verhindern. Doch in Kombination mit einer maßvollen Modifikation der Albedo besteht die Chance, den Temperaturanstieg zu bremsen und ihn somit unter 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau zu halten, wie durch das ehrgeizigere Ziel der Klimaverhandlungen in Paris vom letzten Dezember vorgegeben. (Anzumerken ist, dass angesichts von Rückkopplungen im Kohlenstoffkreislauf wie dem Auftauen der Permafrost-Böden, der Welt auch dann eine Erwärmung von 1,5 Grad ins Haus stehen würde, wenn es heute gelänge, sämtliche Emissionen zu eliminieren.)
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Teilweise aufgrund eines Mangels an organisierter wissenschaftlicher Forschung gestaltet sich die Veränderung der Albedo jedoch nach wie vor unsicher und riskant. Manches würde sich damit zweifellos auch verschlechtern. Allerdings geht aus keinem einzigen Klimamodell hervor, dass es irgendeiner Region aufgrund einer maßvollen Intervention insgesamt schlechter ergehen würde. Außerdem stehen den umfangreichen, in Billionen Dollar messbaren Vorteilen geringe direkte Kosten gegenüber – diese liegen bei vollständigem Einsatz der Technik im einstelligen Milliardenbereich. Tatsächlich ist die Veränderung des Albedo derart billig, dass direkte Kosten keine entscheidende Frage darstellen. Vielmehr handelt es sich um einen Zielkonflikt der Risiken – dessen Bewertung weitere Forschungen erfordert.
Angesichts mangelnder Forschungsergebnisse würde kein vernünftiger Mensch heute auf den Einsatz der Albedo-Veränderung drängen. Aber es hätte auch keinen Sinn, ihr Potenzial außer Acht zu lassen. Schließlich würde auch niemand argumentieren, dass wir die Erforschung eines vielversprechenden Krebsmedikaments aufgeben, weil seine Wirkung nicht bewiesen ist.
In einem Bericht aus dem Jahr 1983 lenkte die amerikanische National Academy of Sciences die Aufmerksamkeit erstmals auf die von ihr so bezeichnete „Klimamodifikation“. Man empfahl 1992 sowie erneut im Jahr 2015 weitere gewissenhafte Forschungen. Bedeutende Umweltorganisationen wie der Environmental Defense Fund und das Natural Resources Defense Council unterstützen eine sorgfältige wissenschaftliche Forschung in kleinerem Maßstab. Aber ein umfangreiches Programm besteht nicht.
Ein Grund dafür sind Bedenken, dass man damit möglicherweise Ressourcen von anderen Projekten abziehen könnte. Und natürlich bestehen Zielkonflikte. Allerdings verfügen beispielsweise die USA über ein jährliches Klimaforschungsbudget von ungefähr 3 Milliarden Dollar. Ein Programm zur Erforschung des solaren Geo-Engineering, das sich pro Jahr mit ein paar Dutzend Millionen Dollar zu Buche schlägt, ist also durchaus machbar.
Ein größeres Fortschrittshindernis sind Befürchtungen, wonach aufgrund vermehrter Aufmerksamkeit für Lösungen im Bereich Geo-Engineering die Motivation zur Senkung von Emissionen nachlassen könnte. Das ist schon möglich, aber es wäre völlig verrückt, nur deshalb mit dem Rauchen zu beginnen, weil eine Krebsbehandlung im Versuchsstadium erste Erfolge bei Laborratten zeigt. Und es ist in der Tat denkbar, dass konzertierte Bemühungen zur Förderung der Forschung im Bereich Albedo-Veränderung auch zur Entwicklung von Maßnahmen im Bereich Emissionssenkung führen, ebenso wie ein Blick auf die Nebenwirkungen einer Chemotherapie manche dazu veranlasst, das Rauchen aufzugeben.
Ungeachtet dessen, wie man sich entscheidet, ist der moralische Imperativ zur Erforschung einer Technologie, die die ärmsten und am stärksten gefährdeten Menschen in diesem Jahrhundert zu schützen vermag wohl stärker als unscharfe Bedenken, dass man damit Anreize für Lösungen schwächen könnte, von denen hauptsächlich künftige Generationen profitieren würden.
China hat ein begrenztes Programm zur Erforschung der Albedo-Veränderung ins Leben gerufen. Die USA nicht. Das ist ein gravierendes Versäumnis angesichts der Tatsache, dass die Veränderung des Albedo eine Technologie darstellt, die offene, transparente und internationale Forschungsbemühungen erfordert – also genau die Art von Anstrengungen, worin sich die USA auszeichnen.
Die US-Regierung sollte nun die Führungsrolle in der Erforschung der Albedo-Veränderung übernehmen. Selbst wenn dabei herauskommt, dass diese Veränderung des Albedo nicht funktioniert, wäre die Dividende derartiger Forschungen enorm, weil damit zusätzlicher Druck zur Senkung der Emissionen entsteht. Und sollten die Forschungsbemühungen erfolgreich sein, wären die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Renditen beträchtlich.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier