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Verheißungen und Risiken der Wassermärkte

SINGAPUR: Die Global Commission on the Economics of Water hat in einem wegweisenden Bericht kürzlich die Wassermärkte als eine grundlegende Lösung für die sich verschärfende klimabedingte Wasserkrise in der Welt bezeichnet. Die Logik ist einfach: Ist etwas knapp, wird es wertvoller. Durch angemessene Bepreisung des Wassers und Schaffung von Märkten für seine bedarfsgerechte Zuteilung könnten wir eine effizientere Nutzung fördern und Anreize zum Wassersparen schaffen. Doch während das Konzept der Wassermärkte vielversprechend erscheint, zeigen Erfahrungen aus Chile, Australien, den USA und anderen Ländern, dass sich die Umsetzung als schwierig erweisen kann.

Wassermärkte werden für ihre Fähigkeit gepriesen, Wasser effizienter zuzuteilen. Wenn Menschen oder Organisationen mit Wasserrechten handeln dürfen, fließe das Wasser an diejenigen, die es am stärksten wertschätzen. In Chile, einem der ersten Länder, die einen nationalen Wassermarkt eingeführt haben, können landwirtschaftliche Erzeuger Wasser von anderen Regionen oder Branchen kaufen, die einen Überschuss aufweisen. Dank dieser Flexibilität ermöglicht das System, dass auch in Dürreperioden Nutzpflanzen von hohem Wert gedeihen können.

Der chilenische Wassermarkt hat dazu beigetragen, die ineffiziente Wassernutzung zu reduzieren, und so im Laufe der Zeit die landwirtschaftliche Produktivität gesteigert. Zwischen 1985 und 2018 wuchs die wasserintensive Landwirtschaft in den Regionen Atacama und Coquimbo erheblich, da die Wassermärkte eine flexiblere Zuteilung an Gebiete mit hohem Bedarf ermöglichten.

Das gleiche Prinzip wurde im australischen Murray-Darling-Becken angewandt, wo Landwirte mit Wasserrechten handeln, um sich an die schwankende Wasserverfügbarkeit anzupassen. Wie Bloomberg berichtet, beläuft sich der Wasserhandel in Australien auf rund vier Milliarden australischen Dollar (ca. 2,5 Milliarden Euro) jährlich und hat Australien zum neuntgrößten Lebensmittelexporteur der Welt gemacht. Die gleichen Märkte können außerdem Anreize für den sparsamen Umgang mit Wasser bieten. Auch das kalifornische Central Valley gestattet einen landwirtschaftlichen Wasserhandel, was es den Farmern ermöglicht, Dürreperioden zu überstehen, indem sie Wasser aus ressourcenreicheren Regionen kaufen.

Doch zeigen die Erfahrungen Chiles zugleich die Tücken der Wassermärkte. Der chilenische Wassermarkt ist alles andere als ein Allheilmittel und hat zu erheblichen Ungleichheiten geführt. Die großen Agrarkonzerne haben im großen Umfang Wasserrechte erworben, während kleinere Landwirte und Gemeinschaften kaum Zugang haben. Finanzstärkere Akteure dominieren den Markt und verdrängen marginalisierte Bevölkerungsgruppen.

Diese Ergebnisse werfen ernste Gerechtigkeitsfragen auf. Wasser ist nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern auch ein grundlegendes Menschenrecht. Ein System, das es den Reichsten ermöglicht, das meiste Wasser aufzukaufen, birgt Gefahr, dass diejenigen, die es am nötigsten brauchen, keinen Zugang dazu haben. Nach Konsolidierung der Wasserrechte im nordchilenischen Limarí-Tal in den Händen einiger großer Agrarkonzerne hatten die dortigen Kleinbauern in Trockenjahren nicht mehr genügend Wasser. Ähnliche Tendenzen waren in Kalifornien zu beobachten, wo ein kleiner Prozentsatz der Inhaber von Wasserrechten eine beträchtliche Menge an verfügbarem Wasser kontrolliert. Große Agrarunternehmen profitieren unverhältnismäßig stark.

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Darüber hinaus können Wassermärkte zu Umweltzerstörungen führen. In Chile hat die Umleitung von Wasser für die Landwirtschaft zeitweise die ökologische Gesundheit von Flüssen und Feuchtgebieten beeinträchtigt. In Australien hat die überhöhte Wasserentnahme zu schwerwiegenden Umweltfolgen wie dem Zusammenbruch von Flussökosystemen und der Erschöpfung von Oberflächen- und Grundwasserressourcen geführt, was die Artenvielfalt bedroht.

Kalifornien sah sich mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Obwohl der Wasserhandel in einigen Regionen zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage beigetragen hat, hat er auch große Ungerechtigkeiten zutage gefördert. Die Kleinbauern im Central Valley tun sich schwer, mit größeren Agrarunternehmen um Wasser zu konkurrieren, während ärmere städtische Bevölkerungsgruppen mit höheren Wasserpreisen konfrontiert sind. In Dürrezeiten begünstigt das marktorientierte System tendenziell diejenigen, die es sich leisten können, und die schwächsten Bevölkerungsgruppen bleiben zurück.

Auch das spekulative Horten von Wasser ist ein wachsendes Problem. In Kalifornien haben einige Unternehmen Wasser dem Markt vorenthalten und auf steigende Preise gewartet, was das Wasser – ein lebenswichtiges Gut – effektiv zu einem finanziellen Vermögenswert gemacht hat. Dies hat zu lokalen Engpässen beigetragen und die Preise in ohnehin schon wasserarmen Gebieten in die Höhe getrieben.

Neben dem Versagen des Marktes sind tiefergehende Fragen der Fairness und Gerechtigkeit zu berücksichtigen. Die Fähigkeit finanzstarker Unternehmen, Rechte aufzukaufen, macht die Wassermärkte anfällig für Monopolisierung. Dies ist in Chile, wo große Agrarunternehmen und Bergbaukonzerne den Markt beherrschen, insbesondere in dürregefährdeten Gebieten ein Dauerproblem.

Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Wassermärkte häufig mit traditionellen oder früheren Wasserrechten kollidieren, was zu rechtlichen und sozialen Konflikten führt. In Chile wurden die Inhaber früherer Rechte, darunter auch indigene Gemeinschaften, verdrängt, als die Wasserrechte zur Ware gemacht und an größere Unternehmen verkauft wurden. Derartige Ungerechtigkeiten werfen grundsätzliche Fragen über die Ethik der Kommerzialisierung einer Ressource auf, die viele Gemeinschaften als öffentliches Gut betrachten.

Ganz allgemein ist die Einführung von Wassermärkten ein schwieriger, komplexer Prozess. Grenzüberschreitende Wasserkonflikte – bei denen Wasserquellen regionale oder nationale Grenzen überschreiten – sind ein wachsendes Problem. Märkte, die es einer Region ermöglichen, mit flussabwärts benötigtem Wasser Handel zu treiben, können zu Konflikten zwischen den Rechtsordnungen führen. Das Einzugsgebiet des Colorado River etwa, an dem sieben US-Bundesstaaten und Mexiko beteiligt sind, hat sich zu einer Quelle wachsender Spannungen entwickelt, da der Wasserhandel flussaufwärts die Nutzer flussabwärts beeinträchtigt. Um derartige Konflikte zu vermeiden, sind starke rechtliche Rahmenbedingungen unerlässlich, doch deren Schaffung erfordert erheblichen politischen Willen und beträchtliche Ressourcen.

Die Verheißung der Wassermärkte liegt in ihrem Potenzial, durch Anreize zum Wassersparen und zu mehr Effizienz die Wasserknappheit zu bekämpfen. Aber die von ihnen ausgehenden Risiken insbesondere für die Verteilungsgerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit dürfen nicht ignoriert werden. Chile, Australien und Kalifornien halten wertvolle Lektionen über die Grenzen einer marktgesteuerten Wasserwirtschaft parat. Monopolisierung, spekulatives Horten und Umweltzerstörung sind allesamt erhebliche Risiken, wenn Wasser als bloße Ware behandelt wird.

Der Schlüssel liegt in der Entwicklung eines ausgewogenen Ansatzes. Wassermärkte müssen sorgfältig reguliert werden, um einen fairen Zugang zu gewährleisten, Marktkonzentration zu verhindern und Ökosysteme zu schützen. Hybride Systeme, die Marktmechanismen mit solider öffentlicher Aufsicht und kommunaler Verwaltung kombinieren, könnten eine gerechtere und nachhaltigere Lösung bieten. Die Regierungen sollten zudem die Rechte schutzbedürftiger Bevölkerungsgruppen wahren und anerkennen, dass Wasser ein öffentliches Gut ist und nicht nur handelbarer Vermögenswert.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/icliTRede