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Die Unterstützung der Ukraine liegt in Trumps Interesse

NEW YORK – Noch vor seinem Amtsantritt hat Donald Trump diplomatische Bemühungen zur Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine eingeleitet und nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Anfang Dezember in Paris zu einem „sofortigen Waffenstillstand“ aufgerufen. Trump bemüht sich richtigerweise um ein Ende des Krieges. Trotz einer kürzlich erfolgten Aufstockung der US-Militärhilfe und der Erlaubnis für die ukrainischen Streitkräfte, Ziele weit im Landesinneren Russlands anzugreifen, verliert die Ukraine im Osten weiterhin an Boden und leidet unter verheerenden Luftangriffen auf ihr gesamtes Staatsgebiet. Selbst wenn Russland nicht in der Lage ist, die ukrainischen Streitkräfte zu besiegen, könnte ein Krieg, der sich auf unbestimmte Zeit hinzieht, die Ukraine letztendlich in einen gescheiterten Staat verwandeln.

Doch während Trump versucht, die Ukraine und Russland zu einem Waffenstillstand zu drängen, sollte er einsehen, dass es in seinem eigenen politischen Interesse (sowie im nationalen Interesse Amerikas) liegt, die Ukrainer weiterhin maßgeblich zu unterstützen und ein Abkommen nur dann zu akzeptieren, wenn es zur Entstehung einer souveränen, sicheren Ukraine führt. Trump sollte aufhören, über die Beendigung der Hilfe zu reden, und stattdessen anfangen, die zwar unwillige, aber im Allgemeinen doch gehorsame Republikanische Partei davon zu überzeugen, dass eine Fortsetzung der Hilfe unerlässlich ist, um einen dauerhaften Waffenstillstand zu erreichen und letztlich die Bemühungen des Kremls zur Unterwerfung der Ukraine zu vereiteln. Jedes andere Ergebnis wäre eine erhebliche Bedrohung für die internationalen Interessen der USA und für Trumps Ansehen als weltweit führender Politiker.

Um einen dauerhaften Waffenstillstand zu erwirken, sind langfristige Hilfszusagen der USA an die Ukraine erforderlich. Wenn der russische Präsident Wladimir Putin zu der Ansicht gelangt, dass die amerikanische Unterstützung ausläuft, hat er allen Grund, den Kampf fortzusetzen. Sollte die Verteidigung der Ukraine zusammenbrechen, würde der Anblick russischer Streitkräfte, die immer mehr Territorium einnehmen und möglicherweise mit russischen Panzern in Kiew einrollen, Trumps Hoffnungen zunichte machen, als großer Friedensstifter betrachtet zu werden. Vielmehr stünde er am Ende mit seiner eigenen Version von Afghanistan da.

Wenn Putin allerdings weiß, dass die USA der Ukraine auf unbestimmte Zeit Hilfe zukommen lassen werden, dürfte ihm klar sein, dass er nicht gewinnen kann, und er wird sich viel eher ernsthaft um die Beendigung des Krieges bemühen.

Ebenso wird die fortgesetzte Bereitstellung von US-Hilfe notwendig sein, um zu gewährleisten, dass ein Waffenstillstand ein im langfristigen Interesse der Ukraine und des Westens liegendes Ergebnis hervorbringt. Trump kann es sich nicht leisten, die Ukraine fallen zu lassen, indem er ein Abkommen unterzeichnet, aufgrund dessen das Land dauerhaft russischer Ausbeutung und Nötigung ausgeliefert ist.

Eine unterjochte Ukraine wäre nicht nur ein Sieg für Russland, sondern auch für China, den Iran und Nordkorea. Angesichts der Tatsache, dass diese Länder die russische Militäraggression unterstützen, stellt der Krieg das erste gemeinsame Projekt einer entstehenden Achse der Autokratien dar. Wenn Trump die Ukraine verliert, würde das den Feinden Amerikas weiter Auftrieb geben und Zweifel an der Stärke der USA und der Dauerhaftigkeit ihrer Bündnisse aufkommen lassen. Ein schlechter Deal für die Ukraine ist auch ein schlechter Deal für Trump.

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Vielmehr sollte Trump nur eine Einigung akzeptieren, die garantiert, dass die rund 80 Prozent des noch unter der Kontrolle der Regierung in Kiew stehenden Territoriums als souveräne und sichere ukrainische Erfolgsgeschichte hervorgehen. Ein derartiges Ergebnis erfordert die Zusage, die Ukraine in den kommenden Jahren mit den für ihre Selbstverteidigung und den Wiederaufbau ihrer Wirtschaft erforderlichen Waffen und Finanzmitteln zu versorgen.

Ein Abkommen zu erzielen, das eine stabile und sichere Ukraine schafft, könnte schwieriger sein, als sich Trump das vorstellt. Die Aufteilung des Territoriums ist dabei der einfachere Teil. Wer welches Gebiet kontrolliert, wird durch die Aufstellung der Streitkräfte zum Zeitpunkt des Waffenstillstands bestimmt. Die Frontlinie im Kampfgebiet wird wahrscheinlich die neue Grenze zwischen einer Rest-Ukraine und den etwa 20 Prozent des von russischen Streitkräften besetzten Gebiets werden.

Dabei wird es Russland aber wahrscheinlich nicht bewenden lassen. Putin könnte durchaus die Neutralität der Ukraine und eine Begrenzung der Größe ihrer Streitkräfte fordern – genau wie er es 2022 getan hat. Trump muss verstehen, dass diese Bedingungen nicht zur Debatte stehen. Sie würden die Ukraine in unerträglicher Weise exponieren und verwundbar machen. Ob die Zukunft der Ukraine darin liegt, Nato-Mitglied zu werden oder andere Sicherheitsgarantien zu erhalten, spielt keine Rolle. Trump darf Putin kein Vetorecht über die geopolitische Ausrichtung der Ukraine einräumen.

Außerdem könnte Putin darauf bestehen, dass die USA die besetzten Teile der Ukraine formell als russisches Territorium anerkennen und die westlichen Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden. Auch hier kann es sich Trump nicht leisten, nachzugeben, denn damit würde er die gewaltsame Annexion von Territorien eines anderen Landes durch Russland legitimieren.

Wie kurz vor seiner Invasion könnte Putin umfassendere Änderungen der europäischen Sicherheitsordnung und eine Reduzierung oder einen Abzug der alliierten Streitkräfte von der Ostflanke der Nato fordern. Auch hier muss Trump standhaft bleiben. Angesichts der anhaltenden Bedrohung, die Russland für den Westen darstellt, können es sich die USA nicht leisten, die Verteidigungsfähigkeit der Nato zu schwächen.

Schließlich muss Trump erkennen, dass er kein Abkommen mit Putin schließen kann, ohne die europäischen Verbündeten Amerikas mit ins Boot zu holen. Unabhängig davon, ob ihm die Europäische Union gefällt oder nicht, braucht er ein starkes, sicheres und geeintes Europa als leistungsfähigen Verbündeten. In einer Zeit, in der viele Länder die Führungsrolle der USA in Frage stellen und mit alternativen Bündnissen liebäugeln, müssen die USA und ihre europäischen Verbündeten im Gleichschritt voranschreiten.

Ein Waffenstillstandsabkommen in der Ukraine, das auf Kosten der Geschlossenheit der Verbündeten geht, wäre ein schwerer Fehler. Ein gespaltenes atlantisches Bündnis und eine zersplitterte EU hätten zur Folge, dass die USA ohne starken europäischen Partner dastünden, den sie nicht nur zur Verteidigung gegen Russland, sondern auch zur Förderung der Stabilität in einer zunehmend unberechenbaren Welt brauchen.

Trump versucht richtigerweise, den Krieg zu beenden und Tod und Zerstörung zu stoppen. Jedoch sollte er sich bei diesem Vorhaben der Herausforderung bewusst sein, die es bedeutet, ein Abkommen zu erzielen, mit dem die Sicherheit und Souveränität der Ukraine gewährleistet werden kann. Alles andere als ein derartiges Ergebnis würde den Gegnern Auftrieb verleihen, das transatlantische Bündnis spalten und ein schwerwiegendes Versagen der US-Diplomatie darstellen. Und das alles unter Trumps Führung.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

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