WASHINGTON, DC – Um die Politik von heute zu verstehen, ist es wichtig zu begreifen, warum der Populismus zurückgekehrt ist. Insbesondere gilt dies für die Vereinigten Staaten, und zwar sowohl für den designierten Präsidenten Donald Trump und die in den Vorbereitungen für die Regierungsgeschäfte steckenden Republikaner im Kongress, als auch für die Demokraten, während sie versuchen, sich von ihrer dramatischen Niederlage zu erholen.
Der Populismus, der Trumps Aufstieg Mitte der 2010er Jahre befeuerte, hatte seine Wurzeln in der globalen Finanzkrise von 2008. Die darauffolgende Rezession sowie die schleppende Erholung brachten für deutlich mehr als der Hälfte der Erwerbsbevölkerung erhebliche Nöte mit sich und sorgten für Wut und Unzufriedenheit. Der reale (inflationsbereinigte) Medianlohn erreichte erst 2014 wieder das Niveau von 2007. Wie ich in einem Beitrag aus dem Jahr 2021 dokumentiere, hätten sich die realen Durchschnittslöhne trotz fünf Jahren Wirtschaftswachstums nicht erholt, wenn die Expansion damals zu Ende gegangen wäre.
Abgesehen von den direkten wirtschaftlichen Kosten erschütterte die Krise auch das Vertrauen in das Finanzsystem und in die Möglichkeit der Regierung, das Gemeinwohl zu fördern. Diese Bedingungen bildeten den fruchtbaren Boden, auf dem der Populismus – sowohl von links als auch von rechts – gedeihen konnte.
Populismus ist ein Begriff, der oft verwendet, aber selten definiert wird. Aus meiner Sicht umfasst er drei Merkmale: eine Weltanschauung, in der „das Volk“ gegen „die Eliten“ ausgespielt wird; Pessimismus hinsichtlich aktueller und zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklungen; und den Wunsch, sich als Land nach innen zu wenden. In den USA manifestierten sich diese Tendenzen zunächst im Aufstieg der Tea Party auf der politisch rechten Seite und in der Occupy-Wall-Street-Bewegung auf der linken. Im Jahr 2013 sah sich Präsident Barack Obama aufgrund dieser Tendenzen (in meinen Augen fälschlicherweise) veranlasst, zu erklären, dass Ungleichheit „die entscheidende Herausforderung unserer Zeit“ sei. Danach übernahm Trump die Führung der Republikanischen Partei, und der populistische Hitzkopf Bernie Sanders hätte in der Demokratischen Partei beinahe dasselbe geschafft.
Da die Krise von 2008 globalen Charakter hatte, kam es auch im Vereinigten Königreich und in Europa zu einem Wiederaufleben des Populismus, worin sich ein historisches Muster erkennen lässt. Die Erkenntnisse der letzten 150 Jahre zeigen, dass Populismus häufig eine Reaktion auf Finanzkrisen ist. Die gute Nachricht lautet: Aus diesen Erkenntnissen geht auch hervor, dass der Populismus wieder abebbt und in der Regel nach etwa zehn Jahren wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehrt.
Für mich hatte es 2018 den Anschein, als sei der Populismus auf dem Rückzug. Man erkannte zunehmend, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen für den typischen Arbeitnehmerhaushalt rapide verbesserten. Amerika war weniger wütend, und man konnte sich vorstellen, der Zukunft mit mehr Zuversicht entgegenzublicken.
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Doch gerade als Amerika wieder einen Schritt nach vorne machte, brach in den ersten Monaten des Jahres 2020 die Covid-19-Pandemie aus. Wie auch bei früheren Pandemien kam es zu politischen und sozialen Verwerfungen, und die weit verbreitete Wahrnehmung eines katastrophalen Versagens der Elite hauchte dem Populismus neues Leben ein.
Diese Wahrnehmung war auch nicht immer falsch. Einschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten sorgen in einem Land, das sich so sehr der individuellen Freiheit verschrieben hat, für Unmut, insbesondere wenn Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens manchmal scheinbar spontan Richtlinien wie die Zwei-Meter-Abstandsregel aufstellten. Selbst nachdem Impfstoffe und Therapeutika weit verbreitet eingesetzt worden waren, mussten Eltern sich mit lächerlichen obligatorischen Quarantänezeiten für gewöhnliche Kinderkrankheiten herumschlagen. Tragischerweise hielten die Eliten die Kinder im Herbst 2020 viel zu lange von den Klassenzimmern fern, anstatt die Schulen wieder zu öffnen. Viele erlitten Bildungsverluste, von denen sie sich nie erholen werden.
Wem der Populismus Kopfzerbrechen bereitet, dem sei gesagt, dass diese jüngste Entwicklung den vorübergehenden Charakter dieses Phänomens bestätigt. Wenn die Beschäftigten in den USA beispielsweise vier oder fünf Jahre lang ein solides Reallohnwachstum verzeichnen können, dürfte die populistische Stimmung wieder abflauen, wie es vor der Pandemie der Fall war.
Zur Klarstellung: Ich rechne nicht damit, dass der Populismus Trumpscher Prägung aussterben wird, sondern nur, dass er an Wirksamkeit und politischer Durchschlagskraft verlieren wird. Populistische Tendenzen gab es bei der politischen Rechten schon immer. Pat Buchanans Erfolg in den 1990er Jahren war ein Vorbote von Trumps Erfolg. Bei den Vorwahlen der Republikaner 1996 gewann Buchanan 23 Prozent der am oder vor dem Super Tuesday abgegebenen Stimmen. Bei den Vorwahlen 2016 gewann Trump 34 Prozent der Stimmen bei frühen Vorwahlabstimmungen und in den Bundesstaaten des Super Tuesday. Würde man den Erfolg des Populismus bei künftigen republikanischen Vorwahlen wieder auf Buchanans Anteil zurückdrängen, könnte man dies als Rückkehr zur Ausgangslage betrachten.
Die Lektion für die Demokraten lautet, dass es auf Wirtschaftspolitik ankommt. Der Rückgang des Reallohnwachstums in der ersten Hälfte des Jahrzehnts nach der Finanzkrise des Jahres 2008 läutete dieses populistische Kapitel der US-Geschichte ein, und die rasante Preisinflation der letzten vier Jahre (die die jüngsten Nominallohnzuwächse zunichte machte) brachte Trump zurück ins Weiße Haus.
Nachdem Präsident Joe Biden verspätet aus dem Präsidentschaftswahlkampf ausgestiegen war, dachten viele führende Demokraten, die Menschen würden Vizepräsidentin Kamala Harris wählen, um einen Kandidaten zu vermeiden, den mehr als die Hälfte des Landes nicht mag. Letztendlich stimmten jedoch mehr Menschen für Trump (obwohl sie ihn nicht mögen) als im Jahr 2020, vor allem, weil sie richtigerweise verstanden haben, dass die Politik der Biden-Administration zu rasanter Inflation, stagnierendem Reallohnwachstum und Verbraucherpreisen in Rekordhöhe beigetragen hat.
Auch für die Republikaner gibt es eine wichtige Lehre. Der Wählerschaft mag vielleicht der Sinn nach einem Präsidenten stehen, der mit Handelskriegen und drakonischen Einwanderungsmaßnahmen experimentiert, aber das könnte sich schneller ändern, als viele denken. Wenn die Republikaner 2028 wieder gewinnen wollen, müssen sie eine Politik verfolgen, die das Leben der Menschen in den nächsten vier Jahren verbessert. Populistische Politik funktioniert nicht. Kluge, auf dauerhaften politischen Erfolg bedachte Republikaner werden eine Politik anstreben, die funktioniert.
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For decades, an efficiency-centered “economic style” has dominated public policy, overriding the concerns for fairness that animated the New Deal and Lyndon B. Johnson’s Great Society. Now, Americans must brace for economic governance that delivers neither efficiency nor fairness, only chaos.
highlights the high cost of the single-minded focus on efficiency that has come to dominate the discipline.
While some observers doubt that US President-elect Donald Trump poses a grave threat to US democracy, others are bracing themselves for the destruction of the country’s constitutional order. With Trump’s inauguration just around the corner, we asked PS commentators how vulnerable US institutions really are.
WASHINGTON, DC – Um die Politik von heute zu verstehen, ist es wichtig zu begreifen, warum der Populismus zurückgekehrt ist. Insbesondere gilt dies für die Vereinigten Staaten, und zwar sowohl für den designierten Präsidenten Donald Trump und die in den Vorbereitungen für die Regierungsgeschäfte steckenden Republikaner im Kongress, als auch für die Demokraten, während sie versuchen, sich von ihrer dramatischen Niederlage zu erholen.
Der Populismus, der Trumps Aufstieg Mitte der 2010er Jahre befeuerte, hatte seine Wurzeln in der globalen Finanzkrise von 2008. Die darauffolgende Rezession sowie die schleppende Erholung brachten für deutlich mehr als der Hälfte der Erwerbsbevölkerung erhebliche Nöte mit sich und sorgten für Wut und Unzufriedenheit. Der reale (inflationsbereinigte) Medianlohn erreichte erst 2014 wieder das Niveau von 2007. Wie ich in einem Beitrag aus dem Jahr 2021 dokumentiere, hätten sich die realen Durchschnittslöhne trotz fünf Jahren Wirtschaftswachstums nicht erholt, wenn die Expansion damals zu Ende gegangen wäre.
Abgesehen von den direkten wirtschaftlichen Kosten erschütterte die Krise auch das Vertrauen in das Finanzsystem und in die Möglichkeit der Regierung, das Gemeinwohl zu fördern. Diese Bedingungen bildeten den fruchtbaren Boden, auf dem der Populismus – sowohl von links als auch von rechts – gedeihen konnte.
Populismus ist ein Begriff, der oft verwendet, aber selten definiert wird. Aus meiner Sicht umfasst er drei Merkmale: eine Weltanschauung, in der „das Volk“ gegen „die Eliten“ ausgespielt wird; Pessimismus hinsichtlich aktueller und zukünftiger wirtschaftlicher Entwicklungen; und den Wunsch, sich als Land nach innen zu wenden. In den USA manifestierten sich diese Tendenzen zunächst im Aufstieg der Tea Party auf der politisch rechten Seite und in der Occupy-Wall-Street-Bewegung auf der linken. Im Jahr 2013 sah sich Präsident Barack Obama aufgrund dieser Tendenzen (in meinen Augen fälschlicherweise) veranlasst, zu erklären, dass Ungleichheit „die entscheidende Herausforderung unserer Zeit“ sei. Danach übernahm Trump die Führung der Republikanischen Partei, und der populistische Hitzkopf Bernie Sanders hätte in der Demokratischen Partei beinahe dasselbe geschafft.
Da die Krise von 2008 globalen Charakter hatte, kam es auch im Vereinigten Königreich und in Europa zu einem Wiederaufleben des Populismus, worin sich ein historisches Muster erkennen lässt. Die Erkenntnisse der letzten 150 Jahre zeigen, dass Populismus häufig eine Reaktion auf Finanzkrisen ist. Die gute Nachricht lautet: Aus diesen Erkenntnissen geht auch hervor, dass der Populismus wieder abebbt und in der Regel nach etwa zehn Jahren wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehrt.
Für mich hatte es 2018 den Anschein, als sei der Populismus auf dem Rückzug. Man erkannte zunehmend, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen für den typischen Arbeitnehmerhaushalt rapide verbesserten. Amerika war weniger wütend, und man konnte sich vorstellen, der Zukunft mit mehr Zuversicht entgegenzublicken.
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Diese Wahrnehmung war auch nicht immer falsch. Einschränkungen der wirtschaftlichen Aktivitäten sorgen in einem Land, das sich so sehr der individuellen Freiheit verschrieben hat, für Unmut, insbesondere wenn Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens manchmal scheinbar spontan Richtlinien wie die Zwei-Meter-Abstandsregel aufstellten. Selbst nachdem Impfstoffe und Therapeutika weit verbreitet eingesetzt worden waren, mussten Eltern sich mit lächerlichen obligatorischen Quarantänezeiten für gewöhnliche Kinderkrankheiten herumschlagen. Tragischerweise hielten die Eliten die Kinder im Herbst 2020 viel zu lange von den Klassenzimmern fern, anstatt die Schulen wieder zu öffnen. Viele erlitten Bildungsverluste, von denen sie sich nie erholen werden.
Wem der Populismus Kopfzerbrechen bereitet, dem sei gesagt, dass diese jüngste Entwicklung den vorübergehenden Charakter dieses Phänomens bestätigt. Wenn die Beschäftigten in den USA beispielsweise vier oder fünf Jahre lang ein solides Reallohnwachstum verzeichnen können, dürfte die populistische Stimmung wieder abflauen, wie es vor der Pandemie der Fall war.
Zur Klarstellung: Ich rechne nicht damit, dass der Populismus Trumpscher Prägung aussterben wird, sondern nur, dass er an Wirksamkeit und politischer Durchschlagskraft verlieren wird. Populistische Tendenzen gab es bei der politischen Rechten schon immer. Pat Buchanans Erfolg in den 1990er Jahren war ein Vorbote von Trumps Erfolg. Bei den Vorwahlen der Republikaner 1996 gewann Buchanan 23 Prozent der am oder vor dem Super Tuesday abgegebenen Stimmen. Bei den Vorwahlen 2016 gewann Trump 34 Prozent der Stimmen bei frühen Vorwahlabstimmungen und in den Bundesstaaten des Super Tuesday. Würde man den Erfolg des Populismus bei künftigen republikanischen Vorwahlen wieder auf Buchanans Anteil zurückdrängen, könnte man dies als Rückkehr zur Ausgangslage betrachten.
Die Lektion für die Demokraten lautet, dass es auf Wirtschaftspolitik ankommt. Der Rückgang des Reallohnwachstums in der ersten Hälfte des Jahrzehnts nach der Finanzkrise des Jahres 2008 läutete dieses populistische Kapitel der US-Geschichte ein, und die rasante Preisinflation der letzten vier Jahre (die die jüngsten Nominallohnzuwächse zunichte machte) brachte Trump zurück ins Weiße Haus.
Nachdem Präsident Joe Biden verspätet aus dem Präsidentschaftswahlkampf ausgestiegen war, dachten viele führende Demokraten, die Menschen würden Vizepräsidentin Kamala Harris wählen, um einen Kandidaten zu vermeiden, den mehr als die Hälfte des Landes nicht mag. Letztendlich stimmten jedoch mehr Menschen für Trump (obwohl sie ihn nicht mögen) als im Jahr 2020, vor allem, weil sie richtigerweise verstanden haben, dass die Politik der Biden-Administration zu rasanter Inflation, stagnierendem Reallohnwachstum und Verbraucherpreisen in Rekordhöhe beigetragen hat.
Auch für die Republikaner gibt es eine wichtige Lehre. Der Wählerschaft mag vielleicht der Sinn nach einem Präsidenten stehen, der mit Handelskriegen und drakonischen Einwanderungsmaßnahmen experimentiert, aber das könnte sich schneller ändern, als viele denken. Wenn die Republikaner 2028 wieder gewinnen wollen, müssen sie eine Politik verfolgen, die das Leben der Menschen in den nächsten vier Jahren verbessert. Populistische Politik funktioniert nicht. Kluge, auf dauerhaften politischen Erfolg bedachte Republikaner werden eine Politik anstreben, die funktioniert.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier