OXFORD – Kürzlich wurde der in den USA lebende saudische Journalist Jamal Khashoggi brutal gefoltert und ermordet. Danach rückte der saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman in den Blickpunkt, von dem allgemein angenommen wird, er habe diesen Mord befohlen. Dies spiegelt die Gefahren des Geschäfts mit den Nachrichten wider. Die endgültigen Zahlen sind noch nicht veröffentlicht, aber 2018 könnte das gefährlichste Jahr für Journalisten seit Beginn der Aufzeichnungen werden.
Doch obwohl die physischen Angriffe auf Journalisten beängstigend dreist geworden sind – und der Mord an Khashoggi dabei einen Höhepunkt darstellt – sind die meisten Gefahren, denen der journalistische Berufsstand ausgesetzt ist, viel profaner. Fünf von ihnen stechen besonders hervor:
Erstens nimmt die Anzahl der Arbeitsmöglichkeiten in diesem Sektor immer mehr ab. Was es an Arbeit gibt, ist schlecht bezahlt, unsicher und kaum für eine Karriere geeignet. In den Vereinigten Staaten ist die Anzahl der Stellen in den Nachrichtenmedien in weniger als zehn Jahren um fast ein Viertel zurückgegangen, und kürzlich haben auch die Studentenzahlen der besten Journalismusschulen abgenommen.
Zweitens werben die großen Technologieunternehmen den Medienorganisationen zunehmend die Talente ab. Der Journalismus braucht Menschen mit technischen Fähigkeiten, um investigative Ermittlungsprojekte leiten und den digitalen Übergang der Branche bewältigen zu können. Momentan aber sehen die meisten Computeringenieure ihre Zukunft bei Plattformen wie Facebook oder Google, die besser zahlen, mehr Sicherheit bieten und eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen als sogar die größten Nachrichtenverlage.
Drittens ist der Journalismus nicht mehr so glamourös, wie er einst war. Vor Jahren wurden die jungen Reporter von den wettergegerbten Auslandskorrespondenten im Fernsehen oder auf den Titelseiten der großen Zeitungen in ihren Beruf gelockt. Und obwohl die meisten von uns, die den Köder schluckten, nie weiter kamen als bis zum nächsten Rathaus, waren wir doch von der edlen Mission getrieben, die Mächtigen zur Verantwortung zu ziehen. Aber in der heutigen dezentralen Umgebung der sozialen Medien sind Auslandskorrespondenten selten, und die „Influencer“ dieser Medien sind eher Popstars als Politikexperten.
Viertens nimmt – trotz weniger Gehalt und Prestige – der Druck in den Agenturen zu: Fängt ein journalistischer Einsteiger heute bei einer Medienagentur an, reicht es nicht, wenn er gut schreiben kann. Junge Journalisten müssen auch über Audio- und Videofähigkeiten verfügen. Sie müssen Daten auswerten können und sich in den sozialen Medien auskennen. Diese Fähigkeiten haben vielleicht bessere Nachrichtenprodukte zur Folge, aber niemand kann überall gleich gut sein. Dass sie alles können und immer größere Forderungen erfüllen müssen, könnte junge Reporter schließlich dazu bewegen, den Beruf zu wechseln.
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Und schließlich sind da noch die ständigen rhetorischen Angriffe von Politikern wie US-Präsident Donald Trump, dessen „Fake-News“-Gerede das Image der Branche untergräbt. Obwohl dieses Vertrauen in die Nachrichtenmedien laut aktueller Umfragen gestiegen ist, droht die ständige Verunglimpfung der Integrität und Intelligenz von Journalisten den ganzen Berufsstand in Misskredit zu bringen.
Gemeinsam sind diese fünf Aspekte für die Nachrichtenmedien eine schwere Bürde, und dies gefährdet auch die Demokratie selbst. Ohne freie und unabhängige Medien können die Bürger keine fundierten Entscheidungen treffen. Und ohne professionellen Journalismus können sich die Menschen in einem Labyrinth häufig unverlässlicher Informationen verlieren oder gar selbsterklärten, voreingenommenen Experten oder Propaganda auf den Leim gehen. Der Journalismus ist der Kompass der Demokratie, und wir müssen Wege finden, diesen Kompass neu zu eichen.
Am wichtigsten ist, dass die Journalisten geschützt werden. Und dabei muss nicht nur ihre Sicherheit gewährleistet sein, sondern auch ihre Möglichkeit, auf Informationen zuzugreifen und ihre Ergebnisse ohne Angst vor Repressionen veröffentlichen zu können. Zumindest muss man Angriffe auf Journalisten wie Khashoggi vollständig aufklären, und die Drahtzieher müssen zur Verantwortung gezogen und von der internationalen Gemeinschaft geächtet werden.
Aber die Unterstützung muss über die Bestrafung von Journalistenmördern hinaus gehen. Beispielsweise brauchen wir mehr Programme, um junge Talente zu fördern. Regierungen könnten Subventionen anbieten, Steuererleichterungen einführen und Initiativen finanzieren, die Journalisten ausbilden und auf die neuen Medien vorbereiten. Zukünftige Reporter brauchen Vorbilder, aber ebenso brauchen sie die technischen Fähigkeiten, um selbst zu Vorbildern werden zu können.
Am wichtigsten ist es vielleicht, dass die Medienvertreter in aller Welt versuchen, die Urteilsfähigkeit der Öffentlichkeit zu verbessern. Nachrichtenkonsumenten müssen verstehen, wie Journalismus funktioniert, wie Journalisten ihre Arbeit machen und warum professionelle Medienportale unverzichtbare Bestandteile einer gut funktionierenden Demokratie sind. Wenn die Öffentlichkeit die Arbeit der Journalisten nicht würdigt, könnte die nächste große Herausforderung der Branche darin bestehen, dass sie keine neuen Talente mehr bekommt. Und dies könnte sich als das größte Problem überhaupt erweisen.
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Over time, as American democracy has increasingly fallen short of delivering on its core promises, the Democratic Party has contributed to the problem by catering to a narrow, privileged elite. To restore its own prospects and America’s signature form of governance, it must return to its working-class roots.
is not surprised that so many voters ignored warnings about the threat Donald Trump poses to US institutions.
Enrique Krauze
considers the responsibility of the state to guarantee freedom, heralds the demise of Mexico’s democracy, highlights flaws in higher-education systems, and more.
OXFORD – Kürzlich wurde der in den USA lebende saudische Journalist Jamal Khashoggi brutal gefoltert und ermordet. Danach rückte der saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman in den Blickpunkt, von dem allgemein angenommen wird, er habe diesen Mord befohlen. Dies spiegelt die Gefahren des Geschäfts mit den Nachrichten wider. Die endgültigen Zahlen sind noch nicht veröffentlicht, aber 2018 könnte das gefährlichste Jahr für Journalisten seit Beginn der Aufzeichnungen werden.
Doch obwohl die physischen Angriffe auf Journalisten beängstigend dreist geworden sind – und der Mord an Khashoggi dabei einen Höhepunkt darstellt – sind die meisten Gefahren, denen der journalistische Berufsstand ausgesetzt ist, viel profaner. Fünf von ihnen stechen besonders hervor:
Erstens nimmt die Anzahl der Arbeitsmöglichkeiten in diesem Sektor immer mehr ab. Was es an Arbeit gibt, ist schlecht bezahlt, unsicher und kaum für eine Karriere geeignet. In den Vereinigten Staaten ist die Anzahl der Stellen in den Nachrichtenmedien in weniger als zehn Jahren um fast ein Viertel zurückgegangen, und kürzlich haben auch die Studentenzahlen der besten Journalismusschulen abgenommen.
Zweitens werben die großen Technologieunternehmen den Medienorganisationen zunehmend die Talente ab. Der Journalismus braucht Menschen mit technischen Fähigkeiten, um investigative Ermittlungsprojekte leiten und den digitalen Übergang der Branche bewältigen zu können. Momentan aber sehen die meisten Computeringenieure ihre Zukunft bei Plattformen wie Facebook oder Google, die besser zahlen, mehr Sicherheit bieten und eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen als sogar die größten Nachrichtenverlage.
Drittens ist der Journalismus nicht mehr so glamourös, wie er einst war. Vor Jahren wurden die jungen Reporter von den wettergegerbten Auslandskorrespondenten im Fernsehen oder auf den Titelseiten der großen Zeitungen in ihren Beruf gelockt. Und obwohl die meisten von uns, die den Köder schluckten, nie weiter kamen als bis zum nächsten Rathaus, waren wir doch von der edlen Mission getrieben, die Mächtigen zur Verantwortung zu ziehen. Aber in der heutigen dezentralen Umgebung der sozialen Medien sind Auslandskorrespondenten selten, und die „Influencer“ dieser Medien sind eher Popstars als Politikexperten.
Viertens nimmt – trotz weniger Gehalt und Prestige – der Druck in den Agenturen zu: Fängt ein journalistischer Einsteiger heute bei einer Medienagentur an, reicht es nicht, wenn er gut schreiben kann. Junge Journalisten müssen auch über Audio- und Videofähigkeiten verfügen. Sie müssen Daten auswerten können und sich in den sozialen Medien auskennen. Diese Fähigkeiten haben vielleicht bessere Nachrichtenprodukte zur Folge, aber niemand kann überall gleich gut sein. Dass sie alles können und immer größere Forderungen erfüllen müssen, könnte junge Reporter schließlich dazu bewegen, den Beruf zu wechseln.
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Gemeinsam sind diese fünf Aspekte für die Nachrichtenmedien eine schwere Bürde, und dies gefährdet auch die Demokratie selbst. Ohne freie und unabhängige Medien können die Bürger keine fundierten Entscheidungen treffen. Und ohne professionellen Journalismus können sich die Menschen in einem Labyrinth häufig unverlässlicher Informationen verlieren oder gar selbsterklärten, voreingenommenen Experten oder Propaganda auf den Leim gehen. Der Journalismus ist der Kompass der Demokratie, und wir müssen Wege finden, diesen Kompass neu zu eichen.
Am wichtigsten ist, dass die Journalisten geschützt werden. Und dabei muss nicht nur ihre Sicherheit gewährleistet sein, sondern auch ihre Möglichkeit, auf Informationen zuzugreifen und ihre Ergebnisse ohne Angst vor Repressionen veröffentlichen zu können. Zumindest muss man Angriffe auf Journalisten wie Khashoggi vollständig aufklären, und die Drahtzieher müssen zur Verantwortung gezogen und von der internationalen Gemeinschaft geächtet werden.
Aber die Unterstützung muss über die Bestrafung von Journalistenmördern hinaus gehen. Beispielsweise brauchen wir mehr Programme, um junge Talente zu fördern. Regierungen könnten Subventionen anbieten, Steuererleichterungen einführen und Initiativen finanzieren, die Journalisten ausbilden und auf die neuen Medien vorbereiten. Zukünftige Reporter brauchen Vorbilder, aber ebenso brauchen sie die technischen Fähigkeiten, um selbst zu Vorbildern werden zu können.
Am wichtigsten ist es vielleicht, dass die Medienvertreter in aller Welt versuchen, die Urteilsfähigkeit der Öffentlichkeit zu verbessern. Nachrichtenkonsumenten müssen verstehen, wie Journalismus funktioniert, wie Journalisten ihre Arbeit machen und warum professionelle Medienportale unverzichtbare Bestandteile einer gut funktionierenden Demokratie sind. Wenn die Öffentlichkeit die Arbeit der Journalisten nicht würdigt, könnte die nächste große Herausforderung der Branche darin bestehen, dass sie keine neuen Talente mehr bekommt. Und dies könnte sich als das größte Problem überhaupt erweisen.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff