Der Nobelpreis und die Geschichte Einsteins

Am 10. Dezember dieses Jahres werden die Nobelpreise zum hundertsten Mal verliehen. Schon immer standen die Preise im Mittelpunkt des Interesses und der Diskussionen.

Alfred Nobel starb am 10. Dezember 1896. Bei der Testamentseröffnung stellte sich heraus, dass er sein beträchtliches Vermögen für Preise gestiftet hatte, die seinen Namen tragen sollten. In fünf Bereichen sollten diese Preise verliehen werden: Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden. Mit der Preisvergabe wurden vier Institutionen betraut: die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften (für Physik und Chemie) das Karolinska Institutet (für Physiologie oder Medizin) die Schwedische Akademie (für Literatur) und eine vom norwegischen Parlament ernannte Gruppe, die später als das `` Norwegische Nobel-Komitee'' (zuständig für die Verleihung des Friedensnobelpreises) bezeichnet wurde. Vor hundert Jahren waren Norwegen und Schweden in einer Union zusammengeschlossen.

Seit der Schaffung des Nobelpreises wurden in den ursprünglich vorgesehenen Bereichen 650 Medaillen und Urkunden verliehen. 1968 wurde im Gedenken an Alfred Nobel der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften von der Schwedischen Reichsbank gestiftet. Die meisten dieser Preise wurden für wissenschaftliche Errungenschaften, literarische Meisterwerke und Friedensinitiativen in einem Jahrhundert der Gewalt verliehen.

Der gemeinsame Nenner der allen Preisverleihungen zugrunde liegt, ist die Kreativität der Preisträger - sowohl ihre individuelle Kreativität als auch die ihres Umfeldes. Die Geschichte eines Preisträgers - nämlich die des Physik-Nobelpreisträgers Albert Einstein - ist im Hinblick auf den Auswahlprozess von besonderer Aussagekraft. Die vielleicht am häufigsten gestellte Frage im Zusammenhang mit dem Nobelpreis für Physik ist: ``Warum hat Einstein den Nobelpreis nicht für seine Relativitätstheorie verliehen bekommen?''

Während seines ``Annus Mirabulis'' im Jahre 1905, veröffentlichte der damals 26-jährige Einstein drei Arbeiten, die nicht nur die Physik, sondern das gesamte 20. Jahrhundert beeinflussen sollten. Eine dieser Arbeiten war die Spezielle Relativitätstheorie, in der Einstein beschrieb, wie sich Raum und Zeit, oder Masse und Energie bei hoher Geschwindigkeit zusammenfügen. In einer weiteren Arbeit untersuchte er die ``Brownsche Molekularbewegung''- die unregelmäßige Bewegung kleiner Teilchen in einer Flüssigkeit, die von Zusammenstößen mit anderen Flüssigkeitsmolekülen herrühren. Im dritten Artikel schließlich beschreibt er den photoelektrischen Effekt, der erklärt, warum bei Lichteinwirkung Elektronen aus einer Metalloberfläche herausgelöst werden. Diese Entdeckung machen wir uns heute bei gewöhnlichen Photozellen zu Nutze.

Die meistdiskutierte der drei Arbeiten war jedoch die Relativitätstheorie. Als die Königliche Schwedische Akademie für Wissenschaften wie jedes Jahr Wissenschaftler um Nominierungen für den Nobelpreis bat, meinten viele, dass Einstein den Physik-Nobelpreis für seine Spezielle Relativitätstheorie verdient hätte. Das Nobelkomitee für Physik stimmte jedoch nicht zu und Einstein ging über viele Jahre leer aus!

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Zunächst argumentierte das Nobelkomitee, dass die Theorie möglicherweise falsch sein könnte und dass es wohl am besten wäre, die experimentelle Bestätigung von Einsteins Theorie abzuwarten. Als es Einstein gelang, seine Theorie zu verallgemeinern und er die Raum-Zeit-Krümmung definierte, in der Licht im Bereich riesiger kosmischer Massen gekrümmt wird, schnellte die Zahl der Nominierungen erneut nach oben.

Das Nobelkomitee für Physik hatte jedoch ein äußerst einflussreiches Mitglied: Allvar Gullstrand, Professor an der Universität von Uppsala. Ihm wurde 1911 der Medizin-Nobelpreis für seine Arbeiten über die Lichtbrechung im Auge verliehen. Seiner Meinung nach irrte sich Einstein und er versuchte mit eigenen Berechnungen diesen vermeintlichen Irrtum zu belegen. Heute wissen wir, dass Gullstrand sich geirrt hatte, aber seine Ablehnung genügte, um Einstein den Nobelpreis vorzuenthalten.

In Uppsala gab es aber noch einen weiteren Professor, Carl Wilhelm Oseen, ein Experte der mathematischen Physik. Er verstand nicht nur Einsteins Theorien, sondern auch die Machtverhältnisse im Nobelkomitee für Physik. Als frisch ernanntes Mitglied der Akademie schlug er 1921 vor, Einstein den Physik-Nobelpreis für seine Arbeiten über den photoelektrischen Effekt zu verleihen. Mit dieser Nominierung begann sich die Sache zu Einsteins Gunsten zu wenden.

Oseen wurde zum Mitglied des Nobelkomitees ernannt und schrieb einen positiven Bericht über die Theorie des photoelektrischen Effekts. Schon im darauf folgenden Jahr, verlieh man Albert Einstein den Nobelpreis für Physik, und zwar ``für seine Verdienste um die Theoretische Physik, insbesondere für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effektes''.

Ist der Königlichen Akademie der Wissenschaften also ein Fehler unterlaufen, als man Einstein den Nobelpreis für seine wohl größte intellektuelle Leistung vorenthielt? Viele haben in diese Richtung argumentiert. Man sollte jedoch schon ein wenig weiter in der Geschichte der Physik recherchieren, um zu einem endgültigen Urteil zu kommen.

Die Geschichte belegt, dass Einsteins Artikel von 1905 nicht nur den photoelektrischen Effekt erklärte, sondern etwas von viel größerer Tragweite, etwas Revolutionäres enthielt: Mit dieser Arbeit wurde der Begriff des Photons eingeführt, ein Wellenteilchen, das nicht nur die Verständnisgrundlage für Mikro- und Makrokosmos bildet, sonder auch zu technischen Entwicklungen wie medizinische Laserskalpelle und Laserdioden im Internet führte. Im Hinblick auf das Testament von Alfred Nobel, wonach der Preis an diejenigen vergeben werden soll, die der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben, kann man sagen, dass die Definition des Photons, die Relativitätstheorie wohl bei weitem überflügelt.

Heute arbeiten die fünf Nobelkomitees im Prinzip nach den gleichen Richtlinien wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Unterschied zu damals ist allerdings die Anzahl der Nominierungen um einiges höher. Wenn sich unter den hunderten Kandidaten ein neuer Albert Einstein verbirgt, werden wir es erst in Zukunft erfahren!

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