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Im Nahen Osten droht Trump'sches Chaos

WASHINGTON, D.C. – Donald Trumps Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen in der vergangenen Woche hat bei vielen Staats- und Regierungschefs der Welt ein Gefühl der Niedergeschlagenheit hinterlassen. Die europäischen Staats- und Regierungschefs befürchten, dass er sie in Fragen vom Handel bis hin zu den Verteidigungsausgaben unter schweren Druck setzen wird, während ihre lateinamerikanischen Amtskollegen panische Angst vor Strafmaßnahmen wegen der Einwanderungsströme in die USA haben. Im Nahen Osten ist die Reaktion jedoch gemischter. Einige Regierungschefs sind niedergeschlagen, andere beglückt. Doch könnten diejenigen, die jetzt jubeln, sich nach Trumps Amtsantritt nach einem weniger launischen US-Präsidenten sehnen.

Autoritäre Machthaber wie der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan könnten von einer zweiten Amtszeit Trumps am meisten profitieren. Trump hat beide Männer gelobt, indem er el-Sisi als seinen „Lieblingsdiktator“ und sich selbst als „großen Fan“ von Erdoğan bezeichnete, und er dürfte daher wohl davon absehen, sie in Bezug auf Menschenrechte und demokratische Werte unter Druck zu setzen, wie es frühere US-Regierungen getan haben. Diese Politiker werden sich über Trumps Laissez-faire-Ansatz in der Außenpolitik und sein Desinteresse an Details freuen. Und da die USA gegenüber Ägypten einen Handelsüberschuss und gegenüber der Türkei nur ein geringes Defizit aufweisen, werden sich beide im Gegensatz zu Deutschland, Japan und Südkorea nicht den handelsbezogenen Zorn seiner Regierung zuziehen.

Auch die Scheichtümer am Persischen Golf werden von einer Trump-Präsidentschaft profitieren. Anders als el-Sisi und Erdoğan wünschen sich die Führungen Bahrains, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate eine kraftvolle US-Außenpolitik, um den iranischen Einfluss zu schwächen. Sollte Trump seine aggressive Rhetorik und seine Kampagne „maximalen Drucks“ gegenüber dem Iran wieder aufnehmen, würde das insbesondere die sunnitische Monarchie Bahrains freuen, da dies die Mullahs davon ablenken dürfte, die schiitische Mehrheit der winzigen Insel aufzuwiegeln. Die Golfstaaten sind zudem gut aufgestellt, um Trumps transaktionalen Charakter und seine Vorliebe für Effekthascherei auszunutzen: Sie können milliardenschwere Waffendeals ankündigen, ohne die Absicht zu haben, diese auch umzusetzen.

Andere Verbündete der USA in der Region werden leiden. Katar dürfte sich wegen seiner Unterstützung der Hamas und anderer islamistischer Gruppen heftigem Druck der Republikaner ausgesetzt sehen. Und es werden keine US-Gesandten mehr zwischen Jerusalem und Beirut hin- und herpendeln, um die Bombardierung des Libanon zu beenden.

Der größte Verlierer einer Trump-Präsidentschaft könnte jedoch die Partei der Demokratischen Union der Kurden in Syrien (PYD) sein. Die PYD ist der syrische Ableger der türkischen Arbeiterpartei Kurdistans, die seit 1984 mit Unterbrechungen einen Aufstand gegen die türkische Regierung führt und zuletzt fünf Menschen in einem Luft- und Raumfahrtunternehmen in Ankara ermordete.

Trumps Abneigung gegen den Einsatz von US-Truppen könnte ihn gepaart mit seiner Zuneigung zu Erdoğan dazu veranlassen, die rund 900 in Syrien stationierten Soldaten abzuziehen. Angeblich dort, um ein Wiedererstarken des Islamischen Staates zu verhindern, schützen sie zugleich die PYD vor Syrien und der Türkei. Eine PYD ohne örtliche US-Unterstützung dürfte vermutlich aus Furcht vor einem türkischen Angriff um die Stationierung russischer oder syrischer Truppen im Grenzgebiet bitten. Daher könnte Syrien indirekt von einer Trump-Regierung profitieren.

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Doch die Gegner der USA – der Iran und seine Stellvertreterorganisationen Hamas und Hisbollah – sollten über Trumps Rückkehr ins Weiße Haus am meisten besorgt sein. Trump dürfte dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu einen Freibrief ausstellen und die wenigen Beschränkungen aufheben, die US-Präsident Joe Biden Netanjahu in dem vergeblichen Versuch, einen größeren Krieg zu verhindern, auferlegt hat. Die jüngste Enthüllung über ein geplantes iranisches Attentat auf Trump wird diesen sicherlich erzürnen und könnte sogar seine Reaktion beeinflussen. Es ist schwer vorstellbar, dass Trump Einwände gegen israelische Angriffe auf die iranische Öl- und Nuklearinfrastruktur erhebt oder seine Besorgnis über das zivile Blutbad im Gazastreifen oder die zunehmende Gewalt durch israelische Siedler im Westjordanland zum Ausdruck bringt.

Während Trumps erster Amtszeit wollte Netanjahu lediglich, dass er Israel in Ruhe lassen möge – solange er nicht für einen palästinensischen Staat würbe oder die Ausweitung der Siedlungen im Westjordanland kritisiere würde alles glatt gehen. Für die riskante Politik, die Netanjahu derzeit verfolgt, braucht Israel jedoch starke Unterstützung durch die USA.

Trump wird einen Krieg gegen den Iran zweifelsohne gerne Israel überlassen. Doch wenn die Mullahs darauf mit Angriffen auf amerikanische Interessen reagieren, könnte Trump Netanjahu vorwerfen, ihn in einen Konflikt hineingezogen zu haben, den er im Wahlkampf zu vermeiden versprach. Und wenn Netanjahu seine Zusagen nicht einhält – so wie er es gegenüber Biden tat, der ihn Berichten zufolge als „verdammten Lügner“ und „schlechten Kerl“ bezeichnet hat – wird Trump mindestens genauso wütend sein.

Trump kennt dieses Verhalten nur zu gut. Nachdem Netanjahu bei einer Veranstaltung im Weißen Haus 2020 seine Absicht erklärt hatte, Siedlungen zu annektieren, sagte ein überrumpelter Trump offenbar: „Ich fühle mich schmutzig“, und dachte darüber nach, Netanjahus politischen Gegenspieler zu unterstützen. Biden hat Netanjahus Verlogenheit toleriert, weil er weiß, dass die Schwächung der iranischen Achse im Interesse der USA liegt. Trump, dessen einziger Fokus auf Unterwerfungsgesten liegt, ist womöglich nicht so nachsichtig.

Trumps Rückkehr ins Weiße Haus wird die US-Außenpolitik auf den Kopf stellen, nicht zuletzt im Nahen Osten. Eine Region, die Kriege, Revolutionen und dschihadistische Aufstände überstanden hat, kann einen Despoten im Weißen Haus überleben. Doch ob die Verbündeten und Gegner der USA dabei gleichermaßen gewinnen und verlieren bleibt abzuwarten.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

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