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Wie wir die Welt vor der nächsten Pandemie schützen können

NEW YORK: „Die Geschichte lehrt uns, dass die nächste Pandemie mit Sicherheit kommt; die Frage ist, wann, nicht ob“, warnte der Generalsekretär der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Tedros Adhanom Ghebreyesus Anfang des Jahres. Er hat Recht. Daher ist es lebenswichtig, dass die weltweiten Regierungen ihre Verhandlungen über ein Abkommen zur Pandemievermeidung, -bereitschaft und -bekämpfung erfolgreich abschließen. Die Verhandlungsführer haben es nicht geschafft, die zuletzt gesetzte Frist für eine Einigung einzuhalten. Sie brauchen mehr Zeit, doch sie müssen sich zugleich bewusst machen, dass ihnen die Zeit davonläuft.

Wir glauben, dass ein Abkommen, das die Welt schützt, erreichbar ist, wenn die Regierungen sich die Lehren der AIDS- und COVID-19-Pandemien zu eigen machen. Doch einige erweisen sich diesbezüglich als begriffsstutzig.

Der Entwurf des Pandemie-Abkommens beginnt mit einer kühnen und inspirierenden Erklärung, die Solidarität, Fairness und Menschenrechte beschwört. Diese Prinzipien sind grundlegend für eine wirksame Prävention und Bekämpfung von Pandemien, und frühere Entwürfe enthielten verbindliche Zusagen der Regierungen zu ihrer Umsetzung. Doch hat sich in den Verhandlungen Druck aufgebaut, mehrere dieser Verpflichtungen abzuschwächen, und das geht so weit, dass einige vorgeschlagene Fassungen nicht garantieren würden, dass die Reaktion auf die nächste Pandemie kraftvoller ausfällt als die auf COVID-19.

Bisher sind die Verhandlungen von einer Kluft zwischen globalem Norden und globalem Süden geprägt – derselben Kluft, die die Bekämpfung von COVID-19 behinderte. Die Länder niedrigen und mittleren Einkommens verweisen auf die Notwendigkeit verbindlicher Zusagen, um sicherzustellen, dass medizintechnologische Produkte produziert und beim nächsten Mal breit gestreut verteilt werden. Doch sie stoßen dabei auf den Widerstand einiger reicher Länder, obwohl es in unser aller Interesse ist, einen fairen, universellen Zugang zu den für die erfolgreiche Bekämpfung von Pandemien erforderlichen Produkten – von diagnostischen Hilfsmitteln bis hin zu Impfstoffen – sicherzustellen.

Gesundheitsprodukte müssen nicht knapp sein: Eine geografisch diversifizierte Produktion kann helfen, ausreichende Mengen davon sicherzustellen. Doch wenn Regierungen bisher öffentliche Mittel in die Entwicklung lebensrettender medizinischer Durchbrüche gesteckt haben, haben sie die Exklusivrechte an daraus herrührenden Impfstoffen und Medikamenten nur allzu oft privaten Pharmaunternehmen überlassen. Die unweigerliche Folge ist, dass diese dann nur Ländern zur Verfügung gestellt werden, die es sich leisten können, hohe Preise dafür zu zahlen. Das führt dazu, dass die ärmeren Länder Schwierigkeiten haben, zeitnah an Impfstoffe, Tests und Medikamente zu kommen. Diese tödliche Verknappung ist kein Systemfehler, sondern kennzeichnendes Merkmal privater Monopole.

Die Regierungen haben das während der AIDS-Pandemie erst spät erkannt. In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren starben zwölf Millionen Afrikaner an AIDS, während sie auf lebensrettende Medikamente warteten, die den Menschen im globalen Norden weithin zur Verfügung standen. Dann begann der globale Süden, preiswertere Generika zu produzieren, und die Behandlungskosten fielen steil von deutlich über 10.000 Dollar pro Patient und Jahr auf deutlich unter 100 Dollar. Inzwischen erhalten drei Viertel der HIV-Infizierten die Behandlung, die sie für ein langes, erfülltes Leben brauchen. Der universelle Zugriff auf AIDS-Medikamente ist garantiert, und die Welt kann AIDS als Gefahr für die öffentliche Gesundheit bis 2030 ausrotten. Dies würde nicht nur Millionen Leben retten, sondern auch für mehr globale Stabilität, gesundheitliche Sicherheit und Wirtschaftswachstum sorgen. Davon würden auch die einkommensstarken Länder profitieren.

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Man hätte erwarten sollen, dass diese mühsam erworbenen Lehren die Reaktion auf COVID-19 bestimmt hätten. Sie taten es nicht. Stattdessen erhielten die Pharmaunternehmen Monopole auf Impfstoffe; daher wurden diese zuerst an die reichen Länder geliefert, und die ärmeren Länder waren nicht in der Lage, sich mit Impfstoffen zu versorgen – mit tragischen Ergebnissen. Eine fairere Impfstoffverteilung hätte allein im ersten COVID-Jahr 1,3 Millionen Menschenleben retten können. Darin sind die enormen indirekten Verluste an Menschenleben und Gesundheit noch nicht einmal eingeschlossen, die daraus herrührten, dass Gesundheitsressourcen zur Versorgung von COVID-19-Patienten umgelenkt wurden.

Darüber hinaus waren die wirtschaftlichen Folgen schwerwiegend. Laut einer Schätzung kostete die ungerechte Impfstoffverteilung die Weltwirtschaft 2,3 Billionen Dollar. Letztlich haben die Länder des globalen Nordens ein Negativsummenspiel gespielt: Die erhöhten Gewinne von ein paar Pharmaunternehmen – und einigen milliardenschweren Pharmabaronen – nehmen sich im Vergleich zu den Verlusten für alle anderen winzig aus.

Die Säulen einer wirksamen Pandemievermeidung, -bereitschaft und -bekämpfung sind bekannt: Die relevanten Kenntnisse und Technologien müssen offen geteilt werden, und Impfstoffe, Tests und Medikamente müssen auf breiter Basis hergestellt werden. Dazu müssen auf nationaler und internationaler Ebene ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden, und Schutzrechte, die sichere und kompetente Hersteller darin hindern, sich an der Bekämpfung der Pandemie zu beteiligen, müssen aufgehoben werden.

Freiwillige Maßnahmen reichen dabei nicht aus. Die USA und die Europäische Union haben dies erkannt und selektive Maßnahmen umgesetzt, um die Weitergabe von Technologien und Know-how verbindlich vorzuschreiben. Das Pandemie-Abkommen muss dies fortführen und verbindliche Verpflichtungen für alle Länder umfassen, relevante Ressourcen und Fachkenntnisse während einer Pandemie offen weiterzugeben. Ohne derartige Verpflichtungen kann die Welt die Ziele des Abkommens nicht erreichen.

Um sicherzustellen, dass die Weltgesundheit Vorrang vor Gewinnstreben hat, können wir uns nicht auf den guten Willen der Pharmaunternehmen verlassen. Während der COVID-19-Krise brachte massiver öffentlicher Druck BioNTech und Moderna dazu, Betriebsstätten in Afrika zu eröffnen. Es war ein geringes Zugeständnis von Unternehmen, die zusammen mit Pfizer 1.000 Dollar pro Sekunde einstrichen, indem sie ihre Impfstoffe zuerst an die reichen Länder lieferten. Doch selbst dies erwies sich als zu viel verlangt: Nun, da der Nachrichtenzyklus sich anderswohin richtet, hat BioNTech seine Planungen für eine Produktion in Afrika massiv zurückgefahren, und Moderna hat seine Pläne komplett aufgegeben. Die Lehre daraus ist eindeutig: Regierungen können den Zugang zu Gesundheitsprodukten nur durch verbindliche Vorschriften sicherstellen.

Wir haben zwei tödliche Pandemien durchlebt, in denen wir – wie so viele andere – Freunde und Angehörige haben leiden und sterben sehen, und es ist für uns unerträglich, uns eine Wiederholung dieser Verheerungen vorzustellen. Das Pandemie-Abkommen bietet Hoffnung auf einen besseren, faireren Weg voran. Damit es Erfolg hat, müssen die Regierungen ihre hehren Reden um entsprechende, eisenharte Garantien ergänzen, dass die Reaktion auf die nächste Pandemie die Lehren aus der letzten widerspiegelt.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

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