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Die Junkies und Dealer der sozialen Medien

NEW YORK – Wir waren gewarnt. Wagnis-Kapitalgeber und Netscape-Gründer Marc Andreessen hatte 2011 einen viel gelesenen Artikel mit dem Titel „Why Software Is Eating the World“ geschrieben. Aber wir nahmen Andreessen nicht ernst; wir dachten, das sei nur eine Metapher. Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, die Welt aus den Zähnen der Internetplattform-Monopole zu befreien.

Ich war früher ein Technologie-Optimist. Während einer 35-jährigen Karriere als Investor in die besten und klügsten Köpfe des Silicon Valley hatte ich das Glück, Teil der PC-, Mobilkommunikations-, Internet- und Social-Networking-Branchen zu sein. Zu den Höhepunkten meiner Karriere gehörten frühe Investments in Google und Amazon und dass ich von 2006 bis 2010 ein Mentor von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg war.

Jede neue technologische Welle steigerte die Produktivität und den Zugang zu Wissen. Jede neue Plattform war noch benutzerfreundlicher und praktischer. Die Technologie befeuerte die Globalisierung und das Wirtschaftswachstum. Jahrzehntelang machte sie die Welt besser. Wir gingen davon aus, dass das ewig so weitergehen würde.

Dann kam das Jahr 2016, als das Internet zwei dunkle Seiten offenbarte. Die erste betrifft die einzelnen Nutzer: Smartphones mit mobiler LTE-Infrastruktur schufen die erste Plattform zur Übermittlung von Inhalten, die einem in jedem wachen Moment zur Verfügung stand, was die Technologiebranche und das Leben von zwei Milliarden Nutzern völlig umkrempelte. Angesichts wenig oder gar keiner Aufsicht durch Regulierungsstellen im größten Teil der Welt nutzten Unternehmen Facebook, Google, Amazon, Alibaba und Tencent Techniken, wie sie häufig bei Propaganda und Glücksspiel zum Einsatz kommen – wie etwa ständige Benachrichtigungen und variable Belohnungen –, um eine psychische Abhängigkeit zu fördern.

Die andere dunkle Seite ist geopolitischer Art. In den USA, Westeuropa und Asien versetzen Internetplattformen – insbesondere Facebook – die Mächtigen in die Lage, Schäden im politischen Prozess, der Außenpolitik und im Handel anzurichten. Es hat sich bei Wahlen überall in Europa und in den USA wiederholt gezeigt, dass sich automatisierte soziale Netzwerke nutzen lassen, um die Demokratie zu untergraben.

Das Brexit-Referendum und die US-Präsidentschaftswahl 2016 haben zudem gezeigt, dass Facebook negativen Botschaften deutliche relative Vorteile gegenüber positiven Botschaften bietet. Autoritäre Regierungen können Facebook nutzen, um die öffentliche Unterstützung für ihre repressive Politik zu stärken, so, wie das möglicherweise gerade in Myanmar, Kambodscha, auf den Philippinen und anderswo passiert. In einigen Fällen unterstützt Facebook derartige Regierungen sogar, so wie es alle seine Großkunden unterstützt.

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Ich bin sicher, dass die Gründer von Facebook, Google und anderen bedeutenden Internetplattformen nicht beabsichtigten, Schaden anzurichten, als sie ihre Geschäftsmodelle umsetzten. Sie waren erfolgshungrige junge Unternehmensgründer. Sie verbrachten Jahre damit, sich ein riesiges Publikum aufzubauen, indem sie die Online-Welt um eine Reihe von im Vergleich zu ihren Vorgängern stärker personalisierter, praktischerer und benutzerfreundlicherer Apps herum neu organisierten. Und sie unternahmen erst lange, nachdem ihre Nutzer angefixt waren, den Versuch, ihre Bemühungen zu Geld zu machen. Die Werbegeschäftsmodelle, für die sie sich entschieden, beruhten stark auf Personalisierung, was es Werbetreibenden ermöglichte, ihre Botschaften mit nie gekannter Präzision auf ihre Zielgruppen zuzuschneiden.

Dann jedoch kam das Smartphone, das die gesamte Medienlandschaft umgestaltete und Facebook, Google und einer Handvoll anderer Unternehmen faktisch die Kontrolle über den Informationsfluss hin zu den Nutzern verschaffte. Die Filter, die den Nutzern geben, „was sie wollen“, führten zu einer Polarisierung der Bevölkerungen und untergruben die Legitimität grundlegender demokratischer Institutionen (insbesondere der freien Presse). Und die Automatisierung, die die Internetplattformen so profitabel machte, machte sie zugleich überall auf der Welt anfällig für die Manipulation durch böswillige Akteure – und zwar nicht nur der Demokratie feindselig gesonnener autoritärer Regierungen.

Wie Andreessen uns gewarnt hatte, sind diese Unternehmen mit ihrem globalen Ehrgeiz und ihrer weltumspannenden Reichweite dabei, die Weltwirtschaft zu verschlingen. Dabei machen sie sich in unterschiedlichen Versionen Facebooks Konzernphilosophie zu eigen: „Move fast and break things“. Sie tun dies ohne Rücksicht auf die Auswirkungen auf Menschen, Institutionen und die Demokratie. Eine große Minderheit der Bürger in den entwickelten Ländern bewohnt heute die von diesen Plattformen hervorgebrachten Filterblasen – digitale Pseudorealitäten, in denen die bestehenden Ansichten zunehmend rigider und extremer werden.

In den USA ist inzwischen ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung unzugänglich für neue Ideen, darunter auch für nachweisliche Tatsachen. Diese Menschen lassen sich auf einfache Weise manipulieren, ein Konzept, dass der ehemalige Google-Designethiker Tristan Harris als „Gehirn-Hacking“ bezeichnet.

Die westlichen Demokratien sind auf diese Bedrohung nicht vorbereitet. Die USA haben keinen wirksamen Regulierungsrahmen für Internetplattformen, und es fehlt ihnen der politische Wille, einen zu schaffen. Die Europäische Union hat sowohl einen Regulierungsrahmen als auch den erforderlichen politischen Willen, aber keiner von beiden ist der Herausforderung gewachsen. Das jüngste EU-Urteil gegen Google – ein Rekordbußgeld von 2,7 Milliarden Dollar wegen wettbewerbsfeindlichen Verhaltens – war gut gedacht, aber von der Größe her unzureichend. Google ging in Berufung, und seine Anleger zuckten mit den Schultern. Es mag ein Anfang sein, aber es war eindeutig zu wenig.

Wir befinden uns an einem kritischen Scheideweg. Das Bewusstsein für die von den Internetplattformen ausgehenden Risiken wächst, von einer kleinen Basis ausgehend, aber die Benutzerfreundlichkeit ihrer Produkte und die psychische Abhängigkeit von diesen sind derart hoch, dass es genau wie bei den Kampagnen gegen das Rauchen eine Generation dauern könnte, um auf Nutzerseite Veränderungen zu bewirken. Die Erkenntnis des zerstörerischen Einflusses der Plattformmonopole auf Wettbewerb und Innovation ist in Europa größer als in den USA, doch hat bisher noch niemand eine effektive Regulierungsstrategie gefunden. Das Bewusstsein, dass die Plattformen manipuliert werden können, um die Demokratie zu untergraben, wächst ebenfalls, aber die westlichen Regierungen haben bisher noch keine Verteidigungsstrategie dagegen entwickelt.

Die von den Internetplattform-Monopolen ausgehenden Herausforderungen erfordern neue Ansätze, die über die Durchsetzung von Kartellbestimmungen hinausgehen. Wir müssen diese Herausforderungen als eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit wahrnehmen und entsprechend bekämpfen. Eine Möglichkeit besteht darin, soziale Medien analog zu Tabak und Alkohol zu behandeln und dabei Aufklärungsmaßnahmen und Regulierung zu kombinieren.

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos sollte die von den Internetplattform-Monopolen ausgehende Bedrohung ein zentrales Anliegen der Teilnehmer sein. Um wieder ein Gleichgewicht in unserem Leben herzustellen und neue Hoffnung in der Politik zu schaffen, ist es Zeit, die Zerstörer zu stören.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/fJfXtDxde