ISLAMABAD/BOSTON/LONDON – Die Coronakrise kommt für die Menschheit zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die ärmsten Länder der Welt haben bereits vorher sich sehr schwer getan, angesichts von Wirbelstürmen, Waldbränden und Dürren ihre Entwicklungsziele zu erreichen. Und der Welt bleibt jetzt nur mehr ein Jahrzehnt, um in klimaresiliente Entwicklung zu investieren und den weltweiten Anstieg von Temperatur und Meeresspiegel zu verlangsamen, bevor diese katastrophale Ausmaße annehmen.
Die entwickelten Volkswirtschaften verfügen grundsätzlich über die nötigen Mittel – wenn auch nicht immer über den entsprechenden Willen – um billig Kredite aufzunehmen und damit soziale und ökologisch orientierte Konjunkturpakete umzusetzen, die für eine zukunftsorientierte wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise sorgen sollen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind dazu jedoch nicht in der Lage, insbesondere weil ihre Regierungen bis zu 70 Prozent der staatlichen Einnahmen für den Auslandsschuldendienst aufwenden. Diese Länder stehen nun vor einer schwerwiegenden Entscheidung: entweder sie geben genug Geld aus, um die Gesundheit der Bürger zu schützen und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen oder sie bedienen ihre Schulden und stehen dann praktisch ohne Ressourcen da, um die Pandemie zu bewältigen und für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen.
In einem Versuch, dieses Problem zu lösen, riefen die G20 vor einigen Monaten die DSSI, eine Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes ins Leben, im Rahmen derer die Rückzahlung offizieller bilateraler Kredite bis Ende 2020 ausgesetzt wird. Später wurde diese Frist bis Mitte 2021 verlängert. In Anerkennung der Tatsache, dass diese Schritte nicht weitreichend genug waren, verabschiedeten die politischen Spitzen der G20 bei ihrem virtuellen Gipfel am 21. und 22. November einen rechtlichen Rahmen der es ermöglicht, neben der Aussetzung der Schulden auch eine tatsächlichen Schuldenerleichterung für die im Rahmen der Initiative berechtigten Länder zu gewähren.
Doch auch wenn es zu begrüßen ist, dass die G20 die Notwendigkeit eines Schuldenerlasses anerkennen, greift das neue Rahmenwerk in dreierlei Hinsicht zu kurz. Zunächst wird übersehen, dass Länder mittleren Einkommens - wo weltweit acht von zehn Menschen leben, die aufgrund der Covid-19-Krise in extreme Armut gedrängt wurden - ebenfalls durch Überschuldung in Bedrängnis geraten werden. Zweitens fehlt dem Rahmenwerk ein glaubwürdiger Plan, der sicherstellt, dass auch der Privatsektor seinen Beitrag zum Schuldenerlass leistet. Und drittens gewährleistet diese Initiative nicht, dass die ärmeren Volkswirtschaften, wenn sie wieder in die Gänge kommen, einen grünen und inklusiven Kurs verfolgen, im Rahmen dessen die Regierungen die durch den Schuldenerlass frei gewordenen Mittel investieren, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens und die Ziele nachhaltiger Entwicklung zu erreichen.
Die Politik von heute sollte Konjunkturprogramme vermeiden, die sowohl den Menschen als auch dem Planeten Schaden zufügen. Mehrere kürzlich durchgeführte Studien zeigen, dass grüne Investitionen – wie Errichtung und Sanierung von energiesparenden Wohn- und Geschäftsgebäuden, die Entwicklung innovativer grüner Technologien und die Ausbildung von Fachkräften zu deren Anwendung – am ehesten geeignet sind, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die Internationale Energieagentur und der Internationale Währungsfonds gelangten zu ähnlichen Schlüssen, wobei der IWF aufzeigt, dass ein grüner Plan für wirtschaftliche Erholung, der auch die Haushalte unterstützt, weit besser abschneiden würde als eine konventionelle Strategie.
Wenn wir den CO2-Ausstoß weiter ansteigen lassen, gibt es keine Wirtschaft mehr zu retten, da unser Klimasystem und die natürlichen Grundlagen der Resilienz für immer zusammengebrochen sein werden. Konjunkturpakete ohne klimafreundliche Investitionen als deren Herzstück sind keine langfristigen Investitionen, sondern Geldverschwendung und eine Bedrohung zukünftiger Generationen.
Aus diesem Grund schlagen wir eine umfassende neue Initiative für einen Schuldenerlass vor, in deren Mittelpunkt die Förderung eines grünen und inklusiven Aufschwungs steht. Im Rahmen dieses Programms würde ärmeren Ländern mit erheblicher Schuldenproblematik – festgestellt durch eine verbesserte Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF und der Weltbank – ein Schuldenerlass gewährt werden. Im Gegenzug würden diese sich verpflichten, ihre Wirtschaftspolitik und neu gewonnene Finanzmittel an Klima- und Entwicklungsziele anzupassen.
Offizielle Gläubigerinnen und Gläubiger aus Europa, den Vereinigten Staaten und China sowie multilaterale Finanzinstitutionen würden einen Schuldenerlass anbieten. Private Gläubigerinnen und Gläubiger müssten bestehende Schuldenpapiere gegen ein geringeres Volumen an grünen Recovery Bonds eintauschen. Unterdessen könnten Länder mit nachhaltigeren Schuldenprofilen, die mit pandemiebedingten fiskalischen Engpässen konfrontiert sind, Schulden-für-Klimaschutz- oder Schulden-für-Naturschutz-Swaps eingehen.
Eine derartige Initiative könnte von den G20 koordiniert und von einem interinstitutionellen Lenkungsausschuss überwacht werden, dem öffentliche und private Gläubigerinnen und Gläubiger, die Vereinten Nationen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft angehören. Entscheidend ist, dass damit Mittel für klimafreundliche Gesundheits- und Konjunkturausgaben in jenen Entwicklungs- und Schwellenländern zur Verfügung stehen, die sie am dringendsten brauchen.
Heutzutage sind die großen internationalen Gläubigerinnen und Gläubiger darauf erpicht, ihr Engagement für Klimastabilität zu betonen. China, der mittlerweile weltgrößte bilaterale Gläubiger, hat kürzlich zugesagt, bis 2060 CO2-neutral sein zu wollen, während der designierte US-Präsident Joe Biden möchte, dass die USA dieses Ziel 2050 erreichen. Ebenso erklärt das Institute of International Finance, das die privaten Inhaberinnen und Inhaber von Anleihen vertritt, für Klimaschutz und Umweltschutz sowie für eine sozial gerechte Finanzierung einzutreten.
Die politischen Führungen der reichen Länder haben nun die einmalige Gelegenheit, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Die Entwicklungsländer können nur dann die Coronakrise hinter sich lassen und einen grünen Weg zum Wohlstand beschreiten, wenn sich ihre Gläubigerinnen und Gläubiger auf eine Welt nach der Pandemie einlassen. Eine mutigere, auf globaler Solidarität beruhende neue Initiative für einen Schuldenerlass kann dazu beitragen, den jüngsten Anstieg der weltweiten Armut umzukehren, schädliche Ungleichheiten zu verringern und unseren Planeten für künftige Generationen zu erhalten.
ISLAMABAD/BOSTON/LONDON – Die Coronakrise kommt für die Menschheit zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Die ärmsten Länder der Welt haben bereits vorher sich sehr schwer getan, angesichts von Wirbelstürmen, Waldbränden und Dürren ihre Entwicklungsziele zu erreichen. Und der Welt bleibt jetzt nur mehr ein Jahrzehnt, um in klimaresiliente Entwicklung zu investieren und den weltweiten Anstieg von Temperatur und Meeresspiegel zu verlangsamen, bevor diese katastrophale Ausmaße annehmen.
Die entwickelten Volkswirtschaften verfügen grundsätzlich über die nötigen Mittel – wenn auch nicht immer über den entsprechenden Willen – um billig Kredite aufzunehmen und damit soziale und ökologisch orientierte Konjunkturpakete umzusetzen, die für eine zukunftsorientierte wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise sorgen sollen. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer sind dazu jedoch nicht in der Lage, insbesondere weil ihre Regierungen bis zu 70 Prozent der staatlichen Einnahmen für den Auslandsschuldendienst aufwenden. Diese Länder stehen nun vor einer schwerwiegenden Entscheidung: entweder sie geben genug Geld aus, um die Gesundheit der Bürger zu schützen und die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen oder sie bedienen ihre Schulden und stehen dann praktisch ohne Ressourcen da, um die Pandemie zu bewältigen und für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu sorgen.
In einem Versuch, dieses Problem zu lösen, riefen die G20 vor einigen Monaten die DSSI, eine Initiative zur Aussetzung des Schuldendienstes ins Leben, im Rahmen derer die Rückzahlung offizieller bilateraler Kredite bis Ende 2020 ausgesetzt wird. Später wurde diese Frist bis Mitte 2021 verlängert. In Anerkennung der Tatsache, dass diese Schritte nicht weitreichend genug waren, verabschiedeten die politischen Spitzen der G20 bei ihrem virtuellen Gipfel am 21. und 22. November einen rechtlichen Rahmen der es ermöglicht, neben der Aussetzung der Schulden auch eine tatsächlichen Schuldenerleichterung für die im Rahmen der Initiative berechtigten Länder zu gewähren.
Doch auch wenn es zu begrüßen ist, dass die G20 die Notwendigkeit eines Schuldenerlasses anerkennen, greift das neue Rahmenwerk in dreierlei Hinsicht zu kurz. Zunächst wird übersehen, dass Länder mittleren Einkommens - wo weltweit acht von zehn Menschen leben, die aufgrund der Covid-19-Krise in extreme Armut gedrängt wurden - ebenfalls durch Überschuldung in Bedrängnis geraten werden. Zweitens fehlt dem Rahmenwerk ein glaubwürdiger Plan, der sicherstellt, dass auch der Privatsektor seinen Beitrag zum Schuldenerlass leistet. Und drittens gewährleistet diese Initiative nicht, dass die ärmeren Volkswirtschaften, wenn sie wieder in die Gänge kommen, einen grünen und inklusiven Kurs verfolgen, im Rahmen dessen die Regierungen die durch den Schuldenerlass frei gewordenen Mittel investieren, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens und die Ziele nachhaltiger Entwicklung zu erreichen.
Die Politik von heute sollte Konjunkturprogramme vermeiden, die sowohl den Menschen als auch dem Planeten Schaden zufügen. Mehrere kürzlich durchgeführte Studien zeigen, dass grüne Investitionen – wie Errichtung und Sanierung von energiesparenden Wohn- und Geschäftsgebäuden, die Entwicklung innovativer grüner Technologien und die Ausbildung von Fachkräften zu deren Anwendung – am ehesten geeignet sind, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Die Internationale Energieagentur und der Internationale Währungsfonds gelangten zu ähnlichen Schlüssen, wobei der IWF aufzeigt, dass ein grüner Plan für wirtschaftliche Erholung, der auch die Haushalte unterstützt, weit besser abschneiden würde als eine konventionelle Strategie.
Wenn wir den CO2-Ausstoß weiter ansteigen lassen, gibt es keine Wirtschaft mehr zu retten, da unser Klimasystem und die natürlichen Grundlagen der Resilienz für immer zusammengebrochen sein werden. Konjunkturpakete ohne klimafreundliche Investitionen als deren Herzstück sind keine langfristigen Investitionen, sondern Geldverschwendung und eine Bedrohung zukünftiger Generationen.
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Aus diesem Grund schlagen wir eine umfassende neue Initiative für einen Schuldenerlass vor, in deren Mittelpunkt die Förderung eines grünen und inklusiven Aufschwungs steht. Im Rahmen dieses Programms würde ärmeren Ländern mit erheblicher Schuldenproblematik – festgestellt durch eine verbesserte Schuldentragfähigkeitsanalyse des IWF und der Weltbank – ein Schuldenerlass gewährt werden. Im Gegenzug würden diese sich verpflichten, ihre Wirtschaftspolitik und neu gewonnene Finanzmittel an Klima- und Entwicklungsziele anzupassen.
Offizielle Gläubigerinnen und Gläubiger aus Europa, den Vereinigten Staaten und China sowie multilaterale Finanzinstitutionen würden einen Schuldenerlass anbieten. Private Gläubigerinnen und Gläubiger müssten bestehende Schuldenpapiere gegen ein geringeres Volumen an grünen Recovery Bonds eintauschen. Unterdessen könnten Länder mit nachhaltigeren Schuldenprofilen, die mit pandemiebedingten fiskalischen Engpässen konfrontiert sind, Schulden-für-Klimaschutz- oder Schulden-für-Naturschutz-Swaps eingehen.
Eine derartige Initiative könnte von den G20 koordiniert und von einem interinstitutionellen Lenkungsausschuss überwacht werden, dem öffentliche und private Gläubigerinnen und Gläubiger, die Vereinten Nationen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Zivilgesellschaft angehören. Entscheidend ist, dass damit Mittel für klimafreundliche Gesundheits- und Konjunkturausgaben in jenen Entwicklungs- und Schwellenländern zur Verfügung stehen, die sie am dringendsten brauchen.
Heutzutage sind die großen internationalen Gläubigerinnen und Gläubiger darauf erpicht, ihr Engagement für Klimastabilität zu betonen. China, der mittlerweile weltgrößte bilaterale Gläubiger, hat kürzlich zugesagt, bis 2060 CO2-neutral sein zu wollen, während der designierte US-Präsident Joe Biden möchte, dass die USA dieses Ziel 2050 erreichen. Ebenso erklärt das Institute of International Finance, das die privaten Inhaberinnen und Inhaber von Anleihen vertritt, für Klimaschutz und Umweltschutz sowie für eine sozial gerechte Finanzierung einzutreten.
Die politischen Führungen der reichen Länder haben nun die einmalige Gelegenheit, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Die Entwicklungsländer können nur dann die Coronakrise hinter sich lassen und einen grünen Weg zum Wohlstand beschreiten, wenn sich ihre Gläubigerinnen und Gläubiger auf eine Welt nach der Pandemie einlassen. Eine mutigere, auf globaler Solidarität beruhende neue Initiative für einen Schuldenerlass kann dazu beitragen, den jüngsten Anstieg der weltweiten Armut umzukehren, schädliche Ungleichheiten zu verringern und unseren Planeten für künftige Generationen zu erhalten.