pa2980c.jpg Paul Lachine

Völlig verblendet

NEW YORK – Am Abend des 23. März werden 1,3 Milliarden Menschen um 20:30 Uhr und um 21:30 Uhr und um 22:30 Uhr und den Rest der Nacht ohne Licht auskommen müssen – genau wie in jeder anderen Nacht des Jahres. Ohne Zugang zur Stromversorgung ist Dunkelheit nach Sonnenuntergang für diese Menschen eine feste Größe.

Am selben Abend wird sich eine andere Milliarde Menschen an der Umweltaktion „Earth Hour“ beteiligen und zwischen 20:30 Uhr und 21:30 Uhr das Licht ausschalten.

Die Organisatoren behaupten, auf diese Weise böte sich eine Möglichkeit, seinem Wunsch Ausdruck zu verleihen „etwas gegen die Klimaerwärmung zu tun“. Fakt ist allerdings, dass wir genau die falschen Lehren aus der Earth Hour ziehen und sich die CO2-Emissionen durch die Aktion erhöhen. Es mag ein Gefühl der Tugendhaftigkeit aufkommen, doch die nutzlose Symbolhaftigkeit der Aktion offenbart genau, was am Wohlfühl-Umweltbewusstsein von heute nicht stimmt.

Die Earth Hour lehrt uns, dass es einfach ist die Erderwärmung zu bekämpfen. Dabei ist das einzige, was passiert, wenn wir das Licht ausschalten, dass wir im Dunklen tappen.

Bedenken Sie, dass Sie nicht gebeten wurden etwas auszuschalten, dass wirklich unbequem wäre, wie etwa Ihre Heizung oder die Klimaanlage, den Fernseher, den Computer, das Handy oder eine andere der unzähligen Technologien, die kostengünstig und reichlich mit Energie versorgt werden müssen und unser modernes Leben ermöglichen. Wenn es wirklich nützlich wäre, eine Stunde pro Jahr das Licht auszuschalten, warum sollten wir es dann in den restlichen 8.759 nicht auch tun?

Hypothetisch betrachtet würden die CO2-Emissionen von Kraftwerken auf aller Welt sinken, wenn wir eine Stunde lang das Licht ausschalten. Doch selbst wenn alle Menschen auf der ganzen Welt das gesamte Licht in ihrem Haushalt ausschalten und dies komplett in eine Verringerung des CO2-Ausstoßes umgerechnet würde, wäre es genauso, als würde China seine CO2-Emissionen für weniger als vier Minuten unterbrechen. Tatsächlich wird die Earth Hour die Emissionen steigen lassen.

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Der britische Übertragungsnetzbetreiber National Grid ist zu dem Ergebnis gelangt, dass ein leichter Rückgang im Stromverbrauch nicht bedeutet, dass weniger Energie ins Stromnetz eingespeist wird und die Emissionen somit nicht reduziert werden. Desweiteren würde ein deutlicher Rückgang der Stromnachfrage während der Earth Hour zwar zu einer Reduktion der CO2-Emissionen während dieser Stunde führen, diese würde aber durch das anschließende Hochfahren von Kohle- oder Ölkraftwerken, um erneut eine ausreichende Stromversorgung zu gewährleisten aufgehoben.

Und die gemütlichen Kerzen, die viele Teilnehmer anzünden werden, die so natürlich und so umweltfreundlich scheinen, sind immer noch fossile Brennstoffe – und fast 100-mal weniger effizient als eine Glühbirne. Durch die Verwendung einer Kerze für jede ausgeschaltete Glühbirne wird sogar die theoretische CO2-Reduktion aufgehoben; wenn Sie zwei Kerzen anzünden, geben Sie mehr CO2 in die Atmosphäre ab.

Die Menschheit profitiert enorm von Elektrizität. Fast drei Milliarden Menschen verbrennen noch immer Dung, Zweige und anderes traditionelles Brennmaterial in ihren Wohnräumen, um zu kochen und sich zu wärmen. Schätzungen zufolge kommen jedes Jahr zwei Millionen Menschen durch die giftigen Abgase offener Feuerstellen ums Leben, vor allem Frauen und Kinder. Noch vor hundert Jahren hat die Durchschnittsfamilie in Amerika sechs Stunden pro Woche damit zugebracht, sechs Tonnen Kohle in den Ofen zu schaufeln (ganz zu schweigen von der Zeit, die es gekostet hat, Teppiche, Möbel, Vorhänge und Bettwäsche vom Kohlenstaub zu befreien). In der entwickelten Welt von heute haben Elektroherde und Heizungen die Luftverschmutzung aus den Innenräumen verbannt.

Elektrizität hat es uns auch ermöglicht, weite Teile unserer Arbeitswelt zu mechanisieren und erspart uns viel Knochenarbeit. Die Waschmaschine hat Frauen von der Last befreit, endlose Stunden mit dem Herbeischaffen von Wasser und dem Bearbeiten der Wäsche auf Waschbrettern verbringen zu müssen. Wir haben es dem Kühlschrank zu verdanken, dass wir mehr Obst und Gemüse essen können und keine verdorbenen Lebensmittel mehr essen müssen, was der Hauptgrund dafür ist, dass die häufigste Krebserkrankung bei Männern in den USA der 1930er-Jahre, Magenkrebs, heute die am wenigsten verbreitete ist.

Elektrizität hat es uns ermöglicht, Felder zu bewässern und Düngemittel aus der Luft zu synthetisieren. Elektrisches Licht ermöglicht uns ein aktives, produktives Leben nach Sonnenuntergang. Der Strom, den Menschen in reichen Ländern verbrauchen, entspricht, im Durchschnitt, der Energie von 56 Angestellten, die ihnen helfen. Sogar Menschen in Afrika südlich der Sahara verfügen über Elektrizität, die etwa drei Angestellten entsprechen würde. Sie brauchen mehr davon, nicht weniger.

Das ist nicht nur für die Armen der Welt von Bedeutung. Aufgrund steigender Energiepreise durch die Subvention erneuerbarer Energien können 800.000 Haushalte in Deutschland ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen. In Großbritannien sind inzwischen über fünf Millionen Menschen von Energiearmut betroffen, und die britische Regulierungsbehörde für die Energiewirtschaft sorgt sich öffentlich, dass Umweltziele in weniger als neun Monaten zu Stromausfällen führen könnten.

Gegenwärtig produzieren wir nur einen kleinen Bruchteil der Energie, die wir benötigen aus Sonne und Wind – 0,7% Energie aus Windkraft und nur 0,1% Sonnenenergie. Diese Technologien sind derzeit zu teuer. Und unzuverlässig sind sie auch (wir haben immer noch keine Ahnung, was wir machen sollen, wenn kein Wind weht). Schätzungen der Internationalen Energieagentur zufolge, die auf durchaus optimistischen Annahmen beruhen, werden wir bis zum Jahr 2035 lediglich 2,4% unserer Energie durch Wind und 0,8% durch Sonnenkraft produzieren.

Auf dem Weg zu einer ökologischen Umgestaltung der weltweiten Energiewirtschaft sollten wir die veraltete Subventionspolitik für Sonnen- und Windenergie aufgeben – eine Politik, die seit 20 Jahren scheitert und in den kommenden 22 Jahren scheitern wird. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren neue, effizientere grüne Technologien zu erfinden, die fossilen Energieträgern überlegen sind.

Wenn wir wirklich eine nachhaltige Zukunft für die Menschheit und unseren Planeten wollen, sollten wir uns nicht in die Dunkelheit zurückversetzen. Den Klimawandel zu bekämpfen, indem wir das Licht ausschalten und unser Abendessen bei Kerzenschein einnehmen, hat den Beigeschmack von „sollen sie doch Kuchen essen“ – eine Herangehensweise an die Probleme dieser Welt, die nur bei komfortabel mit Strom versorgten Eliten Anklang findet.

Die Konzentration auf grüne Forschung & Entwicklung fühlt sich vielleicht nicht so gut an, wie ein globales Stelldichein mit Taschenlampen und guten Absichten, ist aber die deutlich bessere Idee.

Aus dem Englischen von Sandra Pontow.

https://prosyn.org/QvgikOyde