Mit ihren 192 Mitgliedern und einem Mandat, das alles von der Sicherheit über Flüchtlinge bis hin zur öffentlichen Gesundheit abdeckt, sind die Vereinten Nationen die einzig globale Organisation der Welt. Laut Umfragen in den Vereinigten Staaten jedoch sind zwei Drittel aller Amerikaner der Ansicht, die UNO mache ihre Sache schlecht, und viele meinen, das sie durch die Korruption im Rahmen des Programms „Öl für Lebensmittel“ mit dem Irak Saddam Husseins beschädigt worden sei. Viele werfen der UNO zudem vor, dass sie keine Lösung für die zahllosen Probleme des Nahen Ostens gefunden habe.
Derartige Ansichten freilich verkennen das Wesen der UNO. Sie ist mehr Instrument ihrer Mitgliedsstaaten als unabhängiger Akteur im Bereich der Weltpolitik.
Sicher, UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon kann Reden halten, Sitzungen einberufen und Maßnahmen vorschlagen, aber seine Rolle ist eher die eines Sekretärs als eines Generals. Der manchmal mit einem „weltlichen Papst“ verglichene UNO-Generalsekretär kann die weiche Macht der Überredung einsetzen, doch er hat kaum harte wirtschaftliche oder militärische Macht.
Was die UNO an harter Macht besitzt, muss sie sich von den Mitgliedsstaaten zusammenbetteln oder -borgen. Und wenn diese sich nicht auf eine Vorgehensweise einigen können, erschwert dies den Betrieb der Organisation. Wie hat es doch ein Witzbold einmal formuliert: „Wir haben die UNO kennen gelernt, und wir sind es selbst!“ Wo es um Schuldzuweisungen geht, gebühren diese zum großen Teil den Mitgliedern.
Man betrachte z.B. das Programm „Öl für Lebensmittel“, das von den Mitgliedsstaaten konzipiert wurde, um den unter den gegen das Regime Saddam Husseins gerichteten Sanktionen leidenden Irakern zu helfen. Das UNO-Sekretariat hat bei der Überwachung des Programms mangelhafte Arbeit geleistet, und es gab ein gewisses Maß an Korruption. Die viel größeren Summen jedoch, die Saddam für eigene Zwecke abzweigte, spiegelten die Art und Weise wider, in der die Regierungen der Mitgliedsstaaten das Programm konzipiert hatten; und diese entschieden sich, den Missbrauch wissentlich zu ignorieren. In der Presse jedoch wird die Sache dargestellt, als wären die Probleme des Programms „Schuld der UNO“.
Die Kosten des gesamten UNO-Systems belaufen sich auf etwa 20 Milliarden Dollar – weniger als an der Wall Street in einem guten Jahr an Jahresboni ausgezahlt wird. Davon entfallen bloße 10% auf das UNO-Sekretariat in New York. Einige Universitäten haben größere Budgets.
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Mit weiteren sieben Milliarden Dollar werden UNO-Friedenstruppen an Orten wie der Demokratischen Republik Kongo, dem Libanon, Haiti und dem Balkan unterstützt. Der Rest – mehr als die Hälfte – wird von den spezialisierten Agenturen der UNO ausgegeben, die auf der ganzen Welt verteilt sind und häufig eine wichtige Rolle bei der Regelung des Welthandels, der Entwicklung, der Gesundheit und der humanitären Hilfe spielen.
Das UNO-Flüchtlingskommissariat etwa hilft, die Probleme von Flüchtlingen und Vertriebenen zu lindern, das Welternährungsprogramm hilft unterernährten Kindern, und die Weltgesundheitsorganisation unterstützt die Informationssysteme im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die bei der Bekämpfung von Bedrohungen durch Pandemien wie etwa der Vogelgrippe von entscheidender Bedeutung sind. Die UNO verfügt nicht über ausreichende Ressourcen, um die Probleme in neuen Bereichen wie AIDS oder dem globalen Klimawandel zu lösen, aber sie kann eine wichtige Rolle dabei spielen, die Regierungen der Mitgliedsstaaten zum Handeln zu bewegen.
Selbst im Bereich der Sicherheit spielt die UNO weiterhin eine wichtige Rolle. Das ursprüngliche Konzept der kollektiven Sicherheit aus dem Jahre 1945, laut welchem Staaten sich zusammenschließen sollten, um Aggressoren abzuschrecken und zu bestrafen, scheiterte, weil sich die Sowjetunion und der Westen im Kalten Krieg in die Haare gerieten.
Für einen kurzen Moment – nachdem eine breit gefächerte Koalition von Ländern im Jahre 1991 Saddam Hussain aus Kuwait herausdrängte – sah es so aus, als würde dieses ursprüngliche Konzept der kollektiven Sicherheit als „neue Weltordnung“ verwirklicht. Doch derartige Hoffnungen waren nur von kurzer Dauer. Sowohl 1999 in der Frage des Kosovo als auch 2003 im Irak ließ sich innerhalb der UNO kein Einvernehmen erzielen.
Skeptiker schlossen daraus, dass die UNO in Sicherheitsfragen irrelevant geworden sei. Doch 2006, als Israel und die Hisbollah einander bei den Kämpfen im Libanon gegenseitig patt setzten, waren die Mitgliedsstaaten nur allzu gern bereit, eine UNO-Friedenstruppe zu beauftragen.
Ironischerweise werden friedenserhaltende Maßnahmen in der ursprünglichen UNO-Charta gar nicht erwähnt. Sie wurden vom zweiten UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjold und dem kanadischen Außenminister Lester Pearson erdacht, nachdem Großbritannien und Frankreich während der Suezkrise 1956 in Ägypten einmarschierten. Seit damals wurden mehr als 60 Mal UNO-Friedenstruppen eingesetzt.
Heute gibt es weltweit etwa 100.000 UNO-Blauhelme. Die Friedenssicherung hatte ihre Höhen und Tiefen. Sie scheiterte in den 1990er Jahren in Bosnien und Ruanda; danach schlug Generalsekretär Kofi Annan Reformen vor, um Völkermord und Massentötungen zu begegnen.
Im September 2005 erkannten die Mitgliedsstaaten in der UNO-Generalversammlung die Existenz einer „Verantwortung zum Schutz“ gefährdeter Völker an. Mit anderen Worten: Die Regierungen konnten ihre Bürger nicht länger nach eigenem Gutdünken behandeln.
Es wurde außerdem eine neue Kommission für Friedensschaffung ins Leben gerufen, um Maßnahmen zu koordinieren, die zur Verhinderung neuerlicher Völkermordshandlungen betragen könnten. In Ost-Timor etwa erwies sich die UNO als unverzichtbar beim Übergang zur Unabhängigkeit, und sie ist gegenwärtig dabei, Pläne für die Regierungen von Burundi und Sierra Leone zu erstellen. In der Demokratischen Republik Kongo haben es die Friedenstruppen bisher nicht geschafft, der Gewalt völlig Einhalt zu bieten, aber sie haben dazu beigetragen, Leben zu retten. Der aktuelle Testfall ist die Situation in der Region Darfur im Sudan, wo Diplomaten bemüht sind, eine unter dem gemeinsamen Kommando von UNO und Afrikanischer Union stehende Friedenstruppe aufzustellen.
In der vergifteten politischen Atmosphäre, die die UNO seit dem Irakkrieg quält, kann eine allgemeine Desillusionierung nicht überraschen. Ban Ki Moon steht vor einer schweren Aufgabe. Doch statt die UNO in Frage zu stellen, werden die Mitgliedsstaaten vermutlich erkennen, dass sie ein derartiges globales Instrument mit seinen einzigartigen Fähigkeiten zur Zusammenrufung und zur Legitimierung brauchen. Zwar ist die UNO alles andere als perfekt, doch wäre die Welt ohne sie ärmer und weniger geordnet.
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The United States is not a monarchy, but a federal republic. States and cities controlled by Democrats represent half the country, and they can resist Donald Trump’s overreach by using the tools of progressive federalism, many of which were sharpened during his first administration.
see Democrat-controlled states as a potential check on Donald Trump’s far-right agenda.
Though the United States has long led the world in advancing basic science and technology, it is hard to see how this can continue under President Donald Trump and the country’s ascendant oligarchy. America’s rejection of Enlightenment values will have dire consequences.
predicts that Donald Trump’s second administration will be defined by its rejection of Enlightenment values.
Mit ihren 192 Mitgliedern und einem Mandat, das alles von der Sicherheit über Flüchtlinge bis hin zur öffentlichen Gesundheit abdeckt, sind die Vereinten Nationen die einzig globale Organisation der Welt. Laut Umfragen in den Vereinigten Staaten jedoch sind zwei Drittel aller Amerikaner der Ansicht, die UNO mache ihre Sache schlecht, und viele meinen, das sie durch die Korruption im Rahmen des Programms „Öl für Lebensmittel“ mit dem Irak Saddam Husseins beschädigt worden sei. Viele werfen der UNO zudem vor, dass sie keine Lösung für die zahllosen Probleme des Nahen Ostens gefunden habe.
Derartige Ansichten freilich verkennen das Wesen der UNO. Sie ist mehr Instrument ihrer Mitgliedsstaaten als unabhängiger Akteur im Bereich der Weltpolitik.
Sicher, UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon kann Reden halten, Sitzungen einberufen und Maßnahmen vorschlagen, aber seine Rolle ist eher die eines Sekretärs als eines Generals. Der manchmal mit einem „weltlichen Papst“ verglichene UNO-Generalsekretär kann die weiche Macht der Überredung einsetzen, doch er hat kaum harte wirtschaftliche oder militärische Macht.
Was die UNO an harter Macht besitzt, muss sie sich von den Mitgliedsstaaten zusammenbetteln oder -borgen. Und wenn diese sich nicht auf eine Vorgehensweise einigen können, erschwert dies den Betrieb der Organisation. Wie hat es doch ein Witzbold einmal formuliert: „Wir haben die UNO kennen gelernt, und wir sind es selbst!“ Wo es um Schuldzuweisungen geht, gebühren diese zum großen Teil den Mitgliedern.
Man betrachte z.B. das Programm „Öl für Lebensmittel“, das von den Mitgliedsstaaten konzipiert wurde, um den unter den gegen das Regime Saddam Husseins gerichteten Sanktionen leidenden Irakern zu helfen. Das UNO-Sekretariat hat bei der Überwachung des Programms mangelhafte Arbeit geleistet, und es gab ein gewisses Maß an Korruption. Die viel größeren Summen jedoch, die Saddam für eigene Zwecke abzweigte, spiegelten die Art und Weise wider, in der die Regierungen der Mitgliedsstaaten das Programm konzipiert hatten; und diese entschieden sich, den Missbrauch wissentlich zu ignorieren. In der Presse jedoch wird die Sache dargestellt, als wären die Probleme des Programms „Schuld der UNO“.
Die Kosten des gesamten UNO-Systems belaufen sich auf etwa 20 Milliarden Dollar – weniger als an der Wall Street in einem guten Jahr an Jahresboni ausgezahlt wird. Davon entfallen bloße 10% auf das UNO-Sekretariat in New York. Einige Universitäten haben größere Budgets.
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Das UNO-Flüchtlingskommissariat etwa hilft, die Probleme von Flüchtlingen und Vertriebenen zu lindern, das Welternährungsprogramm hilft unterernährten Kindern, und die Weltgesundheitsorganisation unterstützt die Informationssysteme im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die bei der Bekämpfung von Bedrohungen durch Pandemien wie etwa der Vogelgrippe von entscheidender Bedeutung sind. Die UNO verfügt nicht über ausreichende Ressourcen, um die Probleme in neuen Bereichen wie AIDS oder dem globalen Klimawandel zu lösen, aber sie kann eine wichtige Rolle dabei spielen, die Regierungen der Mitgliedsstaaten zum Handeln zu bewegen.
Selbst im Bereich der Sicherheit spielt die UNO weiterhin eine wichtige Rolle. Das ursprüngliche Konzept der kollektiven Sicherheit aus dem Jahre 1945, laut welchem Staaten sich zusammenschließen sollten, um Aggressoren abzuschrecken und zu bestrafen, scheiterte, weil sich die Sowjetunion und der Westen im Kalten Krieg in die Haare gerieten.
Für einen kurzen Moment – nachdem eine breit gefächerte Koalition von Ländern im Jahre 1991 Saddam Hussain aus Kuwait herausdrängte – sah es so aus, als würde dieses ursprüngliche Konzept der kollektiven Sicherheit als „neue Weltordnung“ verwirklicht. Doch derartige Hoffnungen waren nur von kurzer Dauer. Sowohl 1999 in der Frage des Kosovo als auch 2003 im Irak ließ sich innerhalb der UNO kein Einvernehmen erzielen.
Skeptiker schlossen daraus, dass die UNO in Sicherheitsfragen irrelevant geworden sei. Doch 2006, als Israel und die Hisbollah einander bei den Kämpfen im Libanon gegenseitig patt setzten, waren die Mitgliedsstaaten nur allzu gern bereit, eine UNO-Friedenstruppe zu beauftragen.
Ironischerweise werden friedenserhaltende Maßnahmen in der ursprünglichen UNO-Charta gar nicht erwähnt. Sie wurden vom zweiten UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjold und dem kanadischen Außenminister Lester Pearson erdacht, nachdem Großbritannien und Frankreich während der Suezkrise 1956 in Ägypten einmarschierten. Seit damals wurden mehr als 60 Mal UNO-Friedenstruppen eingesetzt.
Heute gibt es weltweit etwa 100.000 UNO-Blauhelme. Die Friedenssicherung hatte ihre Höhen und Tiefen. Sie scheiterte in den 1990er Jahren in Bosnien und Ruanda; danach schlug Generalsekretär Kofi Annan Reformen vor, um Völkermord und Massentötungen zu begegnen.
Im September 2005 erkannten die Mitgliedsstaaten in der UNO-Generalversammlung die Existenz einer „Verantwortung zum Schutz“ gefährdeter Völker an. Mit anderen Worten: Die Regierungen konnten ihre Bürger nicht länger nach eigenem Gutdünken behandeln.
Es wurde außerdem eine neue Kommission für Friedensschaffung ins Leben gerufen, um Maßnahmen zu koordinieren, die zur Verhinderung neuerlicher Völkermordshandlungen betragen könnten. In Ost-Timor etwa erwies sich die UNO als unverzichtbar beim Übergang zur Unabhängigkeit, und sie ist gegenwärtig dabei, Pläne für die Regierungen von Burundi und Sierra Leone zu erstellen. In der Demokratischen Republik Kongo haben es die Friedenstruppen bisher nicht geschafft, der Gewalt völlig Einhalt zu bieten, aber sie haben dazu beigetragen, Leben zu retten. Der aktuelle Testfall ist die Situation in der Region Darfur im Sudan, wo Diplomaten bemüht sind, eine unter dem gemeinsamen Kommando von UNO und Afrikanischer Union stehende Friedenstruppe aufzustellen.
In der vergifteten politischen Atmosphäre, die die UNO seit dem Irakkrieg quält, kann eine allgemeine Desillusionierung nicht überraschen. Ban Ki Moon steht vor einer schweren Aufgabe. Doch statt die UNO in Frage zu stellen, werden die Mitgliedsstaaten vermutlich erkennen, dass sie ein derartiges globales Instrument mit seinen einzigartigen Fähigkeiten zur Zusammenrufung und zur Legitimierung brauchen. Zwar ist die UNO alles andere als perfekt, doch wäre die Welt ohne sie ärmer und weniger geordnet.