CAMBRIDGE/NEW YORK – Die Verbesserung der Energieeffizienz ist ohne Frage eine gute Sache. Effizienz sollte allerdings nicht mit Energiesuffizienz verwechselt werden, die eine Einschränkung des Energieverbrauchs erfordert und eng mit der Postwachstumsbewegung verbunden ist. Wenn wir den Klimawandel bekämpfen wollen, können wir nicht einfach weniger machen; wir müssen aus weniger mehr machen.
Während der Corona-Lockdowns zogen sich die Menschen aus den Betrieben zurück und die weltweiten CO2 -Emissionen nahmen stark ab. Später machte Russlands Angriff auf die Ukraine uns bewusst, wie gefährdet die Energiesicherheit in Europa ist. Auch aufgrund dieser Erfahrungen ist heute die Vorstellung verbreitet, Energiesuffizienz – und damit verbunden eine Beschränkung des Wirtschaftswachstums – könnte als Blaupause für die Erreichung unserer Klimaziele dienen. Dieser Denkweise zufolge macht Konsum in unserer Hyperkonsumgesellschaft immer weniger glücklich, was bedeutet, dass Minimalismus eine doppelte Dividende bereithält: Umweltschutz und ein besseres Leben für jeden Einzelnen. Gemäß diesem Ansatz dürfen reiche Länder nicht länger nach Wirtschaftswachstum streben. Allerdings geben sogar die strengsten Wachstumskritiker zu, dass ärmere Länder nur durch mehr Konsum und mehr Investitionen die Armut überwinden können.
Das klingt nicht nur zu gut, um wahr zu sein, es ist es auch. Zunächst ein paar Klarstellungen. Wachstumskritiker fordern, dass nicht einfach anders, sondern dass in absoluten Zahlen weniger konsumiert wird. Allerdings sind Änderungen des Konsumverhaltens, z. B. der Verzicht aufs eigene Auto und der Umstieg aufs Dienstfahrrad, eine Konstante in der menschlichen Geschichte und genau das, was Strategien für grünes Wachstum erreichen sollen. Es ist natürlich nichts falsch daran, es langsamer angehen zu lassen, freiwillig auf Einkommen zu verzichten (und dabei, wie es scheint, inneren Frieden zu finden). Wir dürfen aber nicht glauben, dass diese Strategie das Mittel gegen den Klimawandel darstellt.
Machen wir ein einfaches Gedankenexperiment. Beginnen wir mit einer stabilen Weltwirtschaft, die weder wächst noch schrumpft, und einer jährlichen Senkung der CO2 -Emissionen um 2,4 %. Das sind die Mittelwerte der letzten zwanzig Jahre, die wir auf der Grundlage von Wirtschafszahlen des Internationalen Währungsfonds und Emissionsdaten des Global Carbon Project berechnet haben. In diesem Szenario würden die weltweiten CO2-Emissionen bis 2050 um 48 % sinken. Diese hypothetische Weltwirtschaft wäre vom Ziel der Klimaneutralität zwar immer noch weit entfernt, aber fast doppelt so kohlenstoffeffizient wie die heutige Wirtschaft.
Stellen wir uns jetzt vor, wir müssten unsere Emissionen ausschließlich durch eine Minderung der Wirtschaftsleistung senken. Für dasselbe Ergebnis – die annähernde Halbierung der globalen CO2-Emissionen – müsste das BIP in den nächsten dreißig Jahren jedes Jahr weltweit um 5 % schrumpfen. Zum Vergleich: im Jahr 2020, auf der Höhe der Pandemie, ging das globale BIP um 2,7 % zurück. Die Lockdowns waren ein erfolgreiches Instrument, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, zur Minderung der CO2-Emissionen waren sie ein denkbar schlechtes Mittel.
Wenn wir dieses Gedankenexperiment auf reiche Länder beschränken, wie es die allermeisten Wachstumskritiker fordern, wird aus einem schwachen ein absurdes Argument. Die Wirtschaftsleistung in den G7-Staaten müsste allein 2024 um 17 % schrumpfen, gefolgt von jährlichen Schocks in der Größenordnung der Weltwirtschaftskrise. Schon 2030 würde die Kaufkraft in den G7-Ländern ungefähr derjenigen im heutigen Sudan entsprechen. Wie viele klimabewusste Verbraucher im Westen würden sich damit begnügen?
Außerdem hat dieses Gedankenspiel natürlich Grenzen. Unserer Hypothese liegt eine Wirtschaft mit Nullwachstum zugrunde. Allerdings ist das globale Pro-Kopf-BIP in den letzten beiden Jahrzehnten jährlich um 6,8 % gewachsen. In Kombination mit dem Bevölkerungswachstum hat dieses stetige Wachstum dazu geführt, dass die CO2-Emmission nicht gefallen, sondern im Gegenteil weiter gestiegen sind. Die Klimawende können wir nur durch den Umstieg auf saubere Energien sowie saubere Verkehrssysteme und eine saubere Industrie schaffen. Außerdem erfordert der für die Klimaneutralität nötige Umbau Investitionen in Höhe von Billionen von US-Dollar, die das Wirtschaftswachstum nicht mindern, sondern erhöhen.
Das soll nicht heißen, dass eine Erhöhung der Energieeffizienz überhaupt nichts bringt. 2007 wurde in den USA ein Gesetz verabschiedet, durch das herkömmliche Glühbirnen nach und nach ersetzt wurden. Wie McKinseys berühmte Grenzkostenkurve aus dem 2010 zeigt, hat der Umstieg von Glühbirnen auf LED-Lampen zu erheblichen finanziellen Einsparungen geführt. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieser Umstieg automatisch stattgefunden hätte. Aber es zeigt, dass sich diese Maßnahme selbst finanziert hat und die Amerikaner das gesparte Geld nach Belieben ausgeben oder sparen konnten. In jedem Fall war Wirtschaftswachstum unvermeidlich.
Das Wachstumspotenzial großflächiger Effizienzsteigerungen ist wesentlich größer als das des Umstiegs auf LED-Lampen. Begrenzte Ressourcen effizienter zu nutzen ist ja die Definition wirtschaftlicher Produktivität, die ihrerseits zu mehr Wachstum führt. Und wenn wir den klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft beschleunigen wollen, müssen wir grüne Technologien wesentlich schneller ausbauen als bisher. Um die Klimakatastrophe noch zu verhindern, brauchen wir mehr Wachstum. Nicht weil ein ständig steigendes BIP – an sich schon eine grundsätzlich inadäquate Kennzahl – ein Ziel an sich wäre, sondern weil es sich einfach ergibt, wenn wir unsere Emissionen schnell genug senken.
CAMBRIDGE/NEW YORK – Die Verbesserung der Energieeffizienz ist ohne Frage eine gute Sache. Effizienz sollte allerdings nicht mit Energiesuffizienz verwechselt werden, die eine Einschränkung des Energieverbrauchs erfordert und eng mit der Postwachstumsbewegung verbunden ist. Wenn wir den Klimawandel bekämpfen wollen, können wir nicht einfach weniger machen; wir müssen aus weniger mehr machen.
Während der Corona-Lockdowns zogen sich die Menschen aus den Betrieben zurück und die weltweiten CO2 -Emissionen nahmen stark ab. Später machte Russlands Angriff auf die Ukraine uns bewusst, wie gefährdet die Energiesicherheit in Europa ist. Auch aufgrund dieser Erfahrungen ist heute die Vorstellung verbreitet, Energiesuffizienz – und damit verbunden eine Beschränkung des Wirtschaftswachstums – könnte als Blaupause für die Erreichung unserer Klimaziele dienen. Dieser Denkweise zufolge macht Konsum in unserer Hyperkonsumgesellschaft immer weniger glücklich, was bedeutet, dass Minimalismus eine doppelte Dividende bereithält: Umweltschutz und ein besseres Leben für jeden Einzelnen. Gemäß diesem Ansatz dürfen reiche Länder nicht länger nach Wirtschaftswachstum streben. Allerdings geben sogar die strengsten Wachstumskritiker zu, dass ärmere Länder nur durch mehr Konsum und mehr Investitionen die Armut überwinden können.
Das klingt nicht nur zu gut, um wahr zu sein, es ist es auch. Zunächst ein paar Klarstellungen. Wachstumskritiker fordern, dass nicht einfach anders, sondern dass in absoluten Zahlen weniger konsumiert wird. Allerdings sind Änderungen des Konsumverhaltens, z. B. der Verzicht aufs eigene Auto und der Umstieg aufs Dienstfahrrad, eine Konstante in der menschlichen Geschichte und genau das, was Strategien für grünes Wachstum erreichen sollen. Es ist natürlich nichts falsch daran, es langsamer angehen zu lassen, freiwillig auf Einkommen zu verzichten (und dabei, wie es scheint, inneren Frieden zu finden). Wir dürfen aber nicht glauben, dass diese Strategie das Mittel gegen den Klimawandel darstellt.
Machen wir ein einfaches Gedankenexperiment. Beginnen wir mit einer stabilen Weltwirtschaft, die weder wächst noch schrumpft, und einer jährlichen Senkung der CO2 -Emissionen um 2,4 %. Das sind die Mittelwerte der letzten zwanzig Jahre, die wir auf der Grundlage von Wirtschafszahlen des Internationalen Währungsfonds und Emissionsdaten des Global Carbon Project berechnet haben. In diesem Szenario würden die weltweiten CO2-Emissionen bis 2050 um 48 % sinken. Diese hypothetische Weltwirtschaft wäre vom Ziel der Klimaneutralität zwar immer noch weit entfernt, aber fast doppelt so kohlenstoffeffizient wie die heutige Wirtschaft.
Stellen wir uns jetzt vor, wir müssten unsere Emissionen ausschließlich durch eine Minderung der Wirtschaftsleistung senken. Für dasselbe Ergebnis – die annähernde Halbierung der globalen CO2-Emissionen – müsste das BIP in den nächsten dreißig Jahren jedes Jahr weltweit um 5 % schrumpfen. Zum Vergleich: im Jahr 2020, auf der Höhe der Pandemie, ging das globale BIP um 2,7 % zurück. Die Lockdowns waren ein erfolgreiches Instrument, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, zur Minderung der CO2-Emissionen waren sie ein denkbar schlechtes Mittel.
Wenn wir dieses Gedankenexperiment auf reiche Länder beschränken, wie es die allermeisten Wachstumskritiker fordern, wird aus einem schwachen ein absurdes Argument. Die Wirtschaftsleistung in den G7-Staaten müsste allein 2024 um 17 % schrumpfen, gefolgt von jährlichen Schocks in der Größenordnung der Weltwirtschaftskrise. Schon 2030 würde die Kaufkraft in den G7-Ländern ungefähr derjenigen im heutigen Sudan entsprechen. Wie viele klimabewusste Verbraucher im Westen würden sich damit begnügen?
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Außerdem hat dieses Gedankenspiel natürlich Grenzen. Unserer Hypothese liegt eine Wirtschaft mit Nullwachstum zugrunde. Allerdings ist das globale Pro-Kopf-BIP in den letzten beiden Jahrzehnten jährlich um 6,8 % gewachsen. In Kombination mit dem Bevölkerungswachstum hat dieses stetige Wachstum dazu geführt, dass die CO2-Emmission nicht gefallen, sondern im Gegenteil weiter gestiegen sind. Die Klimawende können wir nur durch den Umstieg auf saubere Energien sowie saubere Verkehrssysteme und eine saubere Industrie schaffen. Außerdem erfordert der für die Klimaneutralität nötige Umbau Investitionen in Höhe von Billionen von US-Dollar, die das Wirtschaftswachstum nicht mindern, sondern erhöhen.
Das soll nicht heißen, dass eine Erhöhung der Energieeffizienz überhaupt nichts bringt. 2007 wurde in den USA ein Gesetz verabschiedet, durch das herkömmliche Glühbirnen nach und nach ersetzt wurden. Wie McKinseys berühmte Grenzkostenkurve aus dem 2010 zeigt, hat der Umstieg von Glühbirnen auf LED-Lampen zu erheblichen finanziellen Einsparungen geführt. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieser Umstieg automatisch stattgefunden hätte. Aber es zeigt, dass sich diese Maßnahme selbst finanziert hat und die Amerikaner das gesparte Geld nach Belieben ausgeben oder sparen konnten. In jedem Fall war Wirtschaftswachstum unvermeidlich.
Das Wachstumspotenzial großflächiger Effizienzsteigerungen ist wesentlich größer als das des Umstiegs auf LED-Lampen. Begrenzte Ressourcen effizienter zu nutzen ist ja die Definition wirtschaftlicher Produktivität, die ihrerseits zu mehr Wachstum führt. Und wenn wir den klimaneutralen Umbau unserer Wirtschaft beschleunigen wollen, müssen wir grüne Technologien wesentlich schneller ausbauen als bisher. Um die Klimakatastrophe noch zu verhindern, brauchen wir mehr Wachstum. Nicht weil ein ständig steigendes BIP – an sich schon eine grundsätzlich inadäquate Kennzahl – ein Ziel an sich wäre, sondern weil es sich einfach ergibt, wenn wir unsere Emissionen schnell genug senken.