BRÜSSEL – Die Eurokrise scheint im Wesentlichen vorbei zu sein. Die Risikoaufschläge fallen weiter auf breiter Front, und zwei Länder – Irland und Portugal – haben ihre Anpassungsprogramme bereits abgeschlossen. Sie können sich nun selbst am Markt finanzieren, und ihre Volkswirtschaften scheinen wieder zu wachsen.
Griechenland dagegen hat nach wie vor Probleme, die Ziele seines Anpassungsprogramms zu erfüllen, und steht in scheinbar endlosen Verhandlungen über ein neuerliches multilaterales Finanzierungspaket. Das Problem lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Exporte (oder vielmehr, Mangel an Exportwachstum).
Die Nachrichten aus Griechenland werden dieser Tage durch die Meldung bestimmt, dass die Regierung 2013 einen primären Haushaltsüberschuss (Haushaltssaldo minus Schuldendienst) erzielt habe. Erstmals in Jahrzehnten war der griechische Staat in der Lage, seine Ausgaben mit seinen eigenen Einnahmen zu bezahlen.
Diese traurige Leistung, die auf seit Jahren rückläufige Marktanteile folgt, ist kaum erklärlich angesichts der Tatsache, dass alle anderen Peripherieländer der Eurozone ein solides Exportwachstum verzeichneten. So erhöhten sich etwa die portugiesischen Exporte in den letzten Jahren um 5-6% jährlich, und dies trotz schwieriger äußerer Bedingungen (Portugals wichtigster Absatzmarkt ist Spanien) und einer Kreditverknappung, die es für Exporteure schwierig machte, eine Finanzierung sicherzustellen.
Daher können weder die schwache Außennachfrage noch ein Mangel an Krediten der Grund für Griechenlands schlechte Exportleistung sein. Auch eine geringe Wettbewerbsfähigkeit ist keine Erklärung, da die realen (inflationsbereinigten) Lohnkosten in den letzten Jahren stärker gefallen sind als in allen anderen Ländern der Eurozone mit Ausnahme Irlands.
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Doch wäre es seltsam, aus der griechischen Erfahrung zu schließen, dass eine Lohndeflation ein nutzloses Instrument zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sei – denn Deutschland, so die allgemeine Annahme, hat von seiner Lohndeflation enorm profitiert hat. Die einzige Erklärung für die schwache Leistung Griechenlands muss daher sein, dass die griechische Volkswirtschaft weiterhin solchen Verzerrungen unterliegt, dass sie auf die Signale sich wandelnder Preise nicht reagiert hat.
Diese mangelnde Anpassungsfähigkeit ist entscheidend. In Irland, Spanien und selbst Portugal sind die Exporte nach dem Zusammenbruch der heimischen Wirtschaft und der damit einhergehenden Lohnanpassungen stark gestiegen. Aber diese Länder waren bereits flexibler und unternahmen in einigen Fällen umfassende Reformen.
In Griechenland dagegen gibt es keinerlei Anzeichen, dass die vielen von der „Troika“ (der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds) durchgesetzten Strukturreformen vor Ort zu echten Verbesserungen geführt haben. Im Gegenteil: Viele Indikatoren für die Effizienz von Regierung und Arbeitsmarkt haben sich sogar verschlechtert.
Das oberflächliche Argument, das Griechenland kaum etwas zu exportieren hat, ist hier irrelevant. Das Problem ist nicht, dass die griechischen Exporte niedrig sind, sondern vielmehr, dass sie nicht gewachsen sind – was insbesondere angesichts des niedrigen Ausgangswerts hätte möglich sein müssen. Vor mehreren Jahren lagen die griechischen Waren- und Dienstleistungsexporte auf einer Höhe mit denen Portugals. Heute sind die Exporte Portugals fast € 20 Milliarden höher. Dies entspricht einem potenziellen Verlust von mehr als 10% der griechischen Produktionsleistung.
Das mangelnde Exportwachstum hat die Rezession in Griechenland daher viel länger und tiefer werden lassen, als sie es andernfalls gewesen wäre. Wären die griechischen Exporte im selben Tempo gestiegen wie die Portugals (oder Spaniens), wäre die Rezession inzwischen vorbei.
Zudem hat das fehlende Exportwachstum die Haushaltsanpassung deutlich erschwert. Höhere Exporte hätten nicht nur die Staatseinnahmen unmittelbar erhöht; sie hätten zudem einen Multiplikatoreffekt auf die Binnenwirtschaft gehabt und dadurch die Einnahmen aus Verbrauchsteuern erhöht.
Griechenland hat jetzt eine ausgeglichene Leistungsbilanz – eine beachtliche Leistung nach den zweistelligen Defiziten (als Anteil vom BIP) noch vor ein paar Jahren. Doch anders als in den anderen Volkswirtschaften der Peripherie der Eurozone wurde diese Verbesserung ausschließlich durch Verringerung der Importe erreicht.
Dies impliziert, dass es keine Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung gibt, solange die Exporte nicht zulegen. Es wird oft argumentiert, dass bei weniger Sparmaßnahmen die Binnennachfrage stärker gewesen wäre. Das mag stimmen, doch hätte eine stärkere Binnennachfrage zu höheren Importen geführt, für die das Land mit höheren Exporten hätte bezahlen müssen, denn eine weitere Anhäufung von Auslandsschulden kann es sich nicht leisten. Keine Exporte, kein Wachstum: Die Finanzierbarkeit der griechischen Schulden hängt letztlich an diesem zentralen Parameter.
Was in Griechenland schiefgegangen ist, war nicht die Haushaltsanpassung. Im Gegenteil: die Sparpolitik war möglicherweise zu erfolgreich (und schmerzhaft). Aber sie war das falsche Ziel.
Das wirklich wichtige Ziel für jedes Land mit einem zweistelligen Leistungsbilanzdefizit, das ein Anpassungsprogramm einleitet, muss Exportwachstum sein. Dass es dieses Ziel verfehlt hat, macht Griechenland zum Sonderfall.
Leider kann die Außenwelt wenig dazu beitragen, dass Griechenland mehr exportiert. Man kann die Regierung zwingen, Verordnungen zu erlassen, und das Parlament unter Druck setzen, jede Art von der Menschheit bekannten Reformgesetzen zu verabschieden. Doch was letztlich zählt, sind die praktische Umsetzung der Reformen und die Reaktion der Volkswirtschaft. Erfolg oder Scheitern eines Anpassungsprogramms entscheiden sich vor Ort, nicht in Brüssel oder Washington.
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BRÜSSEL – Die Eurokrise scheint im Wesentlichen vorbei zu sein. Die Risikoaufschläge fallen weiter auf breiter Front, und zwei Länder – Irland und Portugal – haben ihre Anpassungsprogramme bereits abgeschlossen. Sie können sich nun selbst am Markt finanzieren, und ihre Volkswirtschaften scheinen wieder zu wachsen.
Griechenland dagegen hat nach wie vor Probleme, die Ziele seines Anpassungsprogramms zu erfüllen, und steht in scheinbar endlosen Verhandlungen über ein neuerliches multilaterales Finanzierungspaket. Das Problem lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Exporte (oder vielmehr, Mangel an Exportwachstum).
Die Nachrichten aus Griechenland werden dieser Tage durch die Meldung bestimmt, dass die Regierung 2013 einen primären Haushaltsüberschuss (Haushaltssaldo minus Schuldendienst) erzielt habe. Erstmals in Jahrzehnten war der griechische Staat in der Lage, seine Ausgaben mit seinen eigenen Einnahmen zu bezahlen.
Dies ist in der Tat ein Meilenstein. Doch eine weitere, deutlich wichtigere Meldung hat sehr viel weniger Aufmerksamkeit erregt: Griechenland hat 2013 weniger exportiert als 2012.
Diese traurige Leistung, die auf seit Jahren rückläufige Marktanteile folgt, ist kaum erklärlich angesichts der Tatsache, dass alle anderen Peripherieländer der Eurozone ein solides Exportwachstum verzeichneten. So erhöhten sich etwa die portugiesischen Exporte in den letzten Jahren um 5-6% jährlich, und dies trotz schwieriger äußerer Bedingungen (Portugals wichtigster Absatzmarkt ist Spanien) und einer Kreditverknappung, die es für Exporteure schwierig machte, eine Finanzierung sicherzustellen.
Daher können weder die schwache Außennachfrage noch ein Mangel an Krediten der Grund für Griechenlands schlechte Exportleistung sein. Auch eine geringe Wettbewerbsfähigkeit ist keine Erklärung, da die realen (inflationsbereinigten) Lohnkosten in den letzten Jahren stärker gefallen sind als in allen anderen Ländern der Eurozone mit Ausnahme Irlands.
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Doch wäre es seltsam, aus der griechischen Erfahrung zu schließen, dass eine Lohndeflation ein nutzloses Instrument zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit sei – denn Deutschland, so die allgemeine Annahme, hat von seiner Lohndeflation enorm profitiert hat. Die einzige Erklärung für die schwache Leistung Griechenlands muss daher sein, dass die griechische Volkswirtschaft weiterhin solchen Verzerrungen unterliegt, dass sie auf die Signale sich wandelnder Preise nicht reagiert hat.
Diese mangelnde Anpassungsfähigkeit ist entscheidend. In Irland, Spanien und selbst Portugal sind die Exporte nach dem Zusammenbruch der heimischen Wirtschaft und der damit einhergehenden Lohnanpassungen stark gestiegen. Aber diese Länder waren bereits flexibler und unternahmen in einigen Fällen umfassende Reformen.
In Griechenland dagegen gibt es keinerlei Anzeichen, dass die vielen von der „Troika“ (der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds) durchgesetzten Strukturreformen vor Ort zu echten Verbesserungen geführt haben. Im Gegenteil: Viele Indikatoren für die Effizienz von Regierung und Arbeitsmarkt haben sich sogar verschlechtert.
Das oberflächliche Argument, das Griechenland kaum etwas zu exportieren hat, ist hier irrelevant. Das Problem ist nicht, dass die griechischen Exporte niedrig sind, sondern vielmehr, dass sie nicht gewachsen sind – was insbesondere angesichts des niedrigen Ausgangswerts hätte möglich sein müssen. Vor mehreren Jahren lagen die griechischen Waren- und Dienstleistungsexporte auf einer Höhe mit denen Portugals. Heute sind die Exporte Portugals fast € 20 Milliarden höher. Dies entspricht einem potenziellen Verlust von mehr als 10% der griechischen Produktionsleistung.
Das mangelnde Exportwachstum hat die Rezession in Griechenland daher viel länger und tiefer werden lassen, als sie es andernfalls gewesen wäre. Wären die griechischen Exporte im selben Tempo gestiegen wie die Portugals (oder Spaniens), wäre die Rezession inzwischen vorbei.
Zudem hat das fehlende Exportwachstum die Haushaltsanpassung deutlich erschwert. Höhere Exporte hätten nicht nur die Staatseinnahmen unmittelbar erhöht; sie hätten zudem einen Multiplikatoreffekt auf die Binnenwirtschaft gehabt und dadurch die Einnahmen aus Verbrauchsteuern erhöht.
Griechenland hat jetzt eine ausgeglichene Leistungsbilanz – eine beachtliche Leistung nach den zweistelligen Defiziten (als Anteil vom BIP) noch vor ein paar Jahren. Doch anders als in den anderen Volkswirtschaften der Peripherie der Eurozone wurde diese Verbesserung ausschließlich durch Verringerung der Importe erreicht.
Dies impliziert, dass es keine Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung gibt, solange die Exporte nicht zulegen. Es wird oft argumentiert, dass bei weniger Sparmaßnahmen die Binnennachfrage stärker gewesen wäre. Das mag stimmen, doch hätte eine stärkere Binnennachfrage zu höheren Importen geführt, für die das Land mit höheren Exporten hätte bezahlen müssen, denn eine weitere Anhäufung von Auslandsschulden kann es sich nicht leisten. Keine Exporte, kein Wachstum: Die Finanzierbarkeit der griechischen Schulden hängt letztlich an diesem zentralen Parameter.
Was in Griechenland schiefgegangen ist, war nicht die Haushaltsanpassung. Im Gegenteil: die Sparpolitik war möglicherweise zu erfolgreich (und schmerzhaft). Aber sie war das falsche Ziel.
Das wirklich wichtige Ziel für jedes Land mit einem zweistelligen Leistungsbilanzdefizit, das ein Anpassungsprogramm einleitet, muss Exportwachstum sein. Dass es dieses Ziel verfehlt hat, macht Griechenland zum Sonderfall.
Leider kann die Außenwelt wenig dazu beitragen, dass Griechenland mehr exportiert. Man kann die Regierung zwingen, Verordnungen zu erlassen, und das Parlament unter Druck setzen, jede Art von der Menschheit bekannten Reformgesetzen zu verabschieden. Doch was letztlich zählt, sind die praktische Umsetzung der Reformen und die Reaktion der Volkswirtschaft. Erfolg oder Scheitern eines Anpassungsprogramms entscheiden sich vor Ort, nicht in Brüssel oder Washington.
Aus dem Englischen von Jan Doolan