Von zehn Frauen ist in den Industrieländern jeweils eine von Brustkrebs betroffen, und in vielen dieser Länder nimmt die Verbreitung der Krankheit zu. Ganz gleich jedoch, was der Grund oder die Gründe für diese Zunahme sind: Wir wissen auch, dass zwischen 5% und 10% aller Fälle von Brustkrebs durch einen vererbten, die Gene BRCA1 oder BRCA2 betreffenden Defekt bedingt sind.
Frauen, die Trägerinnen eines mutierten BRCA1- oder BRCA2-Gens sind, erkranken mit etwa 80%iger Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs. Eine Mutation in diesen Genen führt außerdem zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, an Eierstockkrebs zu erkranken.
Als die Gene BRCA1 und BRCA2 vor mehr als einem Jahrzehnt entdeckt wurden, waren die Hoffnungen auf neue, zielgerichtete Therapien groß. Enttäuschenderweise jedoch wurden bisher keine neuen Behandlungsformen entwickelt. Infolgedessen sehen sich viele Frauen mit einer großen Zahl an mutierten BRCA1- bzw. BRCA2-Genen vor die tragische Entscheidung gestellt, ob sie sich Brüste oder Eierstöcke operativ entfernen lassen sollen, um dem Krebs zuvorzukommen.
Kürzlich jedoch konnte meine Forschungsgruppe, gemeinsam mit Forschern aus London, den Trägerinnen von mutierten BRCA1- bzw. BRCA2-Genen eine echte Hoffnung bieten: Beide Forschungsteams beschrieben, wie durch Einsatz eines chemischen Inhibitors Brustkrebs hervorrufende Tumorzellen mit einem BRCA1- bzw. BRCA2-Gendefekt abgetötet werden können. Diese neue Behandlungsmethode richtet sich nur gegen die Tumorzellen; die Wahrscheinlichkeit, dass andere, gesunde Zellen innerhalb des Körpers dabei in Mitleidenschaft gezogen werden, ist gering. Diese Entdeckung könnte sich auch nutzen lassen, um zu verhindern, dass sich erblich bedingte Brustkrebszellen zu Tumoren auswachsen.
Die im Rahmen dieser Behandlung eingesetzten chemischen Inhibitoren zielen auf das Enzym Polymerase (PARP1), das normalerweise an der Reparatur von Brüchen einzelner DNA-Stränge – einer häufigen Form spontaner DNA-Läsionen – beteiligt ist. Durch chemische Hemmung des PARP1-Proteins sinkt die Häufigkeit dieser Einzelstrangreparaturen.
Nicht reparierte Einzelstrangbrüche sind für die Zellen nicht besonders schädlich. Wenn sich die DNA jedoch repliziert, rufen diese Brüche beim Kopiervorgang Störungen und Schäden an der DNA hervor. Die beim Kopieren der DNA auftretende Beschädigung wird durch Rekombination unter Beteiligung der BRCA1- und BRCA2-Proteine repariert. Zellen mit mutierten BRCA1- bzw. BRCA2-Genen jedoch sind nicht zur Rekombination befähigt und deshalb sehr viel empfindlicher gegenüber einer erhöhten Anzahl von nicht reparierten Einzelstrangbrüchen.
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Die normalen Zellen von Frauen, die Trägerinnen der BRCA1- bzw. BRCA2-Mutation sind, sind noch immer zur Rekombination in der Lage, da sie nach wie vor über ein funktionierendes Allel – die alternative Form – dieses Gens verfügen. Nur Zellen, die das verbleibende funktionierende Allel des BRCA1- bzw. BRCA2-Gens verlieren, entwickeln sich zu Tumoren. Deshalb weisen nur die Tumorzellen einen nicht funktionierenden Rekombinationspfad auf und sind zur Reparatur von Einzelstrangbrüchen vor Replikation der DNA vollständig auf das PARP angewiesen.
Bei unseren Untersuchungen haben wir diese Abhängigkeit ausgenutzt, um mit PARP-Inhibitoren zielgerichtet gegen Krebszellen mit schadhaften BRCA1- oder BRCA2-Genen vorzugehen. Diese Behandlung dürfte kaum Nebenwirkungen verursachen; von Mäusen wird die langwierige Behandlung mit PARP-Inhibitoren gut toleriert.
Wir haben gezeigt, dass PARP-Inhibitoren Brustkrebszellen mit schadhaftem BRCA2-Gen wirksam absterben lassen und dass die von ihnen verursachten Tumoren sich nach Behandlung mit einem PARP-Inhibitor vollständig zurückbilden und verschwinden können. Der nächste Schritt besteht darin, zu untersuchen, wie wirksam diese Behandlung beim Menschen ist. Wir sind nun dabei, klinische Tests einzuleiten, um festzustellen, wie wirksam diese PARP-Inhibitoren bei der Behandlung von metastasierenden Brusttumoren sind.
Vorsicht ist allerdings angebracht. Tumoren mit BRCA1- und BRCA2-Schäden zeichnen sich durch ein hohes Maß an genetischer Instabilität aus. Es ist denkbar, dass hochgradig metastasierende Brusttumoren zusätzliche genetische Veränderungen erfahren haben, die sie gegen die Behandlung mit PARP-Inhibitoren resistent machen. Wir halten es daher für wahrscheinlich, dass PARP-Inhibitoren bei der prophylaktischen Behandlung von Frauen, die Trägerinnen eines diese Form von erblichem Brustkrebs hervorrufenden Gens sind, nützlicher sein könnten.
Der Grund hierfür ist einfach: Auch Zellen, die das funktionierende BRCA1- bzw. BRCA2-Allel erst kürzlich verloren haben und sich später zu Tumoren entwickeln würden, würden so an der Rekombination gehindert. Dies bedeutet: Krebszellen im Frühstadium dürften sensibel auf PARP-Inhibitoren reagieren. Anders als voll ausgebildete Tumoren jedoch dürften sie kaum genetische Veränderungen aufweisen und daher vermutlich auch keine Resistenz gegen PARP-Inhibitoren erworben haben.
Die Behandlung von Frauen mit BRCA1- bzw. BRCA2-Mutationen mit PARP-Inhibitoren mit dem Ziel, die Krebszellen abzutöten, bevor sie sich in Tumoren verwandeln, ist ein neues, zu Hoffnungen Anlass bietendes Konzept bei der Krebsprävention. Die Nützlichkeit dieser Behandlung setzt jedoch voraus, dass PARP1-Inhibitoren für Menschen vollständig unschädlich sind. Es wird außerdem längere Zeit dauern, um eine Zulassung von PARP-Inhibitoren für prophylaktische Zwecke zu erhalten, denn die Wirksamkeit der Behandlung lässt sich nicht kurzfristig nachweisen.
Der Einsatz von PARP-Inhibitoren für die Behandlung ausgebildeter Tumoren innerhalb von ein paar Jahren ist denkbar. Bevor eine prophylaktische Behandlung von erblich bedingtem Brustkrebs allgemein verfügbar ist, werden wir wohl mindestens ein Jahrzehnt warten müssen.
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At the end of a year of domestic and international upheaval, Project Syndicate commentators share their favorite books from the past 12 months. Covering a wide array of genres and disciplines, this year’s picks provide fresh perspectives on the defining challenges of our time and how to confront them.
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Von zehn Frauen ist in den Industrieländern jeweils eine von Brustkrebs betroffen, und in vielen dieser Länder nimmt die Verbreitung der Krankheit zu. Ganz gleich jedoch, was der Grund oder die Gründe für diese Zunahme sind: Wir wissen auch, dass zwischen 5% und 10% aller Fälle von Brustkrebs durch einen vererbten, die Gene BRCA1 oder BRCA2 betreffenden Defekt bedingt sind.
Frauen, die Trägerinnen eines mutierten BRCA1- oder BRCA2-Gens sind, erkranken mit etwa 80%iger Wahrscheinlichkeit an Brustkrebs. Eine Mutation in diesen Genen führt außerdem zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, an Eierstockkrebs zu erkranken.
Als die Gene BRCA1 und BRCA2 vor mehr als einem Jahrzehnt entdeckt wurden, waren die Hoffnungen auf neue, zielgerichtete Therapien groß. Enttäuschenderweise jedoch wurden bisher keine neuen Behandlungsformen entwickelt. Infolgedessen sehen sich viele Frauen mit einer großen Zahl an mutierten BRCA1- bzw. BRCA2-Genen vor die tragische Entscheidung gestellt, ob sie sich Brüste oder Eierstöcke operativ entfernen lassen sollen, um dem Krebs zuvorzukommen.
Kürzlich jedoch konnte meine Forschungsgruppe, gemeinsam mit Forschern aus London, den Trägerinnen von mutierten BRCA1- bzw. BRCA2-Genen eine echte Hoffnung bieten: Beide Forschungsteams beschrieben, wie durch Einsatz eines chemischen Inhibitors Brustkrebs hervorrufende Tumorzellen mit einem BRCA1- bzw. BRCA2-Gendefekt abgetötet werden können. Diese neue Behandlungsmethode richtet sich nur gegen die Tumorzellen; die Wahrscheinlichkeit, dass andere, gesunde Zellen innerhalb des Körpers dabei in Mitleidenschaft gezogen werden, ist gering. Diese Entdeckung könnte sich auch nutzen lassen, um zu verhindern, dass sich erblich bedingte Brustkrebszellen zu Tumoren auswachsen.
Die im Rahmen dieser Behandlung eingesetzten chemischen Inhibitoren zielen auf das Enzym Polymerase (PARP1), das normalerweise an der Reparatur von Brüchen einzelner DNA-Stränge – einer häufigen Form spontaner DNA-Läsionen – beteiligt ist. Durch chemische Hemmung des PARP1-Proteins sinkt die Häufigkeit dieser Einzelstrangreparaturen.
Nicht reparierte Einzelstrangbrüche sind für die Zellen nicht besonders schädlich. Wenn sich die DNA jedoch repliziert, rufen diese Brüche beim Kopiervorgang Störungen und Schäden an der DNA hervor. Die beim Kopieren der DNA auftretende Beschädigung wird durch Rekombination unter Beteiligung der BRCA1- und BRCA2-Proteine repariert. Zellen mit mutierten BRCA1- bzw. BRCA2-Genen jedoch sind nicht zur Rekombination befähigt und deshalb sehr viel empfindlicher gegenüber einer erhöhten Anzahl von nicht reparierten Einzelstrangbrüchen.
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Bei unseren Untersuchungen haben wir diese Abhängigkeit ausgenutzt, um mit PARP-Inhibitoren zielgerichtet gegen Krebszellen mit schadhaften BRCA1- oder BRCA2-Genen vorzugehen. Diese Behandlung dürfte kaum Nebenwirkungen verursachen; von Mäusen wird die langwierige Behandlung mit PARP-Inhibitoren gut toleriert.
Wir haben gezeigt, dass PARP-Inhibitoren Brustkrebszellen mit schadhaftem BRCA2-Gen wirksam absterben lassen und dass die von ihnen verursachten Tumoren sich nach Behandlung mit einem PARP-Inhibitor vollständig zurückbilden und verschwinden können. Der nächste Schritt besteht darin, zu untersuchen, wie wirksam diese Behandlung beim Menschen ist. Wir sind nun dabei, klinische Tests einzuleiten, um festzustellen, wie wirksam diese PARP-Inhibitoren bei der Behandlung von metastasierenden Brusttumoren sind.
Vorsicht ist allerdings angebracht. Tumoren mit BRCA1- und BRCA2-Schäden zeichnen sich durch ein hohes Maß an genetischer Instabilität aus. Es ist denkbar, dass hochgradig metastasierende Brusttumoren zusätzliche genetische Veränderungen erfahren haben, die sie gegen die Behandlung mit PARP-Inhibitoren resistent machen. Wir halten es daher für wahrscheinlich, dass PARP-Inhibitoren bei der prophylaktischen Behandlung von Frauen, die Trägerinnen eines diese Form von erblichem Brustkrebs hervorrufenden Gens sind, nützlicher sein könnten.
Der Grund hierfür ist einfach: Auch Zellen, die das funktionierende BRCA1- bzw. BRCA2-Allel erst kürzlich verloren haben und sich später zu Tumoren entwickeln würden, würden so an der Rekombination gehindert. Dies bedeutet: Krebszellen im Frühstadium dürften sensibel auf PARP-Inhibitoren reagieren. Anders als voll ausgebildete Tumoren jedoch dürften sie kaum genetische Veränderungen aufweisen und daher vermutlich auch keine Resistenz gegen PARP-Inhibitoren erworben haben.
Die Behandlung von Frauen mit BRCA1- bzw. BRCA2-Mutationen mit PARP-Inhibitoren mit dem Ziel, die Krebszellen abzutöten, bevor sie sich in Tumoren verwandeln, ist ein neues, zu Hoffnungen Anlass bietendes Konzept bei der Krebsprävention. Die Nützlichkeit dieser Behandlung setzt jedoch voraus, dass PARP1-Inhibitoren für Menschen vollständig unschädlich sind. Es wird außerdem längere Zeit dauern, um eine Zulassung von PARP-Inhibitoren für prophylaktische Zwecke zu erhalten, denn die Wirksamkeit der Behandlung lässt sich nicht kurzfristig nachweisen.
Der Einsatz von PARP-Inhibitoren für die Behandlung ausgebildeter Tumoren innerhalb von ein paar Jahren ist denkbar. Bevor eine prophylaktische Behandlung von erblich bedingtem Brustkrebs allgemein verfügbar ist, werden wir wohl mindestens ein Jahrzehnt warten müssen.