LONDON – Es besteht kein Zweifel, dass die Welt im Jahr 2100 über ausreichend billige, kohlenstofffreie Energie verfügen wird. Kohle wird dann nur noch im Museum zu finden sein, und die Öl- und Gasnutzung wird drastisch abgenommen haben. Dies wird sogar ohne politische Unterstützung unweigerlich geschehen, einzig aufgrund des technischen Fortschritts. Um allerdings einen potenziell katastrophalen Klimawandel zu verhindern, müssen wir solch eine kohlenstofffreie Wirtschaft bereits bis Mitte des Jahrhunderts erreichen. Auch dies ist möglich, aber nur mit einer strategischen Vision und intensiver politischer Förderung.
Die Zukunft des weltweiten Energiesystems wird durch Elektrizität dominiert. Momentan wird nur 20% der Endenergienachfrage elektrisch gedeckt. Im Transportwesen, bei der Gebäudeheizung und in der Schwerindustrie steht immer noch die direkte Nutzung fossiler Energien im Vordergrund. Aber die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten können elektrisch betrieben werden, und viele von ihnen werden dadurch auch noch deutlich effizienter.
In Verbrennungsmotoren wird beispielsweise 60-80% der verwendeten Energie für Abwärme verschwendet, und nur 20-40% lässt sich mit Hilfe kinetischer Energie zum Antrieb des Fahrzeugs nutzen. Elektromotoren hingegen haben eine Effizienz von über 90%. Darüber hinaus sind sie so viel einfacher herzustellen, dass die Kostenersparnis bei der Produktion die Kosten für die Batterien innerhalb von fünf Jahren ausgleicht, was Elektrofahrzeuge günstiger macht als Diesel- oder Benzinautos. Ähnlich können elektrische Wärmepumpen aus jeder Kilowattstunde Strom drei Kilowattstunden Heizwärme erzeugen. Kein Gasboiler könnte aus derselben Energiemenge mehr als 0,9 KWh herausholen.
Im Schiffs- und Flugverkehr hingegen wird die Bedeutung akkubetriebener Elektromotoren auf kurzen Strecken zwar steigen, aber für Langstreckenflüge oder interkontinentale Schiffstransporte werden die Batterien in den nächsten Jahrzehnten noch zu schwer sein. Aber anstelle von Mineralöl können Schiffsmotoren auch Ammoniak verbrennen – und Ammoniak kann kohlenstoffneutral aus Wasserstoff erzeugt werden. Dieser wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, die wiederum Strom aus erneuerbaren Quellen nutzen kann. Aus Wasserstoff und Kohlendioxid, das aus der Luft entnommen wird, können synthetische Flugzeugtreibstoffe hergestellt werden. Wasserstoff kann auch bei der Dekarbonisierung schwerindustrieller Sektoren wie der Stahl- oder Chemieindustrie eine entscheidende Rolle spielen – ob als Brennstoff oder als chemisches Ausgangsmaterial.
Auch ohne grundlegende technologische Durchbrüche können wir bis 2050 auf jeden Fall eine Weltwirtschaft aufbauen, in der 65-70% der Endenergienachfrage durch Strom und weitere 12-15% durch Ammoniak, Wasserstoff oder synthetische Treibstoffe gedeckt werden. Bioenergie und fossile Brennstoffe wären dann nur noch 20% des weltweiten Energieverbrauchs zuständig – und würden wir dann den so entstandenen Rest an Kohlendioxid abscheiden, könnten wir eine echte kohlenstofffreie Wirtschaft erreichen.
Darüber hinaus hätte eine derart weit verbreitete Elektrifizierung auch noch andere ökologische Vorteile: Sie könnte die Verschmutzung, den Lärm und die überflüssige oder verschwendete Abwärme verhindern, die bei der Verbrennung fossiler Energien in Fahrzeugen, Gasboilern und industriellen Prozessen unvermeidlich sind.
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Für ein solches Wirtschaftssystem ist ein jährliches weltweites Stromangebot von etwa 90.000 Terawattstunden (statt der heutigen 23.000 TWh) erforderlich, das kohlenstofffrei hergestellt wird. Aber auch dieses Ziel ist zweifellos erreichbar. Jeden Tag strahlt die Sonne genug Energie auf die Erde, um den täglichen Energiebedarf der Menschheit 8.000 mal decken zu können, und wir könnten 90.000 TWh Solarstrom erzeugen, indem wir weniger als 1,5% der Landfläche der Erde dazu nutzen (oder weniger als 0,5% der Wasserfläche). In den letzten zehn Jahren sind die Kosten für Solarenergie um 85% gefallen, und vielerorts ist Solarenergie bereits jetzt billiger als Kohle. Bis Mitte des Jahrhunderts wird sie noch günstiger sein.
Auch Windenergie ist schnell billiger geworden, und innerhalb von zwei Jahrzehnten könnte sogar die Kernfusion zu einer kommerziell nutzbaren Technologie werden. Seit 2010 sind die Batteriekosten um über 80% zurückgegangen, und bis 2030 werden sie sich wohl weiter halbieren. Und auch die Kosten für Elektrolyse werden laut einem aktuellen Bericht wahrscheinlich bald „abstürzen“. Darüber hinaus verspricht eine Vielzahl weiterer Technologien zur Energiespeicherung und zum Nachfragemanagement, die entscheidende Frage bei erneuerbaren Energiesystemen zu beantworten: Was können wir tun, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst?
Diese Entwicklungen werden unweigerlich dazu führen, dass die Welt bis 2100 über einen ausreichenden Vorrat an billiger und völlig sauberer Energie verfügt. Aber dass wir einen katastrophalen Klimawandel verhindern können, ist nicht unvermeidlich: Die Nutzung fossiler Energien steigt immer noch an, und machen wir so weiter wie bisher, könnte die globale Erwärmung bis 2100 einen Wert von 3°C über dem vorindustriellen Niveau erreichen. Dies wäre erheblich mehr als das Ziel des Pariser Klimaabkommens von deutlich unter 2°C. Und auch wenn die Kosten für Solar- und Windenergie gefallen sind, müssen wir ihre Kapazität auf das Drei- bis Vierfache der momentanen Nutzung erhöhen, um eine realistische Chance zu haben, bis 2050 die nötigen 90.000 TWh saubere Energie produzieren zu können.
Die makroökonomischen Kosten für diese Bemühungen sind gar nicht so beängstigend: Die zusätzlichen Investitionen, die für den Aufbau einer kohlenstofffreien Wirtschaft bis 2050 erforderlich sind, belaufen sich jährlich auf etwa 1-1.5% des weltweiten BIP. Aber um diesen Prozess ausreichend beschleunigen zu können, brauchen wir eine aktive staatliche Politik.
Diese Politik muss zunächst anerkennen, dass der einzige Weg hin zu einer kohlenstofffreien Wohlstandsgesellschaft in einer massiven, sauberen Elektrifizierung besteht – gemeinsam mit der großflächigen Verwendung von Wasserstoff. Dazu müssen sich die Regierungen ehrgeizige Ziele zur Steigerung der Kapazität erneuerbarer (und in manchen Fällen nuklearer) Energien setzen, während sie gleichzeitig mithilfe von Auktionen gewährleisten, dass auch der private Sektor auf möglichst günstige Weise dazu beiträgt. Verkehrspolitische Strategien müssen dazu beitragen, unsere Straßen bis spätestens 2050 völlig von Verbrennungsmotoren zu befreien: Bereits viel früher muss dazu der Verkauf von Neufahrzeugen mit herkömmlichen Motoren verboten werden. Um die Dekarbonisierung im industriellen Bereich wirtschaftlich zu machen, muss Kohlenstoff mit einem Preis belegt werden. Und schließlich müssen die Regierungen neue Technologien mit ähnlichen Subventionen unterstützen wie jenen, die bereits bei Fotovoltaik, Windturbinen und Akkus zur Kostensenkung beigetragen haben.
Mit solchen Maßnahmen kann die Welt schnell genug eine kohlenstofffreie Wirtschaft aufbauen, um den Klimawandel auf ein handhabbares Maß beschränken zu können. Aber ohne die richtige Politik wird dies viel zu spät kommen.
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LONDON – Es besteht kein Zweifel, dass die Welt im Jahr 2100 über ausreichend billige, kohlenstofffreie Energie verfügen wird. Kohle wird dann nur noch im Museum zu finden sein, und die Öl- und Gasnutzung wird drastisch abgenommen haben. Dies wird sogar ohne politische Unterstützung unweigerlich geschehen, einzig aufgrund des technischen Fortschritts. Um allerdings einen potenziell katastrophalen Klimawandel zu verhindern, müssen wir solch eine kohlenstofffreie Wirtschaft bereits bis Mitte des Jahrhunderts erreichen. Auch dies ist möglich, aber nur mit einer strategischen Vision und intensiver politischer Förderung.
Die Zukunft des weltweiten Energiesystems wird durch Elektrizität dominiert. Momentan wird nur 20% der Endenergienachfrage elektrisch gedeckt. Im Transportwesen, bei der Gebäudeheizung und in der Schwerindustrie steht immer noch die direkte Nutzung fossiler Energien im Vordergrund. Aber die meisten wirtschaftlichen Aktivitäten können elektrisch betrieben werden, und viele von ihnen werden dadurch auch noch deutlich effizienter.
In Verbrennungsmotoren wird beispielsweise 60-80% der verwendeten Energie für Abwärme verschwendet, und nur 20-40% lässt sich mit Hilfe kinetischer Energie zum Antrieb des Fahrzeugs nutzen. Elektromotoren hingegen haben eine Effizienz von über 90%. Darüber hinaus sind sie so viel einfacher herzustellen, dass die Kostenersparnis bei der Produktion die Kosten für die Batterien innerhalb von fünf Jahren ausgleicht, was Elektrofahrzeuge günstiger macht als Diesel- oder Benzinautos. Ähnlich können elektrische Wärmepumpen aus jeder Kilowattstunde Strom drei Kilowattstunden Heizwärme erzeugen. Kein Gasboiler könnte aus derselben Energiemenge mehr als 0,9 KWh herausholen.
Im Schiffs- und Flugverkehr hingegen wird die Bedeutung akkubetriebener Elektromotoren auf kurzen Strecken zwar steigen, aber für Langstreckenflüge oder interkontinentale Schiffstransporte werden die Batterien in den nächsten Jahrzehnten noch zu schwer sein. Aber anstelle von Mineralöl können Schiffsmotoren auch Ammoniak verbrennen – und Ammoniak kann kohlenstoffneutral aus Wasserstoff erzeugt werden. Dieser wird durch Elektrolyse von Wasser hergestellt, die wiederum Strom aus erneuerbaren Quellen nutzen kann. Aus Wasserstoff und Kohlendioxid, das aus der Luft entnommen wird, können synthetische Flugzeugtreibstoffe hergestellt werden. Wasserstoff kann auch bei der Dekarbonisierung schwerindustrieller Sektoren wie der Stahl- oder Chemieindustrie eine entscheidende Rolle spielen – ob als Brennstoff oder als chemisches Ausgangsmaterial.
Auch ohne grundlegende technologische Durchbrüche können wir bis 2050 auf jeden Fall eine Weltwirtschaft aufbauen, in der 65-70% der Endenergienachfrage durch Strom und weitere 12-15% durch Ammoniak, Wasserstoff oder synthetische Treibstoffe gedeckt werden. Bioenergie und fossile Brennstoffe wären dann nur noch 20% des weltweiten Energieverbrauchs zuständig – und würden wir dann den so entstandenen Rest an Kohlendioxid abscheiden, könnten wir eine echte kohlenstofffreie Wirtschaft erreichen.
Darüber hinaus hätte eine derart weit verbreitete Elektrifizierung auch noch andere ökologische Vorteile: Sie könnte die Verschmutzung, den Lärm und die überflüssige oder verschwendete Abwärme verhindern, die bei der Verbrennung fossiler Energien in Fahrzeugen, Gasboilern und industriellen Prozessen unvermeidlich sind.
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Auch Windenergie ist schnell billiger geworden, und innerhalb von zwei Jahrzehnten könnte sogar die Kernfusion zu einer kommerziell nutzbaren Technologie werden. Seit 2010 sind die Batteriekosten um über 80% zurückgegangen, und bis 2030 werden sie sich wohl weiter halbieren. Und auch die Kosten für Elektrolyse werden laut einem aktuellen Bericht wahrscheinlich bald „abstürzen“. Darüber hinaus verspricht eine Vielzahl weiterer Technologien zur Energiespeicherung und zum Nachfragemanagement, die entscheidende Frage bei erneuerbaren Energiesystemen zu beantworten: Was können wir tun, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst?
Diese Entwicklungen werden unweigerlich dazu führen, dass die Welt bis 2100 über einen ausreichenden Vorrat an billiger und völlig sauberer Energie verfügt. Aber dass wir einen katastrophalen Klimawandel verhindern können, ist nicht unvermeidlich: Die Nutzung fossiler Energien steigt immer noch an, und machen wir so weiter wie bisher, könnte die globale Erwärmung bis 2100 einen Wert von 3°C über dem vorindustriellen Niveau erreichen. Dies wäre erheblich mehr als das Ziel des Pariser Klimaabkommens von deutlich unter 2°C. Und auch wenn die Kosten für Solar- und Windenergie gefallen sind, müssen wir ihre Kapazität auf das Drei- bis Vierfache der momentanen Nutzung erhöhen, um eine realistische Chance zu haben, bis 2050 die nötigen 90.000 TWh saubere Energie produzieren zu können.
Die makroökonomischen Kosten für diese Bemühungen sind gar nicht so beängstigend: Die zusätzlichen Investitionen, die für den Aufbau einer kohlenstofffreien Wirtschaft bis 2050 erforderlich sind, belaufen sich jährlich auf etwa 1-1.5% des weltweiten BIP. Aber um diesen Prozess ausreichend beschleunigen zu können, brauchen wir eine aktive staatliche Politik.
Diese Politik muss zunächst anerkennen, dass der einzige Weg hin zu einer kohlenstofffreien Wohlstandsgesellschaft in einer massiven, sauberen Elektrifizierung besteht – gemeinsam mit der großflächigen Verwendung von Wasserstoff. Dazu müssen sich die Regierungen ehrgeizige Ziele zur Steigerung der Kapazität erneuerbarer (und in manchen Fällen nuklearer) Energien setzen, während sie gleichzeitig mithilfe von Auktionen gewährleisten, dass auch der private Sektor auf möglichst günstige Weise dazu beiträgt. Verkehrspolitische Strategien müssen dazu beitragen, unsere Straßen bis spätestens 2050 völlig von Verbrennungsmotoren zu befreien: Bereits viel früher muss dazu der Verkauf von Neufahrzeugen mit herkömmlichen Motoren verboten werden. Um die Dekarbonisierung im industriellen Bereich wirtschaftlich zu machen, muss Kohlenstoff mit einem Preis belegt werden. Und schließlich müssen die Regierungen neue Technologien mit ähnlichen Subventionen unterstützen wie jenen, die bereits bei Fotovoltaik, Windturbinen und Akkus zur Kostensenkung beigetragen haben.
Mit solchen Maßnahmen kann die Welt schnell genug eine kohlenstofffreie Wirtschaft aufbauen, um den Klimawandel auf ein handhabbares Maß beschränken zu können. Aber ohne die richtige Politik wird dies viel zu spät kommen.
Aus den Englischen von Harald Eckhoff