CAMBRIDGE – In seiner Komödie Verlorene Liebesmüh von 1597 erzählt William Shakespeare die Geschichte vierer Franzosen, die sich im Spannungsbereich zwischen intellektueller Entwicklung und der Suche nach häuslichem Glück befinden. Etwa vier Jahrhunderte später hat die Harvard-Ökonomin Claudia Goldin das Stück aus der Perspektive amerikanischer Frauen nacherzählt, die Karriere und Familie in Einklang bringen müssen. Jetzt hat Goldin mit ihren tiefen Einblicken in den Arbeitsmarkt der Frauen den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen.
Dies ist nicht nur bemerkenswert, weil Goldin in einer überwiegend männlich dominierten Disziplin tätig ist – sie ist erst die dritte Frau, die diesen Preis jemals gewonnen hat, und die erste als Einzelperson –, sondern auch, weil sie ihre Forschungen ausschließlich auf Geschlechterrollen konzentriert. Ihre Themen – die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt und insbesondere das geschlechtsspezifische Lohngefälle – werden normalerweise nur in der feministischen Ökonomie behandelt und in anderen Bereichen vernachlässigt.
Goldin, die sich als „Detektivin der Ökonomie“ sieht, hat bereits einige Fälle gelöst, von denen – wie das Nobelpreiskomitee betont – drei besonders hervorstechen: Erstens gehen die meisten Theorien der wirtschaftlichen Entwicklung davon aus, dass Frauen im Zuge wachsender Volkswirtschaften automatisch und reibungslos in den Arbeitsmarkt gezogen werden. Aber Goldins Forschungen zeigen, dass die weibliche Teilnahme am Arbeitsmarkt über die Zeit hinweg einer U-förmigen Kurve folgt.
Durch die akribische Auswertung von Daten aus 200 Jahren fand Goldin heraus, dass die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt – im Zuge des wirtschaftlichen Wandels von der Landwirtschaft hin zur Industrie – abgenommen hat. Dies lag hauptsächlich an der Herausforderung, insbesondere für verheiratete Frauen, die Kinderbetreuung mit der Fabrikarbeit in Einklang zu bringen. Aber als dann der Dienstleistungssektor dominant wurde, nahm die Beschäftigung der Frauen erheblich zu.
Zweitens wird das geschlechtsspezifische Lohngefälle – dass Frauen durchschnittlich für jeden US-Dollar, den Männer verdienen, nur 77 Cents bekommen – traditionell auf eine Vielzahl von Faktoren zurückgeführt, die vom Ausbildungsniveau bis hin zu unterschiedlichem Ehrgeiz reichen. Manche behaupten auch, es sei eine Sache der Fähigkeiten: So hat der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers 2005 behauptet, Männer seien biologisch besser für Mathematik und Wissenschaft geeignet.
Aber anhand ihrer Untersuchung der Gehaltsunterschiede innerhalb gleicher Berufe zeigte Goldin, dass die tatsächliche Erklärung viel einfacher ist. Wie sich herausstellte, kann der nach wie vor bestehende Unterschied nicht auf das Ausbildungsniveau zurückgeführt werden: In den reichen Ländern haben die Frauen die Männer in dieser Hinsicht überholt. Und da die Gehaltslücke auch innerhalb der jeweiligen Berufe vorhanden ist, kann sie auch nicht damit begründet werden, dass Frauen in weniger lukrativen Bereichen stärker vertreten sind. Ebenso kann sie nicht an den kognitiven Fähigkeiten liegen, da die Bezahlung für Männer und Frauen direkt nach ihrem Universitätsabschluss fast identisch ist.
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Stattdessen ist der Grund dafür, dass Frauen weniger als Männer verdienen, die simple biologische Tatsache der Fortpflanzung. Die Lohndifferenz beginnt ein oder zwei Jahre nach der Geburt des ersten Kindes einer Frau. Im Alter von 45 Jahren verdienen Frauen etwa 55% dessen, was Männer bekommen, was an Faktoren wie unterbrochenen Karrieren oder verringerten Arbeitszeiten liegt, die wiederum auf die Kindergeburt zurückgeführt werden können.
Und drittens fand Goldin heraus, dass auch die Erwartungen der Frauen über ihre Aussichten eine Rolle spielen. Aufgrund des „Vorbildeffekts“ – also der Beispiele ihrer Mütter und Großmütter – haben sie sich in beruflicher Hinsicht lange unter Wert verkauft. Dies begann sich in den USA in den 1970ern zu ändern, als mehr in die Ausbildung von Frauen investiert wurde – und sie erst später im Leben heirateten und Kinder bekamen.
In einem Thesenpapier, das am Morgen ihrer Nobelpreisverleihung veröffentlicht wurde, betont Goldin eine Reihe von Entwicklungen in den USA zwischen 1963 und 1973, die diesem Wandel zugrunde lagen: das Gesetz zur gleichen Bezahlung, der Fall Roe v. Wade (bei dem das oberste US-Gericht ein Verfassungsrecht auf Abtreibung anerkannte), der wachsende Frauenanteil an Eliteuniversitäten und – insbesondere – der Zugang zu oralen Verhütungsmitteln.
Goldins Untersuchungen bieten einige wichtige volkswirtschaftliche Erkenntnisse. Sie zeigen, wie wichtig historische Forschung ist, um die heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten verstehen zu können (ein passender Tribut an Goldins Mentor und Mitnobelpreisträger Robert Fogel). Immer noch gibt es Probleme und Ineffizienzen, die die Märkte – selbst über Jahrhunderte hinweg – nicht lösen konnten: Warum zahlen Frauen immer noch einen derart hohen Preis für die Kindergeburten, die ein öffentliches Gut par excellence sind?
Goldins Forschungen zeigen auch die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Akteuren zu unterscheiden, da Ereignisse oft selbsterfüllende Prophezeihungen widerspiegeln, bei denen es um Identität, Sozialstrukturen und subjektive Wahrnehmungen geht. Beispielsweise teilen, wie sie erklärt, die meisten heterosexuelle Paare die Hausarbeit nicht gleichmäßig auf, weil der männliche Partner meist mehr verdient. Aber dadurch wir die Gehaltslücke noch weiter vergrößert.
Die radikalste von Goldins Erkenntnissen ist, dass nicht nur formale, institutionelle Räume ökonomisch relevant sind, sondern auch die Privatsphäre. Die Ökonomie sollte sich nicht nur um Finanzmärkte kümmern, sondern auch um Heiratsmärkte. Das Schlafzimmer ist nicht weniger relevant als das Konferenzzimmer. Themen, die traditionell auf Frauenzeitschriften beschränkt sind, gehören auch in Wirtschaftsmagazine.
Goldins Arbeit unterstreicht auch einen Punkt, den Feministinnen schon lange betonen: Frauen haben nicht die Freiheit, den persönlichen vom beruflichen Bereich trennen zu können. Die Tatsache, dass Frauen für ihr häusliches Glück – was Einkommen und Unabhängigkeit betrifft – einen Preis zahlen müssen, dürfen die Volkswirtschaften nicht länger ignorieren.
In politischer Hinsicht haben wir zwei Möglichkeiten: Um zu gewährleisten, dass Frauen in einem für Männer geschaffenen Wirtschaftssystem mithalten können, können wir die Ehe und die Kinderbetreuung neu definieren – beispielsweise durch Kinderhorte am Arbeitsplatz oder steuerliche Anreize. Oder wir können, wofür sich Goldin ausspricht, das Wirtschaftssystem so verändern, dass es für Frauen funktioniert – indem wir es flexibler, weniger „gierig“ und empathischer machen. Wenn wir allerdings untätig bleiben, wird die Liebesmüh der Frauen auch weiterhin verloren sein.
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In 2024, global geopolitics and national politics have undergone considerable upheaval, and the world economy has both significant weaknesses, including Europe and China, and notable bright spots, especially the US. In the coming year, the range of possible outcomes will broaden further.
offers his predictions for the new year while acknowledging that the range of possible outcomes is widening.
CAMBRIDGE – In seiner Komödie Verlorene Liebesmüh von 1597 erzählt William Shakespeare die Geschichte vierer Franzosen, die sich im Spannungsbereich zwischen intellektueller Entwicklung und der Suche nach häuslichem Glück befinden. Etwa vier Jahrhunderte später hat die Harvard-Ökonomin Claudia Goldin das Stück aus der Perspektive amerikanischer Frauen nacherzählt, die Karriere und Familie in Einklang bringen müssen. Jetzt hat Goldin mit ihren tiefen Einblicken in den Arbeitsmarkt der Frauen den Wirtschaftsnobelpreis gewonnen.
Dies ist nicht nur bemerkenswert, weil Goldin in einer überwiegend männlich dominierten Disziplin tätig ist – sie ist erst die dritte Frau, die diesen Preis jemals gewonnen hat, und die erste als Einzelperson –, sondern auch, weil sie ihre Forschungen ausschließlich auf Geschlechterrollen konzentriert. Ihre Themen – die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt und insbesondere das geschlechtsspezifische Lohngefälle – werden normalerweise nur in der feministischen Ökonomie behandelt und in anderen Bereichen vernachlässigt.
Goldin, die sich als „Detektivin der Ökonomie“ sieht, hat bereits einige Fälle gelöst, von denen – wie das Nobelpreiskomitee betont – drei besonders hervorstechen: Erstens gehen die meisten Theorien der wirtschaftlichen Entwicklung davon aus, dass Frauen im Zuge wachsender Volkswirtschaften automatisch und reibungslos in den Arbeitsmarkt gezogen werden. Aber Goldins Forschungen zeigen, dass die weibliche Teilnahme am Arbeitsmarkt über die Zeit hinweg einer U-förmigen Kurve folgt.
Durch die akribische Auswertung von Daten aus 200 Jahren fand Goldin heraus, dass die Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt – im Zuge des wirtschaftlichen Wandels von der Landwirtschaft hin zur Industrie – abgenommen hat. Dies lag hauptsächlich an der Herausforderung, insbesondere für verheiratete Frauen, die Kinderbetreuung mit der Fabrikarbeit in Einklang zu bringen. Aber als dann der Dienstleistungssektor dominant wurde, nahm die Beschäftigung der Frauen erheblich zu.
Zweitens wird das geschlechtsspezifische Lohngefälle – dass Frauen durchschnittlich für jeden US-Dollar, den Männer verdienen, nur 77 Cents bekommen – traditionell auf eine Vielzahl von Faktoren zurückgeführt, die vom Ausbildungsniveau bis hin zu unterschiedlichem Ehrgeiz reichen. Manche behaupten auch, es sei eine Sache der Fähigkeiten: So hat der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers 2005 behauptet, Männer seien biologisch besser für Mathematik und Wissenschaft geeignet.
Aber anhand ihrer Untersuchung der Gehaltsunterschiede innerhalb gleicher Berufe zeigte Goldin, dass die tatsächliche Erklärung viel einfacher ist. Wie sich herausstellte, kann der nach wie vor bestehende Unterschied nicht auf das Ausbildungsniveau zurückgeführt werden: In den reichen Ländern haben die Frauen die Männer in dieser Hinsicht überholt. Und da die Gehaltslücke auch innerhalb der jeweiligen Berufe vorhanden ist, kann sie auch nicht damit begründet werden, dass Frauen in weniger lukrativen Bereichen stärker vertreten sind. Ebenso kann sie nicht an den kognitiven Fähigkeiten liegen, da die Bezahlung für Männer und Frauen direkt nach ihrem Universitätsabschluss fast identisch ist.
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Und drittens fand Goldin heraus, dass auch die Erwartungen der Frauen über ihre Aussichten eine Rolle spielen. Aufgrund des „Vorbildeffekts“ – also der Beispiele ihrer Mütter und Großmütter – haben sie sich in beruflicher Hinsicht lange unter Wert verkauft. Dies begann sich in den USA in den 1970ern zu ändern, als mehr in die Ausbildung von Frauen investiert wurde – und sie erst später im Leben heirateten und Kinder bekamen.
In einem Thesenpapier, das am Morgen ihrer Nobelpreisverleihung veröffentlicht wurde, betont Goldin eine Reihe von Entwicklungen in den USA zwischen 1963 und 1973, die diesem Wandel zugrunde lagen: das Gesetz zur gleichen Bezahlung, der Fall Roe v. Wade (bei dem das oberste US-Gericht ein Verfassungsrecht auf Abtreibung anerkannte), der wachsende Frauenanteil an Eliteuniversitäten und – insbesondere – der Zugang zu oralen Verhütungsmitteln.
Goldins Untersuchungen bieten einige wichtige volkswirtschaftliche Erkenntnisse. Sie zeigen, wie wichtig historische Forschung ist, um die heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten verstehen zu können (ein passender Tribut an Goldins Mentor und Mitnobelpreisträger Robert Fogel). Immer noch gibt es Probleme und Ineffizienzen, die die Märkte – selbst über Jahrhunderte hinweg – nicht lösen konnten: Warum zahlen Frauen immer noch einen derart hohen Preis für die Kindergeburten, die ein öffentliches Gut par excellence sind?
Goldins Forschungen zeigen auch die Notwendigkeit, zwischen verschiedenen wirtschaftlichen Akteuren zu unterscheiden, da Ereignisse oft selbsterfüllende Prophezeihungen widerspiegeln, bei denen es um Identität, Sozialstrukturen und subjektive Wahrnehmungen geht. Beispielsweise teilen, wie sie erklärt, die meisten heterosexuelle Paare die Hausarbeit nicht gleichmäßig auf, weil der männliche Partner meist mehr verdient. Aber dadurch wir die Gehaltslücke noch weiter vergrößert.
Die radikalste von Goldins Erkenntnissen ist, dass nicht nur formale, institutionelle Räume ökonomisch relevant sind, sondern auch die Privatsphäre. Die Ökonomie sollte sich nicht nur um Finanzmärkte kümmern, sondern auch um Heiratsmärkte. Das Schlafzimmer ist nicht weniger relevant als das Konferenzzimmer. Themen, die traditionell auf Frauenzeitschriften beschränkt sind, gehören auch in Wirtschaftsmagazine.
Goldins Arbeit unterstreicht auch einen Punkt, den Feministinnen schon lange betonen: Frauen haben nicht die Freiheit, den persönlichen vom beruflichen Bereich trennen zu können. Die Tatsache, dass Frauen für ihr häusliches Glück – was Einkommen und Unabhängigkeit betrifft – einen Preis zahlen müssen, dürfen die Volkswirtschaften nicht länger ignorieren.
In politischer Hinsicht haben wir zwei Möglichkeiten: Um zu gewährleisten, dass Frauen in einem für Männer geschaffenen Wirtschaftssystem mithalten können, können wir die Ehe und die Kinderbetreuung neu definieren – beispielsweise durch Kinderhorte am Arbeitsplatz oder steuerliche Anreize. Oder wir können, wofür sich Goldin ausspricht, das Wirtschaftssystem so verändern, dass es für Frauen funktioniert – indem wir es flexibler, weniger „gierig“ und empathischer machen. Wenn wir allerdings untätig bleiben, wird die Liebesmüh der Frauen auch weiterhin verloren sein.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff