NEW DELHI – Die Zukunft Asiens ist untrennbar mit dem Himalaya verbunden, dem höchsten Gebirge der Welt und der Quelle der großen Flusssysteme des wasserbedürftigen Kontinents. Aber die empfindlichen Ökosysteme der Region werden durch rücksichtslose nationale Projekte gefährdet. Dies stellt eine Bedrohung der Sicherheit dar, die sich nicht nur auf Asien beschränkt.
Der Himalaya erstreckt sich über Höhenlagen von weniger als 500 bis über 8000 Metern. Daher gibt es dort Ökosysteme, die von alluvialen Hochgebirgswiesen und subtropischen Laubwäldern bis hin zu Koniferenwäldern und alpinem Weideland reichen. Weiterhin spielt das Gebirge, das von Myanmar bis hin zur zentralasiatischen Hindukush-Wasserscheide reicht, eine entscheidende Rolle für den hydrologischen Kreislauf, das Wetter und die klimatischen Muster Asiens, darunter auch als Auslöser der jährlichen Regenfälle des Sommermonsuns. Seine 18.000 Hochgebirgsgletscher speichern enorme Mengen Frischwasser und dienen im Winter als weltweit zweitgrößte Wärmesenke nach der Antarktis. So tragen sie zum Ausgleich des Weltklimas bei. Im Sommer hingegen verwandelt sich das Gebirge in eine Wärmequelle, die die Monsunströmungen von den Ozeanen in das asiatische Hinterland lenkt.
Heute aber leidet der Himalaya unter einer beschleunigten Gletscherschmelze, klimatischer Instabilität und einem Verlust an Biodiversität. Fünf der Flüsse, die am Himalaya-Hauptkamm entspringen – der Jangtse, der Indus, der Mekong, der Saluen und der Ganges – zählen zu den zehn am stärksten gefährdeten Flüssen der Welt.
Für diese potenziell katastrophalen Veränderungen des Himalaya-Ökosystems sind eindeutig menschliche Aktivitäten verantwortlich – von großräumigen Dammkonstruktionen bis hin zur ungezügelten Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Alle Länder in der Region tragen ihren Teil zum Problem bei, aber kein anderes von ihnen richtet so viel Schaden an wie China.
Ungehindert durch die Art von Graswurzelaktivismus, wie sie beispielsweise im demokratischen Indien vorherrscht, versucht China, sich die Natur durch massive, aber oft undurchsichtige Bauprojekte zu unterwerfen, um seinen Aufstieg zur Großmacht zu unterstreichen. Dazu gehört auch eine weltweit einzigartige Wasserverkehrsinfrastruktur zwischen Flüssen und Wasserflächen, auf der durch 16.000 Kilometer an Kanälen über zehn Milliarden Kubikmeter bewegt werden können.
Dadurch, dass China die natürlichen Flussläufe eindämmt, wurden viele umliegende Ökosysteme zerstört, und bereits heute sind 350 Seen verschwunden. Ein Fünftel der Flüsse des Landes führt heute weniger Wasser, als in Sammelbecken abgeleitet wird. Diese Wasserumleitungsprojekte konzentrieren sich immer stärker auf internationale statt auf nationale Flüsse – insbesondere auf diejenigen der tibetischen Hochebene, wo sich fast drei Viertel der Gletschergebiete des Himalaya befinden. So reicht die Bedrohung der Umwelt weit über Chinas Grenzen hinaus.
Und die Dämme sind nur der Anfang. Auf der tibetischen Hochebene führen die Chinesen auch geotechnische Experimente durch, um im trockenen Norden und Nordwesten Niederschläge zu fördern. (Der Regen in Tibet konzentriert sich normalerweise auf die Himalaya-Region.) Solche Aktivitäten drohen, Feuchtigkeit aus anderen Regionen abzuziehen, was den asiatischen Monsun beeinflussen könnte. Beunruhigend ist auch, dass diese Experimente eine Erweiterung des Wetteränderungsprogramms des chinesischen Militärs darstellen.
Darüber hinaus scheint China auch noch den chinesischen Namen für Tibet, Xizang(„westliches Land der Schätze“), bekräftigen zu wollen, indem es in dieser ökologisch empfindlichen, aber ressourcenreichen Hochebene Mineralien abbaut, ohne auf die Folgen zu achten. Bereits jetzt verschmutzen die Abfälle aus Kupferminen die Gewässer einer Himalaya-Region, die den Tibetern heilig ist und von ihnen Pemako („verstecktes Lotos-Land“) genannt wird. Dort fließt weltweit höchste große Fluss, der Brahmaputra (auf tibetisch Yarlung Tsangpo), durch den Himalaya auf seinem Weg nach Indien.
Im letzten Herbst färbte sich die Hauptader des Brahmaputra, der einst glasklare Siang, bei seinem Grenzübertritt nach Indien plötzlich schwarz-grau. Die Gründe dafür liegen möglicherweise in den chinesischen Untertunnelungs-, Bergbau- oder Dammbau-Aktivitäten. Die chinesische Regierung behauptete natürlich, für „die Trübung“ des Flusswassers sei wohl ein Erdbeben verantwortlich, dass Mitte November den Südosten Tibets erschüttert hatte. Aber bereits vor dem Beben war das Wasser nicht mehr zum menschlichen Konsum geeignet.
Auf jeden Fall lässt China nicht locker. So führt das Land große Anstrengungen durch, um in einem umstrittenen Gebiet des östlichen Himalaya, das es 1959 in einem bewaffneten Konflikt von Indien annektiert hat, Edelmetalle wie Gold oder Silber abzubauen.
Unterdessen zapft die chinesische Mineralwasserindustrie – die größte der Welt – „erstklassiges Trinkwasser“ von den bereits jetzt bedrohten Gletschern des Himalaya ab. Betroffen ist dabei vor allem der Osthimalaya, wo bereits jetzt offensichtlich ist, dass der Schnee und die Eisfelder immer schneller schmelzen. Dass dies einen Verlust an Biodiversität bedeutet und die Leistungen des Ökosystems schwächt, dürfte dabei nicht überraschen.
Im gesamten Himalaya berichten Wissenschaftler von großflächiger Abholzung, hohen Verlusten an genetischer Vielfalt und aussterbenden Hochlandarten. Auch erwärmt sich die tibetische Hochebene fast dreimal so schnell wie der globale Durchschnitt. Dies hat Auswirkungen auf die Umwelt, die sich weit über Asien hinaus erstrecken.
Die Höhenlagen des Himalaya, darunter insbesondere Tibet, beeinflussen das atmosphärische Zirkulationssystem der nördlichen Erdhalbkugel, das dazu beiträgt, warme Luft vom Äquator an die Pole zu transportieren und damit unterwegs eine Vielzahl von Klimazonen aufrecht zu erhalten. Mit anderen Worten, die Schäden am Ökosystem des Himalaya werden vermutlich auch die europäischen und nordamerikanischen Klimasysteme beeinflussen.
Die ungezügelte ökologische Zerstörung im Himalaya muss jetzt dringend aufgehalten werden, und dies ist nur möglich, wenn alle Mitgliedsländer des Himalaya-Einzugsgebiets an einem Strang ziehen – von der Region des unteren Mekong-Flusses über China bis hin zu den Staaten Südasiens. Um eine solche Zusammenarbeit zu erreichen, muss die internationale Gemeinschaft aber Druck ausüben. Sie muss Chinas rücksichtslose Umweltzerstörung aufhalten, die bei weitem die größte Gefahr darstellt.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
NEW DELHI – Die Zukunft Asiens ist untrennbar mit dem Himalaya verbunden, dem höchsten Gebirge der Welt und der Quelle der großen Flusssysteme des wasserbedürftigen Kontinents. Aber die empfindlichen Ökosysteme der Region werden durch rücksichtslose nationale Projekte gefährdet. Dies stellt eine Bedrohung der Sicherheit dar, die sich nicht nur auf Asien beschränkt.
Der Himalaya erstreckt sich über Höhenlagen von weniger als 500 bis über 8000 Metern. Daher gibt es dort Ökosysteme, die von alluvialen Hochgebirgswiesen und subtropischen Laubwäldern bis hin zu Koniferenwäldern und alpinem Weideland reichen. Weiterhin spielt das Gebirge, das von Myanmar bis hin zur zentralasiatischen Hindukush-Wasserscheide reicht, eine entscheidende Rolle für den hydrologischen Kreislauf, das Wetter und die klimatischen Muster Asiens, darunter auch als Auslöser der jährlichen Regenfälle des Sommermonsuns. Seine 18.000 Hochgebirgsgletscher speichern enorme Mengen Frischwasser und dienen im Winter als weltweit zweitgrößte Wärmesenke nach der Antarktis. So tragen sie zum Ausgleich des Weltklimas bei. Im Sommer hingegen verwandelt sich das Gebirge in eine Wärmequelle, die die Monsunströmungen von den Ozeanen in das asiatische Hinterland lenkt.
Heute aber leidet der Himalaya unter einer beschleunigten Gletscherschmelze, klimatischer Instabilität und einem Verlust an Biodiversität. Fünf der Flüsse, die am Himalaya-Hauptkamm entspringen – der Jangtse, der Indus, der Mekong, der Saluen und der Ganges – zählen zu den zehn am stärksten gefährdeten Flüssen der Welt.
Für diese potenziell katastrophalen Veränderungen des Himalaya-Ökosystems sind eindeutig menschliche Aktivitäten verantwortlich – von großräumigen Dammkonstruktionen bis hin zur ungezügelten Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Alle Länder in der Region tragen ihren Teil zum Problem bei, aber kein anderes von ihnen richtet so viel Schaden an wie China.
Ungehindert durch die Art von Graswurzelaktivismus, wie sie beispielsweise im demokratischen Indien vorherrscht, versucht China, sich die Natur durch massive, aber oft undurchsichtige Bauprojekte zu unterwerfen, um seinen Aufstieg zur Großmacht zu unterstreichen. Dazu gehört auch eine weltweit einzigartige Wasserverkehrsinfrastruktur zwischen Flüssen und Wasserflächen, auf der durch 16.000 Kilometer an Kanälen über zehn Milliarden Kubikmeter bewegt werden können.
Dadurch, dass China die natürlichen Flussläufe eindämmt, wurden viele umliegende Ökosysteme zerstört, und bereits heute sind 350 Seen verschwunden. Ein Fünftel der Flüsse des Landes führt heute weniger Wasser, als in Sammelbecken abgeleitet wird. Diese Wasserumleitungsprojekte konzentrieren sich immer stärker auf internationale statt auf nationale Flüsse – insbesondere auf diejenigen der tibetischen Hochebene, wo sich fast drei Viertel der Gletschergebiete des Himalaya befinden. So reicht die Bedrohung der Umwelt weit über Chinas Grenzen hinaus.
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Und die Dämme sind nur der Anfang. Auf der tibetischen Hochebene führen die Chinesen auch geotechnische Experimente durch, um im trockenen Norden und Nordwesten Niederschläge zu fördern. (Der Regen in Tibet konzentriert sich normalerweise auf die Himalaya-Region.) Solche Aktivitäten drohen, Feuchtigkeit aus anderen Regionen abzuziehen, was den asiatischen Monsun beeinflussen könnte. Beunruhigend ist auch, dass diese Experimente eine Erweiterung des Wetteränderungsprogramms des chinesischen Militärs darstellen.
Darüber hinaus scheint China auch noch den chinesischen Namen für Tibet, Xizang(„westliches Land der Schätze“), bekräftigen zu wollen, indem es in dieser ökologisch empfindlichen, aber ressourcenreichen Hochebene Mineralien abbaut, ohne auf die Folgen zu achten. Bereits jetzt verschmutzen die Abfälle aus Kupferminen die Gewässer einer Himalaya-Region, die den Tibetern heilig ist und von ihnen Pemako („verstecktes Lotos-Land“) genannt wird. Dort fließt weltweit höchste große Fluss, der Brahmaputra (auf tibetisch Yarlung Tsangpo), durch den Himalaya auf seinem Weg nach Indien.
Im letzten Herbst färbte sich die Hauptader des Brahmaputra, der einst glasklare Siang, bei seinem Grenzübertritt nach Indien plötzlich schwarz-grau. Die Gründe dafür liegen möglicherweise in den chinesischen Untertunnelungs-, Bergbau- oder Dammbau-Aktivitäten. Die chinesische Regierung behauptete natürlich, für „die Trübung“ des Flusswassers sei wohl ein Erdbeben verantwortlich, dass Mitte November den Südosten Tibets erschüttert hatte. Aber bereits vor dem Beben war das Wasser nicht mehr zum menschlichen Konsum geeignet.
Auf jeden Fall lässt China nicht locker. So führt das Land große Anstrengungen durch, um in einem umstrittenen Gebiet des östlichen Himalaya, das es 1959 in einem bewaffneten Konflikt von Indien annektiert hat, Edelmetalle wie Gold oder Silber abzubauen.
Unterdessen zapft die chinesische Mineralwasserindustrie – die größte der Welt – „erstklassiges Trinkwasser“ von den bereits jetzt bedrohten Gletschern des Himalaya ab. Betroffen ist dabei vor allem der Osthimalaya, wo bereits jetzt offensichtlich ist, dass der Schnee und die Eisfelder immer schneller schmelzen. Dass dies einen Verlust an Biodiversität bedeutet und die Leistungen des Ökosystems schwächt, dürfte dabei nicht überraschen.
Im gesamten Himalaya berichten Wissenschaftler von großflächiger Abholzung, hohen Verlusten an genetischer Vielfalt und aussterbenden Hochlandarten. Auch erwärmt sich die tibetische Hochebene fast dreimal so schnell wie der globale Durchschnitt. Dies hat Auswirkungen auf die Umwelt, die sich weit über Asien hinaus erstrecken.
Die Höhenlagen des Himalaya, darunter insbesondere Tibet, beeinflussen das atmosphärische Zirkulationssystem der nördlichen Erdhalbkugel, das dazu beiträgt, warme Luft vom Äquator an die Pole zu transportieren und damit unterwegs eine Vielzahl von Klimazonen aufrecht zu erhalten. Mit anderen Worten, die Schäden am Ökosystem des Himalaya werden vermutlich auch die europäischen und nordamerikanischen Klimasysteme beeinflussen.
Die ungezügelte ökologische Zerstörung im Himalaya muss jetzt dringend aufgehalten werden, und dies ist nur möglich, wenn alle Mitgliedsländer des Himalaya-Einzugsgebiets an einem Strang ziehen – von der Region des unteren Mekong-Flusses über China bis hin zu den Staaten Südasiens. Um eine solche Zusammenarbeit zu erreichen, muss die internationale Gemeinschaft aber Druck ausüben. Sie muss Chinas rücksichtslose Umweltzerstörung aufhalten, die bei weitem die größte Gefahr darstellt.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff