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Asien nach Obama

NEU-DELHI: In einer Zeit, in der die Spannungen zwischen einem zunehmend ehrgeizigeren China und seinen Nachbarn die geopolitische Landschaft der Region durchdringen, haben die 10-tägige Asientour von US-Präsident Barack Obama und die daran anschließenden Gipfeltreffen des Ostasiengipfels (EAS), der G20 und des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums (APEC) dazu beigetragen, die Herausforderungen, vor denen Asien steht, in den Blickpunkt zu rücken.

Es ist bezeichnend, dass Obama seine Rundreise auf Asiens führende Demokratien Indien, Indonesien, Japan und Südkorea beschränkte, die China umgeben und für die Bewältigung seines Aufstiegs zentral sind. Dabei hatte Obama das ganze letzte Jahr über noch unverdrossen damit zugebracht, die Regierung in Peking zu umwerben – in der Hoffnung, China bei unterschiedlichsten Themen, vom Klimawandel bis hin zur Finanzregulierung, zu einem globalen Partner zu machen. Tatsächlich signalisierte das vom stellvertretenden US-Außenminister James Steinberg in Bezug auf China geprägte Schlagwort der „strategischen Rückversicherung“ Amerikas Absicht, den chinesischen Ansprüchen verstärkt Rechnung zu tragen.

Nun, da seine China-Strategie auseinanderfällt, versucht Obama genau wie schon sein Vorgänger potenzielle Partner als Versicherungspolice für den Fall zu finden, dass Chinas wachsende Macht in Arroganz abgleitet. Auch andere Akteure auf dem großen Schachbrett der asiatischen Geopolitik sind bemüht, neue Gleichungen zu formulieren, während sie zeitgleich Strategien der Absicherung, Ausbalancierung und Trittbrettfahrerei verfolgen.

Darüber hinaus hat sich das schnell aufsteigende Asien zum Dreh- und Angelpunkt des globalen geopolitischen Wandels entwickelt. Asiens Politik und die Herausforderungen, vor denen es steht, bestimmen inzwischen die Weltwirtschaft und das internationale Sicherheitsumfeld mit.

Allerdings stellen bedeutende Machtverlagerungen innerhalb Asiens den Frieden und die Stabilität des Kontinents in Frage. Angesichts des sich bedrohlich abzeichnenden strategischen Ungleichgewichts in Asien sind Investitionen in die Stärkung der geopolitischen Stabilität zur zwingenden Notwendigkeit geworden.

Chinas länger werdender Schatten hat eine Reihe asiatischer Länder veranlasst, mit dem Abschluss von Sicherheitskooperationen auf bilateraler Basis zu beginnen. Damit legen sie das Fundament für ein potenzielles Netz miteinander verwobener strategischer Partnerschaften. Diese Kooperation spiegelt den stillen Wunsch wider, Chinas verhalten zum Positiven zu beeinflussen, um zu verhindern, dass es klar definierte „rote Linien“ überschreitet oder gegen das von ihm selbst verkündete Evangelium seines „friedlichen Aufstiegs“ verstößt.

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Doch der Aufbau echter Partnerschaften ist ein langsamer Prozess, denn er verlangt von beiden Seiten eine Menge Entgegenkommen und Anpassungsbereitschaft. Die USA etwa haben in den letzten Jahren hart daran gearbeitet, Indien in ein „weiches Bündnis“ ohne verbindliche Vertragsverpflichtungen zu kooptieren. Doch trotz des rasch harmonischer werdenden bilateralen Verhältnisses und Obamas jüngster Äußerung, die Indien zum „Eckstein des amerikanischen Engagements in Asien“ erklärte, tauchen immer wieder einander widersprechende Erwartungen und Interessen auf.

Die USA sind nun dabei, auch Vietnam zu umwerben, und beide Länder verhandeln sogar über ein ziviles Nukleargeschäft. Nach wie vor freilich wird das Denken in Hanoi und Washington in gewissem Umfang vom Erbe des Kalten Krieges belastet.

Innerhalb der herrschenden Kommunistischen Partei Vietnams gibt es tief greifende Divergenzen über die Beziehungen des Landes zu den USA. Auch wenn Vietnam sich derzeit den USA annähert, um sich gegen Chinas strategisches Muskelspiel abzusichern, fürchten einige Mitglieder der vietnamesischen Führung, dass die Amerikaner nach wie vor einen Regimewechsel anstreben.

Schließlich setzen die USA trotz der strategischen Bedeutung Burmas gegenüber China und der Aufhebung des Hausarrests von Aung San Suu Kyi weiterhin strenge Sanktionen gegen das Land durch, die das Ziel haben, dessen Regierung zu stürzen. Dies macht Burma abhängiger denn je von China.

Die Beziehungen zwischen den USA und China selbst dürften weiter von Unruhe geprägt bleiben, doch käme eine offene Konkurrenz oder Konfrontation keiner der beiden Seiten zupass. Den USA hilft Chinas Machtzuwachs nämlich, seine Truppenstationierungen innerhalb des asiatischen Einsatzgebietes zu begründen, und der China-Faktor erleichtert es ihnen zudem, bestehende Bündnispartner zu halten und neue hinzuzugewinnen und vergrößert so ihren strategischen Einfluss in Asien.

Während die USA also ein zentraler Faktor bei der Gestaltung der strategischen Landschaft Asiens bleiben dürften, ist die Rolle der wichtigen asiatischen Mächte nicht weniger bedeutsam. Wenn China, Indien und Japan ein ungleichseitiges strategisches Dreieck in Asien bilden, bei dem China die längste Seite A darstellt, so wird die Summe der Seiten B (Indien) und C (Japan) doch immer größer als A bleiben. Es ist also nicht überraschend, dass die heute am schnellsten wachsende Beziehung in Asien die zwischen Japan und Indien sein dürfte.

Würde sich dieses Dreieck durch Hinzufügung Russlands in ein Viereck verwandeln, wäre China von praktisch allen Seiten eingekreist. Japan plus Russland plus Indien würde, mit tätiger Mithilfe der USA, nicht nur jede Aussicht auf ein sinozentrisches Asien zunichtemachen, sondern wäre zugleich der ultimative strategische Alptraum für China. Wie freilich jüngste Entwicklungen zeigen, liegt eine russisch-japanische Annäherung nach wie vor in weiter Ferne.

Vor diesem geopolitischen Hintergrund dürfte Asiens Machtdynamik weiter im Fluss bleiben: Neue oder wechselnde Bündnisse und wachsende militärische Kapazitäten werden die bestehende Ordnung weiter in Frage stellen.

Dies passt zum Jahr des Tigers in der chinesischen Astrologie – einem Jahr, in dem China sein Grollen vernehmen ließ und durch die Eskalation territorialer Streitigkeiten die Spannungen mit Nachbarn von Japan bis Indien verschärfte. Tatsächlich wird man sich an 2010 als das Jahr erinnern, indem die chinesische Führung die Interessen des eigenen Landes untergrub, indem sie Ängste vor einem expansionistischen China anheizte und damit Amerikas Rückkehr in den Mittelpunkt des Geschehens in Asien erleichterte.

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