Fünfundzwanzig Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl hat die erneute Katastrophe im japanischen Fukushima hoffentlich definitiv klar gemacht, dass die angeblichen Segnungen des Atomzeitalters schlicht Illusionen sind: die Atomkraft ist weder sauber noch sicher noch billig.
Ganz im Gegenteil verfügt Atomkraft über drei ungelöste Großrisiken: Anlagensicherheit, Atommüll und das militärische Weiterverbreitungsrisiko. Zudem sind die Alternativen zur nuklearen Stromerzeugung bekannt und technisch weitaus moderner und nachhaltiger als fossile Brennstoffe oder Atom. Man muss das atomare Risiko nicht eingehen, sondern dies ist offensichtlich politisch gewollt.
Die fossilen und atomaren Energieträger gehören zu den technischen Utopien des 19. und 20. Jahrhunderts, die von dem Glauben an die Unschuld der technischen Machbarkeit lebten und von der Tatsache, dass damals global nur eine überwiegend im Westen lebende Minderheit von den Segnungen dieses Fortschritts profitierte.
Das 21. Jahrhundert wird durch die Erfahrung der Endlichkeit des globalen Ökosystems und seiner Ressourcen und durch die daraus erwachsende nachhaltige Verantwortung für den Erhalt dieses für uns Menschen unverzichtbaren Ökosystems geprägt werden. Darin liegt eine gewaltige technische Herausforderung und auch Chance.
Modernität wird dadurch neu definiert werden. Die energetische Zukunft von 9 Mrd. Menschen in der Mitte unseres Jahrhunderts liegt weder in den fossilen Brennstoffen noch in der Atomenergie, sondern allein in den erneuerbaren Energieträgern und einer dramatisch verbesserten Energieeffizienz. Man weiß dies bereits heute nur zu gut.
Warum gehen dann aber gerade die höchst entwickelten Staaten dieses nunmehr erneut bewiesene Risiko einer nationalen Großkatastrophe ein, nur um aus radioaktivem Zerfall Strom zu erzeugen? Die letztendliche Antwort auf diese Frage liegt nicht allein und vor allem im zivilen, sondern im militärischen Nutzen der Atomenergie.
Die Energie aus der Spaltung von Uran- und Plutoniumatomen wurde ursprünglich für die ultimative Waffe, die Atombombe genutzt. Sie verheißt souveränen Staaten die ultimative Macht, militärischen Schutz und das Prestige einer Nuklearmacht. Die Verfügung über diese Waffe teilt bis heute die globale Staatenwelt in zwei Klassen ein, in die wenigen Nuklearmächte und die vielen Habenichtse.
Die alte Weltordnung des Kalten Krieges gründete seit 1949 auf dem nuklearen Wettrüsten der beiden Supermächte USA und Sowjetunion. Und um zu verhindern, dass sich die zahlreichen Mitglieder der Staatenwelt diesem Wettrüsten anschlossen und versuchten, selbst Atommächte zu werden, und so zu einer Vervielfachung und Weiterverbreitung des atomaren Konfrontationsrisikos beitrugen, wurde in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts der Atomwaffensperrvertrag verhandelt und in Kraft gesetzt, der die Beziehungen zwischen den Nuklearmächten und dem Rest auf der Basis des Verzichts (Habenichtse) und nuklearer Abrüstungsverpflichtungen (Atommächte) bis heute regelt.
Freilich wurde dieser Vertrag mehrfach durchbrochen oder von Staaten unterlaufen, die ihm niemals beigetreten sind. Bis heute bleibt daher das Risiko, dass es zu einer Ausdehnung der Anzahl der Atommächte kommt. Dieses Risiko besteht vor allem für kleine und mittlere Mächte, die sich von einem solchen Schritt eine Aufwertung ihrer Position in Regionalkonflikten erhoffen und zudem zusätzliches Prestige erwarten. Iran ist dafür das aktuellste Beispiel.
Eine drohende Nuklearisierung solcher nicht immer sehr stabilen Staaten und eine damit einhergehende nukleare Aufladung der zahlreich vorhandenen Regionalkonflikte dieser Welt würde aber das 21. Jahrhundert sehr viel unsicherer machen und zudem das Risiko erheblich vergrößern, dass Atomwaffen schließlich auch in die Hände von Terroristen geraten könnten.
Trotz des Atomwaffensperrvertrages hat die klare Trennung zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung der Atomenergie nicht immer und nicht wirklich funktioniert, denn unter der Herrschaft des Vertrages ist es allen Unterzeichnerstaaten unter internationaler Kontrolle erlaubt, alle Komponenten des atomaren Brennstoffkreislaufs für zivile Zwecke zu entwickeln und zu gebrauchen. Von dort aus bedarf es dann nur noch weniger technologische Schritte und einer politischen Entscheidung der jeweiligen nationalen Führung, um den Schritt zur Nuklearmacht zu tun.
Dieses machtpolitische Geheimnis der Atomenergie ist es aber, das den Abschied von ihr so schwer macht, und keineswegs energiepolitische Gründe. In der Regel beginnt der Weg in Richtung Atommacht immer mit so genannten „zivilen“ Atomprogrammen. So haben etwa die behaupteten „zivilen“ atomaren Ambitionen des Iran zu einer Vielzahl von zivilen Programmen in dessen Nachbarstaaten geführt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Und selbstverständlich wird auch genau deshalb von den so genannten „verborgenen Schwellenstaaten“ jetzt sehr genau beobachtet und analysiert, wie die Reaktionen vor allem der Nuklearmächte auf die Atomkatastrophe von Fukushima ausfallen wird.
Wie wird die Welt, allen voran die wichtigsten Atomwaffenstaaten, auf die nukleare Katastrophe von Fukushima reagieren? Wird es global zu einem echten Gezeitenwechsel kommen und damit die Welt in Richtung nuklearer Abrüstung und eine atomwaffenfreie Zukunft voranschreiten? Oder wird man versuchen, die Gründe für diese Katastrophe wegzuerklären, um nach einiger Zeit zum business as usual zurückzukehren?
Fukushima hat die Welt vor eine weitreichende Grundsatzentscheidung gestellt. Es war Japan, das Hightech-Land Nummer 1 (und eben nicht die späte Sowjetunion), das nicht in der Lage war, die nötige Vorsorge zu treffen, um eine solche Katastrophe in vier Reaktorblöcken zu verhindern. Wie aber wird die zukünftige Risikobewertung erst aussehen müssen, wenn wesentlich schlechter organisierte und entwickelte Staaten in die zivile Nutzung der Atomenergie unter der tätigen Mithilfe der Atommächte einsteigen?
Und selbstverständlich wird ein „Weiter so!“ eine eindeutige Botschaft an die verborgenen Schwellenstaaten enthalten, die insgeheim militärische Absichten verfolgen. Die Botschaft lautet, dass man schön über eine atomwaffenfreie Zukunft reden und lange Dokumente verfassen kann, aber dass es ganz offensichtlich an dem politischen Willen der Nuklearmächte mangelt, international eine echte Kehrtwende in Richtung „Raus aus der Atomenergie!“ einzuleiten. Ein solcher Schritt wäre nicht nur ein epochaler Wechsel des Zeitgeistes, sondern deshalb auch ein enormer Beitrag zur globalen nuklearen Sicherheit und auch eine entscheidende praktische Weichenstellung zur Bekämpfung der militärischen nuklearen Weiterverbreitung.
Fünfundzwanzig Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl hat die erneute Katastrophe im japanischen Fukushima hoffentlich definitiv klar gemacht, dass die angeblichen Segnungen des Atomzeitalters schlicht Illusionen sind: die Atomkraft ist weder sauber noch sicher noch billig.
Ganz im Gegenteil verfügt Atomkraft über drei ungelöste Großrisiken: Anlagensicherheit, Atommüll und das militärische Weiterverbreitungsrisiko. Zudem sind die Alternativen zur nuklearen Stromerzeugung bekannt und technisch weitaus moderner und nachhaltiger als fossile Brennstoffe oder Atom. Man muss das atomare Risiko nicht eingehen, sondern dies ist offensichtlich politisch gewollt.
Die fossilen und atomaren Energieträger gehören zu den technischen Utopien des 19. und 20. Jahrhunderts, die von dem Glauben an die Unschuld der technischen Machbarkeit lebten und von der Tatsache, dass damals global nur eine überwiegend im Westen lebende Minderheit von den Segnungen dieses Fortschritts profitierte.
Das 21. Jahrhundert wird durch die Erfahrung der Endlichkeit des globalen Ökosystems und seiner Ressourcen und durch die daraus erwachsende nachhaltige Verantwortung für den Erhalt dieses für uns Menschen unverzichtbaren Ökosystems geprägt werden. Darin liegt eine gewaltige technische Herausforderung und auch Chance.
Modernität wird dadurch neu definiert werden. Die energetische Zukunft von 9 Mrd. Menschen in der Mitte unseres Jahrhunderts liegt weder in den fossilen Brennstoffen noch in der Atomenergie, sondern allein in den erneuerbaren Energieträgern und einer dramatisch verbesserten Energieeffizienz. Man weiß dies bereits heute nur zu gut.
Warum gehen dann aber gerade die höchst entwickelten Staaten dieses nunmehr erneut bewiesene Risiko einer nationalen Großkatastrophe ein, nur um aus radioaktivem Zerfall Strom zu erzeugen? Die letztendliche Antwort auf diese Frage liegt nicht allein und vor allem im zivilen, sondern im militärischen Nutzen der Atomenergie.
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Die Energie aus der Spaltung von Uran- und Plutoniumatomen wurde ursprünglich für die ultimative Waffe, die Atombombe genutzt. Sie verheißt souveränen Staaten die ultimative Macht, militärischen Schutz und das Prestige einer Nuklearmacht. Die Verfügung über diese Waffe teilt bis heute die globale Staatenwelt in zwei Klassen ein, in die wenigen Nuklearmächte und die vielen Habenichtse.
Die alte Weltordnung des Kalten Krieges gründete seit 1949 auf dem nuklearen Wettrüsten der beiden Supermächte USA und Sowjetunion. Und um zu verhindern, dass sich die zahlreichen Mitglieder der Staatenwelt diesem Wettrüsten anschlossen und versuchten, selbst Atommächte zu werden, und so zu einer Vervielfachung und Weiterverbreitung des atomaren Konfrontationsrisikos beitrugen, wurde in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts der Atomwaffensperrvertrag verhandelt und in Kraft gesetzt, der die Beziehungen zwischen den Nuklearmächten und dem Rest auf der Basis des Verzichts (Habenichtse) und nuklearer Abrüstungsverpflichtungen (Atommächte) bis heute regelt.
Freilich wurde dieser Vertrag mehrfach durchbrochen oder von Staaten unterlaufen, die ihm niemals beigetreten sind. Bis heute bleibt daher das Risiko, dass es zu einer Ausdehnung der Anzahl der Atommächte kommt. Dieses Risiko besteht vor allem für kleine und mittlere Mächte, die sich von einem solchen Schritt eine Aufwertung ihrer Position in Regionalkonflikten erhoffen und zudem zusätzliches Prestige erwarten. Iran ist dafür das aktuellste Beispiel.
Eine drohende Nuklearisierung solcher nicht immer sehr stabilen Staaten und eine damit einhergehende nukleare Aufladung der zahlreich vorhandenen Regionalkonflikte dieser Welt würde aber das 21. Jahrhundert sehr viel unsicherer machen und zudem das Risiko erheblich vergrößern, dass Atomwaffen schließlich auch in die Hände von Terroristen geraten könnten.
Trotz des Atomwaffensperrvertrages hat die klare Trennung zwischen der zivilen und der militärischen Nutzung der Atomenergie nicht immer und nicht wirklich funktioniert, denn unter der Herrschaft des Vertrages ist es allen Unterzeichnerstaaten unter internationaler Kontrolle erlaubt, alle Komponenten des atomaren Brennstoffkreislaufs für zivile Zwecke zu entwickeln und zu gebrauchen. Von dort aus bedarf es dann nur noch weniger technologische Schritte und einer politischen Entscheidung der jeweiligen nationalen Führung, um den Schritt zur Nuklearmacht zu tun.
Dieses machtpolitische Geheimnis der Atomenergie ist es aber, das den Abschied von ihr so schwer macht, und keineswegs energiepolitische Gründe. In der Regel beginnt der Weg in Richtung Atommacht immer mit so genannten „zivilen“ Atomprogrammen. So haben etwa die behaupteten „zivilen“ atomaren Ambitionen des Iran zu einer Vielzahl von zivilen Programmen in dessen Nachbarstaaten geführt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Und selbstverständlich wird auch genau deshalb von den so genannten „verborgenen Schwellenstaaten“ jetzt sehr genau beobachtet und analysiert, wie die Reaktionen vor allem der Nuklearmächte auf die Atomkatastrophe von Fukushima ausfallen wird.
Wie wird die Welt, allen voran die wichtigsten Atomwaffenstaaten, auf die nukleare Katastrophe von Fukushima reagieren? Wird es global zu einem echten Gezeitenwechsel kommen und damit die Welt in Richtung nuklearer Abrüstung und eine atomwaffenfreie Zukunft voranschreiten? Oder wird man versuchen, die Gründe für diese Katastrophe wegzuerklären, um nach einiger Zeit zum business as usual zurückzukehren?
Fukushima hat die Welt vor eine weitreichende Grundsatzentscheidung gestellt. Es war Japan, das Hightech-Land Nummer 1 (und eben nicht die späte Sowjetunion), das nicht in der Lage war, die nötige Vorsorge zu treffen, um eine solche Katastrophe in vier Reaktorblöcken zu verhindern. Wie aber wird die zukünftige Risikobewertung erst aussehen müssen, wenn wesentlich schlechter organisierte und entwickelte Staaten in die zivile Nutzung der Atomenergie unter der tätigen Mithilfe der Atommächte einsteigen?
Und selbstverständlich wird ein „Weiter so!“ eine eindeutige Botschaft an die verborgenen Schwellenstaaten enthalten, die insgeheim militärische Absichten verfolgen. Die Botschaft lautet, dass man schön über eine atomwaffenfreie Zukunft reden und lange Dokumente verfassen kann, aber dass es ganz offensichtlich an dem politischen Willen der Nuklearmächte mangelt, international eine echte Kehrtwende in Richtung „Raus aus der Atomenergie!“ einzuleiten. Ein solcher Schritt wäre nicht nur ein epochaler Wechsel des Zeitgeistes, sondern deshalb auch ein enormer Beitrag zur globalen nuklearen Sicherheit und auch eine entscheidende praktische Weichenstellung zur Bekämpfung der militärischen nuklearen Weiterverbreitung.