DAVOS – Seit der letzten Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums hat sich der Kurs der Geschichte dramatisch verändert. Russland ist in der Ukraine einmarschiert, was die Europäische Union, die gegründet wurde, um eine Rückkehr des Krieges auf den Kontinent zu verhindern, in ihrem Kern erschüttert hat. Selbst wenn die Kämpfe enden, was letztlich unvermeidlich ist, wird die Situation nie zum Status quo ante zurückkehren. Tatsächlich könnte sich die russische Invasion als Anfang des Dritten Weltkriegs erweisen, und womöglich wird unsere Zivilisation das nicht überleben.
Die Invasion in der Ukraine kam nicht aus heiterem Himmel. Die Welt befindet sich seit mindestens einem halben Jahrzehnt in einem zunehmenden Konflikt zwischen zwei diametral unterschiedlichen Regierungssystemen: der offenen Gesellschaft und der geschlossenen Gesellschaft. Lassen Sie mich die Unterschiede so einfach definieren, wie mir das möglich ist.
In einer offenen Gesellschaft besteht die Rolle des Staates darin, die Freiheit des Einzelnen zu schützen; in einer geschlossenen Gesellschaft ist es Rolle des Einzelnen, den staatlichen Herrschern zu dienen. Andere Fragen, die die gesamte Menschheit betreffen – die Bekämpfung von Pandemien und Klimawandel, die Vermeidung eines Atomkriegs und die Bewahrung globaler Institutionen – mussten sich in diesem Kampf der Systeme mit einer Nebenrolle begnügen. Das ist der Grund, warum ich sage, dass unsere Zivilisation womöglich nicht überleben wird.
Mein Engagement für das, was ich als politische Philanthropie bezeichne, begann in den 1980er Jahren – in einer Zeit, in der ein großer Teil der Welt unter kommunistischer Herrschaft dahinsiechte. Ich wollte den Menschen helfen, die sich empörten und gegen Unterdrückung kämpften. Ich gründete im damaligen Sowjetreich in rascher Folge eine Stiftung nach der anderen. Diese Bemühungen erwiesen sich als erfolgreicher, als ich erwartet hatte.
Es waren aufregende Tage. Sie fielen zudem mit einer Phase persönlicher finanzieller Erfolge zusammen, die es mir erlaubten, mein jährliches Spendenvolumen von drei Millionen Dollar im Jahr 1984 auf mehr als 300 Millionen Dollar drei Jahre später zu erhöhen.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 begann sich das Blatt zuungunsten der offenen Gesellschaften zu wenden. Repressive Regime sind nun im Aufstieg begriffen, und die offenen Gesellschaften sind bedroht. Die größten Bedrohungen für offene Gesellschaften stellen heute China und Russland dar.
Ich habe lange und hart darüber nachgedacht, warum dieser Umschwung erfolgte. Ein Teil der Antwort liegt in der raschen Entwicklung digitaler Technologien begründet, insbesondere der künstlichen Intelligenz (KI).
Technologie mit Reißzähnen
Theoretisch sollte die KI politisch neutral sein: Sie lässt sich zum Guten wie zum Schlechten nutzen. In der Praxis sind ihre Auswirkungen asymmetrischer Art. Die KI ist besonders gut darin, Kontrollinstrumente zu entwickeln, die repressiven Regimen helfen und offene Gesellschaften gefährden. Auch COVID-19 trug zur Legitimierung dieser Instrumente bei, denn im Umgang mit der Pandemie sind sie äußerst nützlich.
Die rasche Entwicklung der KI ging Hand in Hand mit dem Aufstieg der Big-Tech-Unternehmen und der sozialen Medien. Diese Konglomerate schafften es in kurzer Zeit, die Weltwirtschaft zu dominieren, und inzwischen reicht ihr Einfluss weltweit.
Diese Entwicklungen hatten weitreichende Folgen. Sie haben den Konflikt zwischen China und den USA verschärft. China hat seine Technologieplattformen in nationale Champions verwandelt. Die USA waren diesbezüglich zögerlicher, denn sie sorgten sich über die Auswirkungen dieser Technologien auf die Freiheit des Individuums.
Diese unterschiedlichen Einstellungen warfen ein neues Licht auf den Konflikt zwischen den beiden unterschiedlichen Regierungssystemen. Das China Präsident Xi Jinpings, das aggressiver als jedes andere Land in der Geschichte personenbezogene Daten erfasst, um seine Bürger zu überwachen und zu kontrollieren, sollte von diesen Entwicklungen profitieren. Das aber ist, wie ich im Weiteren erläutern werde, nicht der Fall.
Putin und Xi tun sich zusammen
Lassen Sie mich zunächst einige Entwicklungen der jüngsten Zeit ansprechen, insbesondere das Treffen zwischen Xi und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 4. Februar bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Winterspiele in Peking. Beide gaben eine lange Erklärung heraus, in der sie verkündeten, dass die Zusammenarbeit zwischen ihnen „keinerlei Einschränkungen“ unterliege. Putin informierte Xi über eine „militärische Sonderoperation” in der Ukraine, aber es ist unklar, ob er Xi erzählte, dass er dabei an eine großmaßstäbliche Invasion dachte. US-amerikanische und britische Militärexperten jedenfalls teilten ihren chinesischen Kollegen eindeutig mit, was da im Kommen war. Xi gab sein Einverständnis, aber bat Putin, bis zum Abschluss der Winterspiele zu warten.
Xi seinerseits entschloss sich, die Spiele trotz des Auftretens der hochansteckenden Omikron-Variante abzuhalten, die damals gerade begann, sich in China auszubreiten. Die Veranstalter unternahmen große Anstrengungen, um eine luftdichte Blase für die Wettkämpfer zu erstellen, und die Spiele wurden ohne Schwierigkeit zum Abschluss gebracht.
Omikron jedoch etablierte sich in der Bevölkerung – zuerst in Shanghai, Chinas größter Stadt und seinem wichtigsten Handelszentrum. Inzwischen verbreitet es sich im ganzen Land. Xi aber hält bis heute an seiner Null-COVID-Politik fest, die der Bevölkerung Shanghais große Härten auferlegt, indem sie die Bewohner in schnell errichtete Quarantänezentren zwingt, statt ihnen zu gestatten, sich zu Hause in Eigenquarantäne zu begeben. Die Einwohner Shanghais wurden dadurch an den Rand der offenen Rebellion getrieben.
Viele Menschen sind verblüfft über diesen scheinbar irrationalen Ansatz in Bezug auf die Pandemie, doch kann ich Ihnen die Erklärung dafür geben: Xi hat ein schmutziges Geheimnis. Er hat der chinesischen Bevölkerung nie erzählt, dass sie mit einem Vakzin geimpft wurde, das für die ursprüngliche Wuhan-Variante der Krankheit entwickelt wurde, aber wenig Schutz vor neuen Varianten bietet.
Xi kann es sich nicht leisten, das zu beichten, da dies ein sehr delikater Moment in seiner Karriere ist. Seine zweite Amtszeit läuft im Herbst ab, und er möchte für eine noch nie dagewesene dritte Amtszeit ernannt und letztlich Herrscher auf Lebenszeit werden. Er hat sorgfältig ein Verfahren choreographiert, das es ihm gestatten würde, sein Lebensziel zu erreichen, und diesem Ziel muss alles andere untergeordnet werden.
Widerstand gegenüber Russland
Putins „militärische Sonderoperation“ hat sich derweil nicht wie geplant entwickelt. Er erwartete, dass seine Truppen von der russischsprachigen Bevölkerung der Ukraine als Befreier begrüßt werden würden. Seine Soldaten hatten Paradeuniformen für eine Siegesparade im Gepäck.
Stattdessen leistete die Ukraine unerwartet starken Widerstand und fügte der Invasionsarmee, die schlecht ausgerüstet und schlecht geführt war und rasch demoralisiert wurde, schweren Schaden zu. Die USA und die EU unterstützten die Ukraine und belieferten sie mit Waffen. Mit ihrer Hilfe war die Ukraine in der Lage, die viel größere russische Armee in der Schlacht um Kiew zu besiegen.
Putin konnte es sich nicht leisten, die Niederlage zu akzeptieren, und änderte seine Pläne entsprechend. Er übertrug das Kommando an General Wladimir Schamanow, der für seine Grausamkeit bei der Belagerung von Grosny und später für die Brutalität der von ihm in Syrien verfolgten Kampagne bekannt ist, und befahl ihm, bis zum 9. Mai, dem Tag der Feier des Sieges über Nazideutschland, Erfolge vorzuweisen.
Aber Putin hatte wenig Grund zu feiern. Schamanow konzentrierte seine Bemühungen auf die Hafenstadt Mariupol, die früher 400.000 Einwohner hatte. Er legte sie in Schutt und Asche, so wie er das in Grosny getan hatte, doch die ukrainischen Verteidiger konnten sich lange behaupten.
Der hastige Rückzug aus Kiew legte die Gräueltaten offen, die Putins Armee an der Zivilbevölkerung in den nördlichen Vororten der Stadt begangen hatte. Die Kriegsverbrechen sind gut dokumentiert, und Bilder der von russischen Truppen ermordeten Zivilisten in Städten wie Bucha haben weit verbreitete internationale Empörung ausgelöst – allerdings nicht in Russland, wo die Bevölkerung über Putins Krieg im Dunkeln gehalten wird.
Inzwischen ist die Invasion der Ukraine in eine neue, für die Verteidiger des Landes schwierigere Phase eingetreten. Die ukrainische Armee muss nun in offenem Gelände kämpfen, wo sich die numerische Überlegenheit der russischen Streitkräfte sehr viel schwerer überwinden lässt.
Die Ukrainer tun ihr Bestes; sie starten Gegenangriffe und dringen manchmal sogar kühn auf russisches Gebiet vor. Diese Taktik hatte den zusätzlichen Vorteil, der russischen Bevölkerung bewusst zu machen, was wirklich im Gange ist.
Die USA haben ebenfalls ihr Bestes gegeben, um die finanzielle Kluft zwischen Russland und der Ukraine zu verringern, zuletzt, indem sie der ukrainischen Regierung beispiellose 40 Milliarden Dollar an Militärhilfe bereitgestellt haben. Ich kann das Ergebnis nicht vorhersagen, doch hat die Ukraine mit Sicherheit eine reelle Chance.
Ein geeinteres Europa
Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi und andere europäische Regierungschefs sind sogar noch weiter gegangen. Sie wollen die russische Invasion der Ukraine nutzen, um eine stärkere europäische Integration zu fördern, damit das, was Putin macht, nie wieder passieren kann.
Der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta (der Vorsitzende der Partito Democratico) hat einen Plan für ein teilweise föderatives Europa vorgelegt. Der föderative Teil würde die Bereiche Auswärtige Angelegenheiten, Asyl, Energie, Verteidigung und Sozial- und Gesundheitspolitik betreffen. Viele Menschen, darunter auch ich, argumentieren, dass die Ernährungs- und Klimasicherheit der Liste hinzugefügt werden sollte.
In Europas föderativen Kern hätte kein Mitgliedstaat eine Vetomacht. In anderen politischen Bereichen könnten die Mitgliedstaaten „Koalitionen der Willigen“ beitreten oder schlicht ihre Vetomacht behalten.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat in deutlicher Ausweitung seines proeuropäischen Ansatzes die Wichtigkeit einer geografischen Expansion und die Notwendigkeit der EU, sich darauf vorzubereiten, betont. Nicht nur die Ukraine, sondern auch Moldau, Georgien und der westliche Balkan sollten für die EU-Mitgliedschaft in Frage kommen. Es wird seine Zeit brauchen, um die Einzelheiten auszuarbeiten, aber Europa scheint sich in die richtige Richtung zu bewegen. Es hat auf die Invasion in der Ukraine schneller, einiger und kraftvoller reagiert als je zuvor in seiner Geschichte. Nach zögerlichem Start hat die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ebenfalls eine starke proeuropäische Stimme entwickelt.
Doch ist Europa nach wie vor übermäßig stark von russischen fossilen Brennstoffen abhängig, was weitgehend an der von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolgten merkantilistischen Politik liegt. Merkel schloss Sondervereinbarungen mit Russland und machte China zu Deutschlands größtem Handelspartner. Deutschland erhielt so die leistungsstärkste Volkswirtschaft in Europa, aber muss nun einen hohen Preis dafür zahlen. Die deutsche Volkswirtschaft muss sich umorientieren. Und das wird lange dauern.
Bundeskanzler Olaf Scholz wurde gewählt, weil er eine Fortsetzung von Merkels Politik und Regierungsstil versprach. Doch die Ereignisse zwangen ihn, diese Kontinuität aufzugeben, was nicht einfach war, weil er mit einigen geheiligten Traditionen seiner Partei, der SPD, brechen musste.
Was jedoch die Bewahrung der europäischen Einheit angeht, scheint Scholz letztlich immer das Richtige zu tun. Er hat die Erdgasröhrenleitung Nord Stream 2 ausgesetzt, 100 Milliarden Euro für die Verteidigung zugesagt und Waffen an die Ukraine geliefert, was den Bruch eines langjährigen Tabus darstellt. Und die westlichen Demokratien im Allgemeinen haben mit ähnlicher Entschlossenheit auf die russische Invasion in der Ukraine reagiert.
Despotische Desaster
Was haben die beiden nun in einem Bündnis feststeckenden Diktatoren Putin und Xi vorzuweisen? Sie haben eine Menge gemeinsam. Sie herrschen durch Einschüchterung und machen folglich atemberaubende Fehler. Putin erwartete, dass man ihn in der Ukraine als Befreier begrüßen würde; Xi seinerseits hält an einer Null-COVID-Strategie fest, die sich unmöglich aufrechterhalten lässt.
Putin scheint erkannt zu haben, dass er mit seinem Einmarsch in der Ukraine einen schrecklichen Fehler gemacht hat, und bereitet nun den Boden für Waffenstillstandsverhandlungen. Doch ist ein Waffenstillstand ein Ding der Unmöglichkeit, weil man ihm Putin vertrauen kann. Er müsste Friedensverhandlungen einleiten, was er nie tun wird, weil das einem Rücktritt gleichkommen würde.
Die Situation ist verwirrend. Einem Militärexperten, der gegen die Invasion gewesen war, wurde gestattet, die Öffentlichkeit im russischen Fernsehen darüber zu informieren, wie schlecht die Lage sei. Später beschwor er seine Treue zu Putin. Interessanterweise unterstützt Xi Putin weiterhin, aber nicht mehr uneingeschränkt.
Dies beginnt zu erklären, warum Xi zwangsläufig scheitern wird. Putin die Erlaubnis zur Einleitung eines erfolglosen Angriffs auf die Ukraine zu geben, lag nicht in Chinas Interesse. Obwohl China in diesem Bündnis mit Russland der Seniorpartner sein sollte, hat Xis Mangel an Durchsetzungsstärke es Putin gestattet, diese Position zu usurpieren. Xis schlimmster Fehler jedoch war es, seine Null-COVID-Strategie weiter zu forcieren.
Die fortgesetzten Lockdowns hatten katastrophale Folgen und haben die chinesische Volkswirtschaft seit März in den freien Fall geschickt. Der landesweite Schnellstraßen-Logistik-Index, der den Straßentransport in ganz China misst, fiel im April auf 70 % des Vorjahresniveaus. Für Shanghai allein ist der Index auf 17 % seines Vorjahresniveaus gefallen. Da über 80 % des Frachtvolumens in China per LKW befördert werden, deuten diese Zahlen auf einen Beinahe-Zusammenbruch des Inlandsfrachtverkehrs hin.
Darüber hinaus ist der Caixin Composite PMI Index, der Daten von rund 400 Unternehmen nutzt, um die Wirtschaftstrends im privaten Sektor in China nachzuvollziehen – und Umsatz, Neubestellungen, Beschäftigung, Lagerbestände und Preise misst – auf den Wert von 37,2 gefallen, gegenüber 43,9 im März. Ein PMI-Wert unter 50 bedeutet, dass die Wirtschaft schrumpft. Die steil zurückgehende Wirtschaftsaktivität in China wird zwangsläufig weltweite Folgen haben, doch zumindest bisher werden dafür kaum Vorbereitungen getroffen.
Diese negativen Ergebnisse werden weiter an Schwung gewinnen, bis Xi Kurs wechselt – was er nie tun wird, weil er keinen Fehler zugeben kann. Der Schaden, der noch zusätzlich auf eine Immobilienkrise trifft, wird so groß sein, dass er sich auf die Weltwirtschaft auswirken wird. Angesichts der Destabilisierung der Lieferketten könnte sich die globale Inflation in eine globale Depression verwandeln.
Risikominimierung
Für den Westen besteht das Dilemma im Umgang mit Russland darin, dass Putin, je mehr er geschwächt wird, umso unberechenbarer wird. Die EU-Mitgliedstaaten spüren diesen Druck. Es ist ihnen bewusst, dass Putin womöglich nicht warten wird, bis sie alternative Energiequellen erschlossen haben, bevor er ihnen selbst den Gashahn zudreht, solange das noch wirklich wehtut – so wie er das gegenüber Bulgarien, Polen und Finnland getan hat.
Das in der letzten Woche vorgestellte Programm REPowerEU spiegelt diese Ängste wider. Scholz im Besonderen ist nervös aufgrund der von Merkel mit Russland geschlossenen Sondervereinbarungen. Draghi ist mutiger, obwohl Italien fast so sehr vom Gas abhängig ist wie Deutschland. Der Zusammenhalt Europas wird auf eine schwere Probe gestellt werden, doch wenn es weiterhin gemeinsam handelt, könnte das sowohl die Sicherheit der europäischen Energieversorgung als auch Europas Führungsrolle in Bezug auf den Klimawandel stärken.
Was ist mit China? Xi hat viele Feinde. Niemand traut sich, ihn direkt anzugreifen, weil er alle Instrumente der Überwachung und Unterdrückung kontrolliert. Doch ist wohlbekannt, dass sich die Uneinigkeit innerhalb der Kommunistischen Partei derart verschärft hat, dass sie Ausdruck in Artikeln gefunden hat, die die Normalbürger lesen können.
Entgegen den Erwartungen wird Xi seine begehrte dritte Amtszeit aufgrund der Fehler, die er gemacht hat, möglicherweise nicht bekommen. Doch selbst wenn wird ihm das Politbüro womöglich bei der Auswahl des nächsten Politbüros keine freie Hand lassen. Das würde seine Macht und seinen Einfluss stark verringern und es unwahrscheinlicher machen, dass er Herrscher auf Lebenszeit wird.
Derweil hat der Kampf gegen den Klimawandel angesichts des in der Ukraine wütenden Krieges zwangsläufig eine Nebenrolle gespielt. Doch sagen uns die Fachleute, dass wir damit bereits deutlich im Rückstand sind und der Klimawandel kurz davor steht, unumkehrbar zu werden. Das könnte das Ende unserer Zivilisation bedeuten.
Ich finde diese Aussicht besonders furchteinflößend. Die meisten von uns akzeptieren, dass wir irgendwann sterben müssen, doch wir nehmen es als selbstverständlich an, dass unsere Zivilisation überleben wird.
Wir müssen daher all unsere Ressourcen mobilisieren, um den Krieg rasch zu Ende zu bringen. Der beste und womöglich einzige Weg zur Rettung unserer Zivilisation besteht darin, Putin zu besiegen. Darauf läuft es unterm Strich hinaus.
Aus dem Englischen von Jan Doolan
DAVOS – Seit der letzten Jahrestagung des Weltwirtschaftsforums hat sich der Kurs der Geschichte dramatisch verändert. Russland ist in der Ukraine einmarschiert, was die Europäische Union, die gegründet wurde, um eine Rückkehr des Krieges auf den Kontinent zu verhindern, in ihrem Kern erschüttert hat. Selbst wenn die Kämpfe enden, was letztlich unvermeidlich ist, wird die Situation nie zum Status quo ante zurückkehren. Tatsächlich könnte sich die russische Invasion als Anfang des Dritten Weltkriegs erweisen, und womöglich wird unsere Zivilisation das nicht überleben.
Die Invasion in der Ukraine kam nicht aus heiterem Himmel. Die Welt befindet sich seit mindestens einem halben Jahrzehnt in einem zunehmenden Konflikt zwischen zwei diametral unterschiedlichen Regierungssystemen: der offenen Gesellschaft und der geschlossenen Gesellschaft. Lassen Sie mich die Unterschiede so einfach definieren, wie mir das möglich ist.
In einer offenen Gesellschaft besteht die Rolle des Staates darin, die Freiheit des Einzelnen zu schützen; in einer geschlossenen Gesellschaft ist es Rolle des Einzelnen, den staatlichen Herrschern zu dienen. Andere Fragen, die die gesamte Menschheit betreffen – die Bekämpfung von Pandemien und Klimawandel, die Vermeidung eines Atomkriegs und die Bewahrung globaler Institutionen – mussten sich in diesem Kampf der Systeme mit einer Nebenrolle begnügen. Das ist der Grund, warum ich sage, dass unsere Zivilisation womöglich nicht überleben wird.
Mein Engagement für das, was ich als politische Philanthropie bezeichne, begann in den 1980er Jahren – in einer Zeit, in der ein großer Teil der Welt unter kommunistischer Herrschaft dahinsiechte. Ich wollte den Menschen helfen, die sich empörten und gegen Unterdrückung kämpften. Ich gründete im damaligen Sowjetreich in rascher Folge eine Stiftung nach der anderen. Diese Bemühungen erwiesen sich als erfolgreicher, als ich erwartet hatte.
Es waren aufregende Tage. Sie fielen zudem mit einer Phase persönlicher finanzieller Erfolge zusammen, die es mir erlaubten, mein jährliches Spendenvolumen von drei Millionen Dollar im Jahr 1984 auf mehr als 300 Millionen Dollar drei Jahre später zu erhöhen.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 begann sich das Blatt zuungunsten der offenen Gesellschaften zu wenden. Repressive Regime sind nun im Aufstieg begriffen, und die offenen Gesellschaften sind bedroht. Die größten Bedrohungen für offene Gesellschaften stellen heute China und Russland dar.
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Ich habe lange und hart darüber nachgedacht, warum dieser Umschwung erfolgte. Ein Teil der Antwort liegt in der raschen Entwicklung digitaler Technologien begründet, insbesondere der künstlichen Intelligenz (KI).
Technologie mit Reißzähnen
Theoretisch sollte die KI politisch neutral sein: Sie lässt sich zum Guten wie zum Schlechten nutzen. In der Praxis sind ihre Auswirkungen asymmetrischer Art. Die KI ist besonders gut darin, Kontrollinstrumente zu entwickeln, die repressiven Regimen helfen und offene Gesellschaften gefährden. Auch COVID-19 trug zur Legitimierung dieser Instrumente bei, denn im Umgang mit der Pandemie sind sie äußerst nützlich.
Die rasche Entwicklung der KI ging Hand in Hand mit dem Aufstieg der Big-Tech-Unternehmen und der sozialen Medien. Diese Konglomerate schafften es in kurzer Zeit, die Weltwirtschaft zu dominieren, und inzwischen reicht ihr Einfluss weltweit.
Diese Entwicklungen hatten weitreichende Folgen. Sie haben den Konflikt zwischen China und den USA verschärft. China hat seine Technologieplattformen in nationale Champions verwandelt. Die USA waren diesbezüglich zögerlicher, denn sie sorgten sich über die Auswirkungen dieser Technologien auf die Freiheit des Individuums.
Diese unterschiedlichen Einstellungen warfen ein neues Licht auf den Konflikt zwischen den beiden unterschiedlichen Regierungssystemen. Das China Präsident Xi Jinpings, das aggressiver als jedes andere Land in der Geschichte personenbezogene Daten erfasst, um seine Bürger zu überwachen und zu kontrollieren, sollte von diesen Entwicklungen profitieren. Das aber ist, wie ich im Weiteren erläutern werde, nicht der Fall.
Putin und Xi tun sich zusammen
Lassen Sie mich zunächst einige Entwicklungen der jüngsten Zeit ansprechen, insbesondere das Treffen zwischen Xi und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am 4. Februar bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Winterspiele in Peking. Beide gaben eine lange Erklärung heraus, in der sie verkündeten, dass die Zusammenarbeit zwischen ihnen „keinerlei Einschränkungen“ unterliege. Putin informierte Xi über eine „militärische Sonderoperation” in der Ukraine, aber es ist unklar, ob er Xi erzählte, dass er dabei an eine großmaßstäbliche Invasion dachte. US-amerikanische und britische Militärexperten jedenfalls teilten ihren chinesischen Kollegen eindeutig mit, was da im Kommen war. Xi gab sein Einverständnis, aber bat Putin, bis zum Abschluss der Winterspiele zu warten.
Xi seinerseits entschloss sich, die Spiele trotz des Auftretens der hochansteckenden Omikron-Variante abzuhalten, die damals gerade begann, sich in China auszubreiten. Die Veranstalter unternahmen große Anstrengungen, um eine luftdichte Blase für die Wettkämpfer zu erstellen, und die Spiele wurden ohne Schwierigkeit zum Abschluss gebracht.
Omikron jedoch etablierte sich in der Bevölkerung – zuerst in Shanghai, Chinas größter Stadt und seinem wichtigsten Handelszentrum. Inzwischen verbreitet es sich im ganzen Land. Xi aber hält bis heute an seiner Null-COVID-Politik fest, die der Bevölkerung Shanghais große Härten auferlegt, indem sie die Bewohner in schnell errichtete Quarantänezentren zwingt, statt ihnen zu gestatten, sich zu Hause in Eigenquarantäne zu begeben. Die Einwohner Shanghais wurden dadurch an den Rand der offenen Rebellion getrieben.
Viele Menschen sind verblüfft über diesen scheinbar irrationalen Ansatz in Bezug auf die Pandemie, doch kann ich Ihnen die Erklärung dafür geben: Xi hat ein schmutziges Geheimnis. Er hat der chinesischen Bevölkerung nie erzählt, dass sie mit einem Vakzin geimpft wurde, das für die ursprüngliche Wuhan-Variante der Krankheit entwickelt wurde, aber wenig Schutz vor neuen Varianten bietet.
Xi kann es sich nicht leisten, das zu beichten, da dies ein sehr delikater Moment in seiner Karriere ist. Seine zweite Amtszeit läuft im Herbst ab, und er möchte für eine noch nie dagewesene dritte Amtszeit ernannt und letztlich Herrscher auf Lebenszeit werden. Er hat sorgfältig ein Verfahren choreographiert, das es ihm gestatten würde, sein Lebensziel zu erreichen, und diesem Ziel muss alles andere untergeordnet werden.
Widerstand gegenüber Russland
Putins „militärische Sonderoperation“ hat sich derweil nicht wie geplant entwickelt. Er erwartete, dass seine Truppen von der russischsprachigen Bevölkerung der Ukraine als Befreier begrüßt werden würden. Seine Soldaten hatten Paradeuniformen für eine Siegesparade im Gepäck.
Stattdessen leistete die Ukraine unerwartet starken Widerstand und fügte der Invasionsarmee, die schlecht ausgerüstet und schlecht geführt war und rasch demoralisiert wurde, schweren Schaden zu. Die USA und die EU unterstützten die Ukraine und belieferten sie mit Waffen. Mit ihrer Hilfe war die Ukraine in der Lage, die viel größere russische Armee in der Schlacht um Kiew zu besiegen.
Putin konnte es sich nicht leisten, die Niederlage zu akzeptieren, und änderte seine Pläne entsprechend. Er übertrug das Kommando an General Wladimir Schamanow, der für seine Grausamkeit bei der Belagerung von Grosny und später für die Brutalität der von ihm in Syrien verfolgten Kampagne bekannt ist, und befahl ihm, bis zum 9. Mai, dem Tag der Feier des Sieges über Nazideutschland, Erfolge vorzuweisen.
Aber Putin hatte wenig Grund zu feiern. Schamanow konzentrierte seine Bemühungen auf die Hafenstadt Mariupol, die früher 400.000 Einwohner hatte. Er legte sie in Schutt und Asche, so wie er das in Grosny getan hatte, doch die ukrainischen Verteidiger konnten sich lange behaupten.
Der hastige Rückzug aus Kiew legte die Gräueltaten offen, die Putins Armee an der Zivilbevölkerung in den nördlichen Vororten der Stadt begangen hatte. Die Kriegsverbrechen sind gut dokumentiert, und Bilder der von russischen Truppen ermordeten Zivilisten in Städten wie Bucha haben weit verbreitete internationale Empörung ausgelöst – allerdings nicht in Russland, wo die Bevölkerung über Putins Krieg im Dunkeln gehalten wird.
Inzwischen ist die Invasion der Ukraine in eine neue, für die Verteidiger des Landes schwierigere Phase eingetreten. Die ukrainische Armee muss nun in offenem Gelände kämpfen, wo sich die numerische Überlegenheit der russischen Streitkräfte sehr viel schwerer überwinden lässt.
Die Ukrainer tun ihr Bestes; sie starten Gegenangriffe und dringen manchmal sogar kühn auf russisches Gebiet vor. Diese Taktik hatte den zusätzlichen Vorteil, der russischen Bevölkerung bewusst zu machen, was wirklich im Gange ist.
Die USA haben ebenfalls ihr Bestes gegeben, um die finanzielle Kluft zwischen Russland und der Ukraine zu verringern, zuletzt, indem sie der ukrainischen Regierung beispiellose 40 Milliarden Dollar an Militärhilfe bereitgestellt haben. Ich kann das Ergebnis nicht vorhersagen, doch hat die Ukraine mit Sicherheit eine reelle Chance.
Ein geeinteres Europa
Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi und andere europäische Regierungschefs sind sogar noch weiter gegangen. Sie wollen die russische Invasion der Ukraine nutzen, um eine stärkere europäische Integration zu fördern, damit das, was Putin macht, nie wieder passieren kann.
Der frühere italienische Ministerpräsident Enrico Letta (der Vorsitzende der Partito Democratico) hat einen Plan für ein teilweise föderatives Europa vorgelegt. Der föderative Teil würde die Bereiche Auswärtige Angelegenheiten, Asyl, Energie, Verteidigung und Sozial- und Gesundheitspolitik betreffen. Viele Menschen, darunter auch ich, argumentieren, dass die Ernährungs- und Klimasicherheit der Liste hinzugefügt werden sollte.
In Europas föderativen Kern hätte kein Mitgliedstaat eine Vetomacht. In anderen politischen Bereichen könnten die Mitgliedstaaten „Koalitionen der Willigen“ beitreten oder schlicht ihre Vetomacht behalten.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat in deutlicher Ausweitung seines proeuropäischen Ansatzes die Wichtigkeit einer geografischen Expansion und die Notwendigkeit der EU, sich darauf vorzubereiten, betont. Nicht nur die Ukraine, sondern auch Moldau, Georgien und der westliche Balkan sollten für die EU-Mitgliedschaft in Frage kommen. Es wird seine Zeit brauchen, um die Einzelheiten auszuarbeiten, aber Europa scheint sich in die richtige Richtung zu bewegen. Es hat auf die Invasion in der Ukraine schneller, einiger und kraftvoller reagiert als je zuvor in seiner Geschichte. Nach zögerlichem Start hat die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen ebenfalls eine starke proeuropäische Stimme entwickelt.
Doch ist Europa nach wie vor übermäßig stark von russischen fossilen Brennstoffen abhängig, was weitgehend an der von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolgten merkantilistischen Politik liegt. Merkel schloss Sondervereinbarungen mit Russland und machte China zu Deutschlands größtem Handelspartner. Deutschland erhielt so die leistungsstärkste Volkswirtschaft in Europa, aber muss nun einen hohen Preis dafür zahlen. Die deutsche Volkswirtschaft muss sich umorientieren. Und das wird lange dauern.
Bundeskanzler Olaf Scholz wurde gewählt, weil er eine Fortsetzung von Merkels Politik und Regierungsstil versprach. Doch die Ereignisse zwangen ihn, diese Kontinuität aufzugeben, was nicht einfach war, weil er mit einigen geheiligten Traditionen seiner Partei, der SPD, brechen musste.
Was jedoch die Bewahrung der europäischen Einheit angeht, scheint Scholz letztlich immer das Richtige zu tun. Er hat die Erdgasröhrenleitung Nord Stream 2 ausgesetzt, 100 Milliarden Euro für die Verteidigung zugesagt und Waffen an die Ukraine geliefert, was den Bruch eines langjährigen Tabus darstellt. Und die westlichen Demokratien im Allgemeinen haben mit ähnlicher Entschlossenheit auf die russische Invasion in der Ukraine reagiert.
Despotische Desaster
Was haben die beiden nun in einem Bündnis feststeckenden Diktatoren Putin und Xi vorzuweisen? Sie haben eine Menge gemeinsam. Sie herrschen durch Einschüchterung und machen folglich atemberaubende Fehler. Putin erwartete, dass man ihn in der Ukraine als Befreier begrüßen würde; Xi seinerseits hält an einer Null-COVID-Strategie fest, die sich unmöglich aufrechterhalten lässt.
Putin scheint erkannt zu haben, dass er mit seinem Einmarsch in der Ukraine einen schrecklichen Fehler gemacht hat, und bereitet nun den Boden für Waffenstillstandsverhandlungen. Doch ist ein Waffenstillstand ein Ding der Unmöglichkeit, weil man ihm Putin vertrauen kann. Er müsste Friedensverhandlungen einleiten, was er nie tun wird, weil das einem Rücktritt gleichkommen würde.
Die Situation ist verwirrend. Einem Militärexperten, der gegen die Invasion gewesen war, wurde gestattet, die Öffentlichkeit im russischen Fernsehen darüber zu informieren, wie schlecht die Lage sei. Später beschwor er seine Treue zu Putin. Interessanterweise unterstützt Xi Putin weiterhin, aber nicht mehr uneingeschränkt.
Dies beginnt zu erklären, warum Xi zwangsläufig scheitern wird. Putin die Erlaubnis zur Einleitung eines erfolglosen Angriffs auf die Ukraine zu geben, lag nicht in Chinas Interesse. Obwohl China in diesem Bündnis mit Russland der Seniorpartner sein sollte, hat Xis Mangel an Durchsetzungsstärke es Putin gestattet, diese Position zu usurpieren. Xis schlimmster Fehler jedoch war es, seine Null-COVID-Strategie weiter zu forcieren.
Die fortgesetzten Lockdowns hatten katastrophale Folgen und haben die chinesische Volkswirtschaft seit März in den freien Fall geschickt. Der landesweite Schnellstraßen-Logistik-Index, der den Straßentransport in ganz China misst, fiel im April auf 70 % des Vorjahresniveaus. Für Shanghai allein ist der Index auf 17 % seines Vorjahresniveaus gefallen. Da über 80 % des Frachtvolumens in China per LKW befördert werden, deuten diese Zahlen auf einen Beinahe-Zusammenbruch des Inlandsfrachtverkehrs hin.
Darüber hinaus ist der Caixin Composite PMI Index, der Daten von rund 400 Unternehmen nutzt, um die Wirtschaftstrends im privaten Sektor in China nachzuvollziehen – und Umsatz, Neubestellungen, Beschäftigung, Lagerbestände und Preise misst – auf den Wert von 37,2 gefallen, gegenüber 43,9 im März. Ein PMI-Wert unter 50 bedeutet, dass die Wirtschaft schrumpft. Die steil zurückgehende Wirtschaftsaktivität in China wird zwangsläufig weltweite Folgen haben, doch zumindest bisher werden dafür kaum Vorbereitungen getroffen.
Diese negativen Ergebnisse werden weiter an Schwung gewinnen, bis Xi Kurs wechselt – was er nie tun wird, weil er keinen Fehler zugeben kann. Der Schaden, der noch zusätzlich auf eine Immobilienkrise trifft, wird so groß sein, dass er sich auf die Weltwirtschaft auswirken wird. Angesichts der Destabilisierung der Lieferketten könnte sich die globale Inflation in eine globale Depression verwandeln.
Risikominimierung
Für den Westen besteht das Dilemma im Umgang mit Russland darin, dass Putin, je mehr er geschwächt wird, umso unberechenbarer wird. Die EU-Mitgliedstaaten spüren diesen Druck. Es ist ihnen bewusst, dass Putin womöglich nicht warten wird, bis sie alternative Energiequellen erschlossen haben, bevor er ihnen selbst den Gashahn zudreht, solange das noch wirklich wehtut – so wie er das gegenüber Bulgarien, Polen und Finnland getan hat.
Das in der letzten Woche vorgestellte Programm REPowerEU spiegelt diese Ängste wider. Scholz im Besonderen ist nervös aufgrund der von Merkel mit Russland geschlossenen Sondervereinbarungen. Draghi ist mutiger, obwohl Italien fast so sehr vom Gas abhängig ist wie Deutschland. Der Zusammenhalt Europas wird auf eine schwere Probe gestellt werden, doch wenn es weiterhin gemeinsam handelt, könnte das sowohl die Sicherheit der europäischen Energieversorgung als auch Europas Führungsrolle in Bezug auf den Klimawandel stärken.
Was ist mit China? Xi hat viele Feinde. Niemand traut sich, ihn direkt anzugreifen, weil er alle Instrumente der Überwachung und Unterdrückung kontrolliert. Doch ist wohlbekannt, dass sich die Uneinigkeit innerhalb der Kommunistischen Partei derart verschärft hat, dass sie Ausdruck in Artikeln gefunden hat, die die Normalbürger lesen können.
Entgegen den Erwartungen wird Xi seine begehrte dritte Amtszeit aufgrund der Fehler, die er gemacht hat, möglicherweise nicht bekommen. Doch selbst wenn wird ihm das Politbüro womöglich bei der Auswahl des nächsten Politbüros keine freie Hand lassen. Das würde seine Macht und seinen Einfluss stark verringern und es unwahrscheinlicher machen, dass er Herrscher auf Lebenszeit wird.
Derweil hat der Kampf gegen den Klimawandel angesichts des in der Ukraine wütenden Krieges zwangsläufig eine Nebenrolle gespielt. Doch sagen uns die Fachleute, dass wir damit bereits deutlich im Rückstand sind und der Klimawandel kurz davor steht, unumkehrbar zu werden. Das könnte das Ende unserer Zivilisation bedeuten.
Ich finde diese Aussicht besonders furchteinflößend. Die meisten von uns akzeptieren, dass wir irgendwann sterben müssen, doch wir nehmen es als selbstverständlich an, dass unsere Zivilisation überleben wird.
Wir müssen daher all unsere Ressourcen mobilisieren, um den Krieg rasch zu Ende zu bringen. Der beste und womöglich einzige Weg zur Rettung unserer Zivilisation besteht darin, Putin zu besiegen. Darauf läuft es unterm Strich hinaus.
Aus dem Englischen von Jan Doolan