Die zaghafte Öffnung Turkmenistans

ASCHGABAT: Turkmenistan – ein Land reich an Erdgas und strategisch an den Grenzen zum Iran und zu Afghanistan gelegen – könnte an der Schwelle des Wandels stehen. Durch Reform seines Bildungssystems und indem es seinen Bürgern Zugriff auf globale Informationsressourcen gewährt, könnte sich das Land zu einem Vorreiter von Veränderungen im postsowjetischen Zentralasien entwickeln, der anderen abgeschotteten Gesellschaft einschließlich Nordkoreas ein Beispiel für eine Öffnung bietet.

Turkmenistans Präsident Gurbanguly Berdimuhhamedow hat seine Reformabsichten wiederholt und öffentlich erklärt. Die Welt muss diese Möglichkeit begrüßen und seine Bemühungen unterstützen.

Fünfzehn Jahre lang wurde Turkmenistan durch den Personenkult seines ehemaligen Führers Saparmurat Nijasow, der sich selbst zum Turkmenbaschi („Vater aller Turkmenen“) stilisierte, in Geiselhaft genommen. Nijasow zerstörte das Gesundheitswesen des Landes und vernachlässigte die endemische Armut, während er gleichzeitig Milliarden dafür ausgab, Aschgabat, die Hauptstadt des Landes, in ein Wunder von weißem Marmor und Gold im Stile Las Vegas’ zu verwandeln.

Nijasow zwang Schüler und Studenten bis hin zu Doktoranden, ein von ihm selbst verfasstes idiosynkratisches Buch, die Ruhnama , zum zentralen Fokus ihrer Studien zu machen. Er schottete Turkmenistan außerdem von der Außenwelt ab, verbot den Zugriff auf das Internet und hielt von internationalen Reisen ab.

Gleich nach Nijasows Tod im Dezember 2006 hat Berdimuhhamedow seinen Wunsch nach Reformen zum Ausdruck gebracht, insbesondere im Bereich des Gesundheitswesens, der Bildung und der Informationstechnologie. Berdimuhhamedow bemüht sich außerdem um private Investitionen aus dem Ausland. Die dabei erzielten Fortschritte sind langsam. Alle Schüler und Studenten müssen sich noch immer eine oder zwei Stunden pro Woche mit der Ruhnama befassen, und obwohl inzwischen viele Klassenräume in Aschgabat mit modernsten Computern ausgestattet sind, ist der Zugriff auf das Internet noch immer einigen wenigen Regierungsmitarbeitern sowie ausländischen Gästen vorbehalten.

Doch es gibt tröpfchenweise Veränderungen. Im vergangenen Monat lud das Bildungsministerium eine Delegation des Harriman Institute der Columbia University zu einem Besuch des Landes ein, um die Bildungspraxis in den Vereinigten Staaten zu diskutieren und Ansichten über eine Bildungsreform auszutauschen. Beide Seiten unterzeichneten eine Absichtserklärung über die Durchführung einer Reihe gemeinsamer Konferenzen und den Austausch von Lehrpersonal und Studenten während der kommenden zwei Jahre.

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In der Vergangenheit beharrten die USA auf dem Versuch, ihre eigenen Entwicklungs- und Demokratisierungsmodelle auf andere Länder zu übertragen. Die Ereignisse im Irak haben gezeigt, dass eine derartige Strategie häufig nach hinten losgeht. Nun bietet sich mit der begrenzten Öffnung unter Berdimuhhamedow die Gelegenheit, eine andere Art von reformorientierter Beziehung nicht nur zu den USA, sondern zum Westen insgesamt und insbesondere zur Europäischen Union einzugehen. Eine Bildungsreform könnte der erste Schritt innerhalb eines evolutionären Prozesses bedeutender Veränderungen sein.

Westliche Analysten neigen bisher dazu, Turkmenistan entweder aufgrund seiner Menschenrechtsbilanz als unberührbar zu betrachten oder ihm im Zusammenhang des laufenden Pipeline-Wettbewerbs zwischen Westeuropa und Russland lediglich als Quelle von Erdgas zu begegnen. Sowohl Menschenrechte wie Erdgas sollten ihren Platz auf der internationalen Tagesordnung behalten. Doch mit diesem Austausch von Besuchen hat sich ein Spalt für einen offeneren Dialog auf neutralerem Boden geöffnet.

Wir sollten die Gelegenheit ergreifen, Berdimuhhamedows Reformbemühungen zu unterstützen, egal, wie stockend diese ablaufen mögen. Sowohl Timing als auch die Nuancen der Annäherung an Turkmenistan sind dabei entscheidend: Eine neue Vereinbarung über den Erdgaspreis zwischen Turkmenistan und Russland dürfte Aschgabat in naher Zukunft unverhoffte Gewinne einbringen, und dieses zusätzliche Geld könnte einen autoritären Rückfall verführerisch erscheinen lassen.

Die westliche Diplomatie sollten die Regierung Turkmenistans ermutigen, ihre Pläne für einen Bildungsaustausch wahr zu machen, und Berdimuhhamedow drängen, seiner Bevölkerung einen umfassenderen Zugriff auf das Internet zu ermöglichen. Wenn mehr Informationen frei innerhalb des Landes zirkulieren und Einzelne durch Auslandsreisen verstärkt andere Lebensweisen kennen lernen, wird der Griff des Autoritarismus nachlassen.

Doch der Wandel in Turkmenistan wird vermutlich langsam verlaufen. Es gibt Interessengruppen, die vom derzeitigen System und den Korruptionschancen, die es ihnen bietet, profitieren. Selbst Regierungsmitarbeiter mit besten Absichten haben mit Sicherheit Angst vor der Unsicherheit, was eine gebildetere und besser informierte Bevölkerung von ihnen verlangen könnte.

Trotzdem hat Berdimuhhamedow, indem er sich öffentlich für eine Bildungsreform und den Austausch von Informationen ausgesprochen hat, der Außenwelt ein Mittel an die Hand gegeben, ihm bei der Öffnung seines Landes zu helfen. Die Welt sollte diese Tür nutzen, bevor sie sich wieder schließt.

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