buruma215_ Octavio JonesGetty Images_trump supporters Octavio Jones/Getty Images

Demokratie, welche Demokratie?

NEW YORK – Fast alle sind sich einig, dass die Chancen der Republikaner auf einen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im November nach dem fürchterlichen Auftritt von US-Präsident Joe Biden bei der Debatte gegen Donald Trump gestiegen sind. Trump hat gelogen und gepoltert, aber das voller Elan. Biden lieferte zwar einige gute Argumente, wirkte aber in Ausführungen und Gesamtbild wie ein verwirrter alter Mann.

Am Ende werden seine guten Argumente wohl wenig zählen. Wie Frank Luntz, Urgestein in Sachen republikanischer Wahlpolitik, in derNew York Timesschrieb, kommt es nicht auf „Fakten, Politik oder gar darauf an, ob Biden oder Trump überlegen war, sondern auf das Gefühl, das sie bei Wählerinnen und Wählern hervorrufen.“ Es besteht kein Zweifel, dass sich die Wählerschaft der Demokraten nach diesem Fiasko schlecht fühlt.

Biden räumte ein, seinen Auftritt vermasselt zu haben, vertritt aber weiterhin die Auffassung, dass eine zweite Trump-Administration eine existenzielle Bedrohung für die Demokratie in den Vereinigten Staaten darstellt. Eine liberale Demokratie kann ohne unabhängige Justiz, freie Presse und unparteiische Verwaltung nicht funktionieren. Biden glaubt an diese demokratischen Grundpfeiler. Trump hingegen plant, den öffentlichen Dienst mit Gefolgsleuten zu besetzen, will die Justiz und das Justizministerium als politisches Instrument gegen seine Feinde einsetzen, hasst die Presse und liebäugelt mit der Gewalt des Mobs.

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