Ohne die Quantenphysik, eine der wichtigsten wissenschaftlichen Revolutionen des 20. Jahrhunderts, wären viele moderne Technologien undenkbar. Die Funktionsweise von Transistoren, Computer-Chips und Lasern wäre ohne den Einblick in die Natur, den die Quantenphysik gewährt, unverständlich. Trotz ihrer bislang enormen praktischen Bedeutungen, stellt sie nach wie vor - auf entmutigende Art und Weise - die herkömmliche Sichtweise theoretisch in Frage, dass natürliche Phänomene unabhängig von unseren Beobachtungen notwendigerweise existieren.
Anders als Objekte im täglichen Leben, können beispielsweise zwei oder mehr Quantenteilchen - Einheiten von Materieteilchen, die Welleneigenschaften besitzen - so miteinander verbunden werden, dass sie, unabhängig davon wie weit sie voneinander entfernt sind, bei der Beobachtung die gleichen Eigenschaften aufweisen. Albert Einstein bezeichnete dieses Phänomen als „spukhafte Fernwirkung”. Was zu Einsteins Zeit nichts weiter als eine logische Schlussfolgerung war, die aus der neuen Theorie der Quantenmechanik gezogen wurde, ist heutzutage ein zentrales Forschungsproblem für Experimentallabore in aller Welt und ist zum grundlegenden Begriff in dem sich neu entwickelnden Zweig der Quanten-Informations-Technologie geworden.
Der österreichische Nobelpreisträger Erwin Schrödinger nannte Einsteins spukhafte Fernwirkung „Verschränkung” und bezeichnete dies als Essenz der Quantenphysik. Verschränkung bedeutet nicht, dass zwei auf diese Art miteinander verbundene Teilchen in der Beobachtung die gleichen Merkmale aufweisen, einfach weil sie mit den gleichen Eigenschaften „geboren” sind. Vielmehr bedeutet es, dass eine Messung, die an einem der beiden Teilchen durchgeführt wird, umgehend den Zustand des anderen Teilchens beeinflusst.
Der irische Physiker John Bell hat in den 50er Jahren gezeigt, dass die in der Quantentheorie vorausgesagten Zusammenhänge verschränkter Teilchen nicht so verstanden werden können wie etwa die Ähnlichkeiten eineiiger Zwillinge, die auf gemeinsamen Genen beruhen. Stattdessen ist die Messung, die aus der Beobachtung eines dieser verschränkten Teilchen resultiert vollkommen willkürlich, ohne eine versteckte Erklärung. Trotzdem wird sich der verschränkte Bruder umgehend als identisch erweisen.
Die interessanteste vorstellbare Anwendung der Quanten-Verschränkung ist die Möglichkeit der Quantenteleportation - von vielen als ein Weg betrachtet, wie in der Zukunft Quantencomputer Informationen austauschen könnten. Um zu verstehen wie diese Art von Technologie arbeiten könnte, stellen wir uns vor, dass Alice ein Quantenteilchen hat, dass sie zu Bob teleportieren will. Die Vorraussetzung ist, dass beide außerdem über ein „verschränktes” Paar der gleichen Sorte Teilchen verfügen. Im Prinzip muss Alice nur die Eigenschaften des Teilchens, die sie teleportieren will, auf ihr „verschränktes” Teilchen übertragen. Durch diesen Vorgang werden dann sofort die entsprechenden Eigenschaften zu Bobs Teilchen teleportiert, welches mit Alices Original identisch wird. Die Informationen, die vorher auf Bobs Teilchen waren, gehen dabei notwendigerweise verloren.
Das ist natürlich einfacher gesagt als getan. Die Quantenteleportion im Labor funktioniert mit Photonen (Lichtteilchen) nachweislich über die Entfernung von einem Meter. Es ist jedoch eine enorme Herausforderung, diesen Vorgang im Experiment auf größere Entfernungen oder größere Objekte zu übertragen. Zur Zeit entwickeln verschiedene Labore Experimente in dieser Richtung, aber bis jetzt ist es niemandem gelungen, auch nur den einfachsten Quantencomputer zu bauen. Es bleibt offen, ob solche Maschinen wie wir sie uns jetzt vorstellen, jemals gebaut werden.
Grundsätzlich zwingt uns diese Art von Experiment dazu, uns mit den fundamentalen Fragen über das Wesen der Realität auseinander zu setzen. Einstein hatte erklärt, dass die Messung, die an einem der Quanten-verschränkten Teilchen vorgenommen wird, niemals den realen Zustand des anderen Teilchens beeinflussen darf. Das ist aber genau das, was in den Experimenten, die seit dem durchgeführt wurden passiert ist.
Zwar hat keines der Teilchen vor der Messung irgendwelche realen Eigenschaften, sie entstehen jedoch für beide Teilchen spontan beim Messvorgang. Weiterhin spielt die Reihenfolge der Messung scheinbar keine Rolle, denn die theoretischen Voraussagen sind genau gleich, egal ob Teilchen A oder B zuerst gemessen wird. Mit der gleichen Begründung kann man den Standpunkt vertreten, dass die Beobachtung von Teilchen A das Teilchen B beeinflusst, oder die Beobachtung des Teilchens B das Teilchen A beeinflusst.
Dies legt ein neues Verständnis der physikalischen Realität nahe, bei dem Messung, Beobachtung und Wahrnehmung einen viel stärkeren Einfluss auf die Welt haben, als normalerweise in der klassischen Physik angenommen wird - oder sogar, was das anbelangt, im täglichen Leben. Wenn wir beispielsweise die Farbe eines Autos wahrnehmen, gehen wir davon aus, dass diese Information zweitrangig ist. Was zuerst da ist, was vorrangig ist, ist das Auto selbst mit all seinen physikalischen Eigenschaften, wir machen also nichts anderes als Aussagen über etwas zu treffen, was bereits existiert.
In der Quantenwelt ist die Situation jedoch wesentlich komplizierter, weil der Akt der Beobachtung und Wahrnehmung selbst Realität schafft. Was wir über die Eigenschaften eines Elementarteilchens im Allgemeinen sagen können, ist keine Aussage über Eigenschaften, die bereits existierten, bevor die Messung durchgeführt wurde. Mit anderen Worten geht der konventionelle Verstand wissenschaftlich und auch sonst davon aus, dass das, was exakt über ein Objekt gesagt werden kann, von der Realität bestimmt wird. Die Quanten-Verschränkung impliziert eine Sichtweise, in der eine exakte Beschreibung der Realität durch das bestimmt wird, was gesagt werden kann.
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