LONDON – Als Heimat eines Sechstels der Weltbevölkerung, das jedoch nur ein Vierzehntel zum weltweiten BIP beiträgt, ist Afrika eines der augenfälligsten Opfer der weltweiten Rezession. Nach einem halben Jahrzehnt mit einer Wachstumsrate von 5 Prozent, rechnet man 2009 mit einer Halbierung des Wachstums. In Ländern wie Angola wird die Wirtschaft schrumpfen. Mancherorts hat die Krise die Früchte mehrerer Jahre ökonomischer Reformen vernichtet. Viele Afrikaner werden in bittere Armut zurückfallen.
Entwicklungsökonomen schlagen verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen: Afrika widersetzt sich allen ihren Anstrengungen, dort für ein Wunder zu sorgen. Am Vorabend der Dekolonialisierung im Jahr 1960 war das reale Pro-Kopf-BIP in Afrika südlich der Sahara beinahe drei Mal höher als in Südostasien und die Afrikaner hatten eine im Schnitt um zwei Jahre längere Lebenserwartung. In den vergangenen 50 Jahren wuchs das pro-Kopf-BIP in Afrika um 38 Prozent und die Lebenserwartung stieg um neun Jahre, während das pro-Kopf-BIP in Asien um 1000 Prozent anstieg und die Menschen dort um 32 Jahre länger leben.
Zunächst schien die Lösung für Afrikas Unterentwicklung offensichtlich. Afrika brauchte Kapital, hatte aber keine Ersparnisse. Deshalb musste Geld von außen kommen – von Institutionen wie der Weltbank. Da es wie Wucher schien, von verhungernden Menschen kommerzielle Zinssätze zu verlangen, mussten die Kredite zu äußerst günstigen Konditionen vergeben werden – im Endeffekt war es geschenkt.
Die Armut mit Geld zu bekämpfen wurde zum Allheilmittel. Das war leicht zu verkaufen und sprach die humanitären Instinkte der Menschen an. Außerdem milderte man damit die Schuldgefühle aus der Zeit des Kolonialismus so wie Eltern, die ihren Kindern teure Geschenke kaufen, um sie damit für Vernachlässigung und Misshandlung zu entschädigen. Aber es half nichts. Der größte Teil der Hilfe wurde gestohlen oder verschwendet. Trotz einer achtfachen Erhöhung der Pro-Kopf-Hilfe für die Demokratische Republik Kongo zwischen 1960 und 2007 sank das reale Pro-Kopf-BIP im gleichen Zeitraum um zwei Drittel.
„Handel, nicht Hilfe“ war die neue Parole. Unter der Federführung des Ökonomen Peter Bauer, wurde dies zur Patentlösung des Washington-Konsens in den 1980er Jahren. Es war modern zu behaupten, Afrika würde aufholen, wenn es seine Ökonomien dereguliert und auf Export induziertes Wachstum setzt wie die „Wunderökonomien“ Ostasiens. Berater der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds rieten den afrikanischen Regierungen, führende nationale Wirtschaftsbetriebe nicht mehr zu subventionieren und ihre Handelsschranken abzubauen. Die Bereitstellung eines reduzierten Hilfsvolumens wurde an eine Demontage des öffentlichen Sektors gebunden.
Bis 1996 arbeitete nur 1 Prozent der Bevölkerung in Subsahara-Afrika als Beamte. In anderen Entwicklungsregionen waren es 3 Prozent und in der OECD 7 Prozent. Doch obwohl sich der Staat zurückzog, machte Afrika keinen großen Sprung in Richtung Wohlstand. Als völlige Verhöhnung der Wirtschaftstheorie flieht nun auch noch das wenige in Afrika befindliche Kapital, um in ohnehin schon kapitalreichen Gesellschaften investiert zu werden.
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Nun begannen uns die Ökonomen zu erzählen, dass es in Afrika an effektiven Staaten fehle. Bei vielen Ländern handelte es such um „gescheiterte“ Staaten, die nicht einmal minimale Sicherheits- und Gesundheitsstandards bieten konnten. Obwohl in Afrika südlich der Sahara nur 15 Prozent der Weltbevölkerung leben, gab es dort 88 Prozent der weltweit konfliktbedingten Todesfälle und 65 Prozent der AIDS-Opfer. Was Historiker seit 2.000 Jahren wissen – und was auch den klassischen Ökonomen des 18. Jahrhunderts bekannt war – traf die neue Riege der mathematischen Ökonomen in den 1990er Jahren wie ein Blitz: Wohlstand ist von guter Regierungsführung abhängig.
Aber wie kommt man nun zu einer guten Regierung? Ihre Wiederherstellung oder Sicherung beschwört das gefürchtete Gespenst des Kolonialismus herauf. Denn trotz all seiner Übel bot dieser die grundlegende Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung: Frieden und Sicherheit. Die Entwicklungsdiskussion von heute dreht sich im Wesentlichen darum, wie die Grundvoraussetzungen Armutsreduktion und Wirtschaftswachstum ohne Kolonialismus hergestellt werden können.
Den interessantesten Ansatz der Gegenwart bietet der Oxford-Ökonom Paul Collier. Er argumentiert, dass viele afrikanischen Staaten in eine oder mehrere Entwicklungsfallen tappten, denen man extrem schwer entkommen kann. Wenn ein Land überdies in einer dieser Fallen festsitzt, tappt es auch leicht in die nächste. Armut macht anfällig für Konflikte und in Konflikte verwickelt zu sein, macht arm. Welche Hoffnung besteht also für ein von Bürgerkrieg zerrissenes Land?
Collier tritt unter Erwähnung der britischen Intervention in Sierra Leone für militärische Interventionen zur Friedenssicherung ein – wenn diese durchführbar sind. Er unterstützt internationales Engagement, um den Frieden nach Konflikten zu stärken. Aber anhaltende internationale Hilfe sollte sich auf die freiwillige Bereitstellung von Modellen guter Regierungsführung beschränken.
Rahmenwerke hinsichtlich der transparenten Gestaltung staatlicher Ausgaben oder eines Gewinnausweises ausländischer Bergbauunternehmen würden lokalen politischen Aktivisten den Vergleich erleichtern und auch den Regierungen Legitimation bringen. Der viel diskutierte Kimberly-Prozess ist in dieser Hinsicht ein Pilotprojekt. Dabei verpflichten sich Diamantenunternehmen freiwillig, nicht in Konfliktregionen einzukaufen, um damit nicht die lokalen Warlords zu finanzieren. Das ist gut für das Geschäft, denn westliche Kunden finden den Gedanken abstoßend, dass an ihrem Schmuck Blut klebt.
In Europa stand die regionale Integration lediglich in den letzten 50 Jahren im Vordergrund, führte aber dennoch zu einer Fülle politischer und ökonomischer Vorteile für die Europäer. Vieles deutet darauf hin, dass eine solche Integration auf für Afrika vorteilhaft wäre, vorausgesetzt es gibt ein auf afrikanische Verhältnisse abgestimmtes Rahmenwerk.
Dieses Projekt ist unterstützenswert. Zu den anderen Bemühungen, die ebenfalls Aufmerksamkeit verdienen, gehört die Legalisierung der riesigen Schattenwirtschaft in Staaten wie Ghana. Typischerweise wird bei der Durchführung dieser Projekte internationale Fachkompetenz durch national vergebene Mandate angewandt.
Es ist ein Armutszeichen der Entwicklungsökonomie, dass Vorschläge wie diese als Vorreiterprojekte angesehen werden. Aber solange es zwischen Lagos und Abidjan – zwei der führenden Städte in Westafrika – alle 14 Kilometer eine Straßensperre gibt, wird der Fortschritt nur langsam vor sich gehen.
Angesichts zahlloser Flüchtlinge an den Grenzen, Piraten, die Schiffe entführen und Terroristen, die Zuflucht suchen, ist klar, dass zwar die Lösung selbstbestimmt in afrikanischen Händen liegt, aber seine Probleme uns alle angehen. Der Rest der Welt kann sich Afrikas Armut nicht mehr leisten. 50 Jahre voller Fehlschläge machen aber deutlich, dass die Welt keine Ahnung hat, was sie dagegen tun kann.
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From cutting taxes to raising tariffs to eroding central-bank independence, US President-elect Donald Trump has made a wide range of economic promises, many of which threaten to blow up the deficit and fuel inflation. But powerful institutional, political, and economic constraints, together with Trump’s capriciousness, have spurred disagreement about how worried we should be.
Anti-immigration politicians like US President-elect Donald Trump frequently portray migrants as displacing native workers and straining social security systems. But studies consistently show that increased migration brings enormous economic benefits to both host and origin countries.
warns that stricter border controls often exacerbate the very problems they aim to solve.
LONDON – Als Heimat eines Sechstels der Weltbevölkerung, das jedoch nur ein Vierzehntel zum weltweiten BIP beiträgt, ist Afrika eines der augenfälligsten Opfer der weltweiten Rezession. Nach einem halben Jahrzehnt mit einer Wachstumsrate von 5 Prozent, rechnet man 2009 mit einer Halbierung des Wachstums. In Ländern wie Angola wird die Wirtschaft schrumpfen. Mancherorts hat die Krise die Früchte mehrerer Jahre ökonomischer Reformen vernichtet. Viele Afrikaner werden in bittere Armut zurückfallen.
Entwicklungsökonomen schlagen verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen: Afrika widersetzt sich allen ihren Anstrengungen, dort für ein Wunder zu sorgen. Am Vorabend der Dekolonialisierung im Jahr 1960 war das reale Pro-Kopf-BIP in Afrika südlich der Sahara beinahe drei Mal höher als in Südostasien und die Afrikaner hatten eine im Schnitt um zwei Jahre längere Lebenserwartung. In den vergangenen 50 Jahren wuchs das pro-Kopf-BIP in Afrika um 38 Prozent und die Lebenserwartung stieg um neun Jahre, während das pro-Kopf-BIP in Asien um 1000 Prozent anstieg und die Menschen dort um 32 Jahre länger leben.
Zunächst schien die Lösung für Afrikas Unterentwicklung offensichtlich. Afrika brauchte Kapital, hatte aber keine Ersparnisse. Deshalb musste Geld von außen kommen – von Institutionen wie der Weltbank. Da es wie Wucher schien, von verhungernden Menschen kommerzielle Zinssätze zu verlangen, mussten die Kredite zu äußerst günstigen Konditionen vergeben werden – im Endeffekt war es geschenkt.
Die Armut mit Geld zu bekämpfen wurde zum Allheilmittel. Das war leicht zu verkaufen und sprach die humanitären Instinkte der Menschen an. Außerdem milderte man damit die Schuldgefühle aus der Zeit des Kolonialismus so wie Eltern, die ihren Kindern teure Geschenke kaufen, um sie damit für Vernachlässigung und Misshandlung zu entschädigen. Aber es half nichts. Der größte Teil der Hilfe wurde gestohlen oder verschwendet. Trotz einer achtfachen Erhöhung der Pro-Kopf-Hilfe für die Demokratische Republik Kongo zwischen 1960 und 2007 sank das reale Pro-Kopf-BIP im gleichen Zeitraum um zwei Drittel.
„Handel, nicht Hilfe“ war die neue Parole. Unter der Federführung des Ökonomen Peter Bauer, wurde dies zur Patentlösung des Washington-Konsens in den 1980er Jahren. Es war modern zu behaupten, Afrika würde aufholen, wenn es seine Ökonomien dereguliert und auf Export induziertes Wachstum setzt wie die „Wunderökonomien“ Ostasiens. Berater der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds rieten den afrikanischen Regierungen, führende nationale Wirtschaftsbetriebe nicht mehr zu subventionieren und ihre Handelsschranken abzubauen. Die Bereitstellung eines reduzierten Hilfsvolumens wurde an eine Demontage des öffentlichen Sektors gebunden.
Bis 1996 arbeitete nur 1 Prozent der Bevölkerung in Subsahara-Afrika als Beamte. In anderen Entwicklungsregionen waren es 3 Prozent und in der OECD 7 Prozent. Doch obwohl sich der Staat zurückzog, machte Afrika keinen großen Sprung in Richtung Wohlstand. Als völlige Verhöhnung der Wirtschaftstheorie flieht nun auch noch das wenige in Afrika befindliche Kapital, um in ohnehin schon kapitalreichen Gesellschaften investiert zu werden.
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Aber wie kommt man nun zu einer guten Regierung? Ihre Wiederherstellung oder Sicherung beschwört das gefürchtete Gespenst des Kolonialismus herauf. Denn trotz all seiner Übel bot dieser die grundlegende Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung: Frieden und Sicherheit. Die Entwicklungsdiskussion von heute dreht sich im Wesentlichen darum, wie die Grundvoraussetzungen Armutsreduktion und Wirtschaftswachstum ohne Kolonialismus hergestellt werden können.
Den interessantesten Ansatz der Gegenwart bietet der Oxford-Ökonom Paul Collier. Er argumentiert, dass viele afrikanischen Staaten in eine oder mehrere Entwicklungsfallen tappten, denen man extrem schwer entkommen kann. Wenn ein Land überdies in einer dieser Fallen festsitzt, tappt es auch leicht in die nächste. Armut macht anfällig für Konflikte und in Konflikte verwickelt zu sein, macht arm. Welche Hoffnung besteht also für ein von Bürgerkrieg zerrissenes Land?
Collier tritt unter Erwähnung der britischen Intervention in Sierra Leone für militärische Interventionen zur Friedenssicherung ein – wenn diese durchführbar sind. Er unterstützt internationales Engagement, um den Frieden nach Konflikten zu stärken. Aber anhaltende internationale Hilfe sollte sich auf die freiwillige Bereitstellung von Modellen guter Regierungsführung beschränken.
Rahmenwerke hinsichtlich der transparenten Gestaltung staatlicher Ausgaben oder eines Gewinnausweises ausländischer Bergbauunternehmen würden lokalen politischen Aktivisten den Vergleich erleichtern und auch den Regierungen Legitimation bringen. Der viel diskutierte Kimberly-Prozess ist in dieser Hinsicht ein Pilotprojekt. Dabei verpflichten sich Diamantenunternehmen freiwillig, nicht in Konfliktregionen einzukaufen, um damit nicht die lokalen Warlords zu finanzieren. Das ist gut für das Geschäft, denn westliche Kunden finden den Gedanken abstoßend, dass an ihrem Schmuck Blut klebt.
In Europa stand die regionale Integration lediglich in den letzten 50 Jahren im Vordergrund, führte aber dennoch zu einer Fülle politischer und ökonomischer Vorteile für die Europäer. Vieles deutet darauf hin, dass eine solche Integration auf für Afrika vorteilhaft wäre, vorausgesetzt es gibt ein auf afrikanische Verhältnisse abgestimmtes Rahmenwerk.
Dieses Projekt ist unterstützenswert. Zu den anderen Bemühungen, die ebenfalls Aufmerksamkeit verdienen, gehört die Legalisierung der riesigen Schattenwirtschaft in Staaten wie Ghana. Typischerweise wird bei der Durchführung dieser Projekte internationale Fachkompetenz durch national vergebene Mandate angewandt.
Es ist ein Armutszeichen der Entwicklungsökonomie, dass Vorschläge wie diese als Vorreiterprojekte angesehen werden. Aber solange es zwischen Lagos und Abidjan – zwei der führenden Städte in Westafrika – alle 14 Kilometer eine Straßensperre gibt, wird der Fortschritt nur langsam vor sich gehen.
Angesichts zahlloser Flüchtlinge an den Grenzen, Piraten, die Schiffe entführen und Terroristen, die Zuflucht suchen, ist klar, dass zwar die Lösung selbstbestimmt in afrikanischen Händen liegt, aber seine Probleme uns alle angehen. Der Rest der Welt kann sich Afrikas Armut nicht mehr leisten. 50 Jahre voller Fehlschläge machen aber deutlich, dass die Welt keine Ahnung hat, was sie dagegen tun kann.