NEW YORK – Warum ankern vor der burmesischen Küste französische, britische und amerikanische, aber keine chinesischen und malaysischen Kriegsschiffe mit Nahrungsmitteln und anderen Versorgungsgütern für die Oper des Zyklons Nargis? Warum hat die Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN) so langsam und halbherzig auf eine Naturkatastrophe reagiert, die eines ihrer Mitgliedsländer heimsuchte?
Die französische Staatssekretärin für Menschenrechte Rama Yade erklärte, dass der UNO-Grundsatz von der „Verantwortung zum Schutz“ in Burma wenn nötig mit Gewalt angewandt werden sollte. Und der malaysische Oppositionsführer Lim Kit Siang meinte, dass die Untätigkeit der asiatischen Länder „ein trostloses Bild auf alle Führungen und Regierungen der ASEAN wirft. Sie könnten sicherlich mehr tun.”
Haben also Europäer und Amerikaner einfach mehr Mitgefühl als Asiaten?
Angesichts der Vergangenheit des Westens mit entsetzlichen Kriegen und einem oftmals brutalen Imperialismus erscheint dies unwahrscheinlich. Außerdem war die Hilfe, die gewöhnliche Chinesen für die Opfer des Erdbebens in Sichuan auf die Beine stellten, ebenso bemerkenswert wie die spontanen Bemühungen der Menschen in Burma ihren Landsleuten beizustehen, obwohl das Militär herzlich wenig tat. Der Buddhismus betont Mitgefühl und Barmherzigkeit ebenso wie das Christentum. Keine einzige asiatische Kultur zeigt sich gleichgültig gegenüber dem Leiden.
Tatsächlich widersprach auch kein asiatisches UNO-Mitgliedsland, als die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedete. In dieser Erklärung heißt es, dass „die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet.“
Dennoch könnte es kulturelle Unterschiede in der praktischen Anwendung von Mitgefühl geben. Das Ideal universeller Gleichheit und allgemeingültiger Rechte ist der Geschichte der westlichen Kultur zuzuschreiben, von Sokrates’ „natürlicher Gerechtigkeit“ über das Christentum bis hin zur französischen Erklärung der Rechte des Menschen. Die Völker des Westens sind diesen universalistischen Idealen nicht immer gerecht geworden, aber man hat in der Vergangenheit in Europa und darüber hinaus Institutionen geschaffen, um diese Ideale umzusetzen. Bis heute gibt es keine asiatische Institution zum Schutz der Menschenrechte der Asiaten, geschweige denn der Menschheit.
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Vielmehr kritisieren Chinesen und andere Asiaten häufig, dass der Westen Menschenrechte als Ausrede benutzt, um ehemaligen Kolonien „westliche Werte“ aufzuzwingen. Zwar kommen derartige Anschuldigungen üblicherweise aus Autokratien, deren Herrscher und Apologeten die Idee universell gültiger Menschenrechte als Bedrohung ihres Machtmonopols betrachten. Aber das Misstrauen gegenüber dem Universalismus ist in Asien nicht auf Autokraten beschränkt.
In vielen asiatischen Ländern führen Gefälligkeiten zu Verpflichtungen. Aus diesem Grund sind die Menschen vielleicht manchmal abgeneigt, sich in die Probleme der anderen einzumischen. Man ist verpflichtet, sich um Familie, Freunde oder sogar Landsleute zu kümmern, aber die Vorstellung universeller Wohltätigkeit ist zu abstrakt und hat den Beigeschmack jener unerwünschten Einmischung, die westliche Imperialisten – und die ihnen folgenden christlichen Missionare – zu lange praktizierten.
„Asiatische Werte“, die vor allem in offiziellen Schriften aus Singapur hochgehalten wurden, waren zum Teil als Kritik an den universalistischen westlichen Ansprüchen formuliert. Dieser Theorie zufolge haben die Asiaten ihre eigenen Werte, zu denen Sparsamkeit, Achtung vor Autoritäten, der Verzicht auf individuelle Bedürfnisse zugunsten der Interessen Allgemeinheit und auch die Überzeugung zählen, wonach sich ein Land nicht in die Angelegenheiten eines anderen einmischen soll. Daher auch diese zögerliche Reaktion der südostasiatischen Regierungen – und der Öffentlichkeit – auf die Katastrophe in Burma.
Eine Möglichkeit Kritik an dieser Denkart zu üben, ist einfach die Überlegenheit der westlichen Werte hervorzuheben. Aber eine andere und auch sympathischere Art der Reaktion wäre, aufzuzeigen, dass individuelle Rechte und Freiheitsideen nicht-westlichen Kulturen durchaus nicht fremd sind.
Ökonomie-Nobelpreisträger Amartya Sen wies darauf hin, dass große indische Herrscher wie Ashoka (3. Jahrhundert vor Christus) und Akbar (im 16. Jahrhundert) lange vor der europäischen Aufklärung für Pluralismus, Toleranz und Vernunft eintraten. Ebenso beobachtete er, dass Hungersnöte nicht in Demokratien auftreten, weil die Informationsfreiheit dazu beiträgt, sie zu verhindern.
Wenig überraschend ist Sen ein energischer Kritiker der Lehre von den „asiatischen Werten“. Dennoch herrscht weit verbreitet die Ansicht, dass Demokratie und auch universelle Menschenrechte typisch westliche Ideen sind und dass eine asiatische Autokratie, wie beispielsweise in China praktiziert, für Asiaten nicht nur besser geeignet, sondern auch effizienter ist. Demokratische Regierungen werden von Lobbys, Partikularinteressen, der öffentlichen Meinung, Parteipolitik und vielem mehr behindert, während asiatische Autokraten unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen durchsetzen können.
Die beiden jüngsten Naturkatastrophen in Burma und China haben diese Vorstellungen auf eine harte Probe gestellt. China hat sich nicht so schlecht geschlagen, vor allem, weil die Regierung durch die Ereignisse in Burma, durch die schlechte Presse rund um die Demonstrationen in Tibet und durch die bevorstehenden Olympischen Spiele gezwungen war, weit mehr Informationsfreiheit zu gewähren, als dies normalerweise der Fall ist. Man kann nur hoffen, dass sich dieser Anflug von Freiheit mit der Zeit ausweitet.
Burma versagte jämmerlich und auch die ASEAN, trotz verspäteter Bemühungen, aus den schrecklichen Umständen noch das beste zu machen. Am Ende ist es natürlich nicht so wichtig, ob wir die Versäumnisse der Autokratie und Nichteinmischung etwas typisch „Asiatischem“ zuschreiben. Worin der Grund auch liegen mag, die Folgen sind bedauerlich.
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Unlike during his first term, US President Donald Trump no longer seems to care if his policies wreak havoc in financial markets. This time around, Trump seems to be obsessed with his radical approach to institutional deconstruction, which includes targeting the Federal Reserve, the International Monetary Fund, and the World Bank.
explains why the US president’s second administration, unlike his first, is targeting all three.
According to the incoming chair of US President Donald Trump’s
Council of Economic Advisers, America runs large trade deficits and
struggles to compete in manufacturing because foreign demand for US
financial assets has made the dollar too strong. It is not a persuasive
argument.
is unpersuaded by the argument made by presidential advisers for unilaterally restructuring global trade.
By launching new trade wars and ordering the creation of a Bitcoin reserve, Donald Trump is assuming that US trade partners will pay any price to maintain access to the American market. But if he is wrong about that, the dominance of the US dollar, and all the advantages it confers, could be lost indefinitely.
doubts the US administration can preserve the greenback’s status while pursuing its trade and crypto policies.
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NEW YORK – Warum ankern vor der burmesischen Küste französische, britische und amerikanische, aber keine chinesischen und malaysischen Kriegsschiffe mit Nahrungsmitteln und anderen Versorgungsgütern für die Oper des Zyklons Nargis? Warum hat die Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN) so langsam und halbherzig auf eine Naturkatastrophe reagiert, die eines ihrer Mitgliedsländer heimsuchte?
Die französische Staatssekretärin für Menschenrechte Rama Yade erklärte, dass der UNO-Grundsatz von der „Verantwortung zum Schutz“ in Burma wenn nötig mit Gewalt angewandt werden sollte. Und der malaysische Oppositionsführer Lim Kit Siang meinte, dass die Untätigkeit der asiatischen Länder „ein trostloses Bild auf alle Führungen und Regierungen der ASEAN wirft. Sie könnten sicherlich mehr tun.”
Haben also Europäer und Amerikaner einfach mehr Mitgefühl als Asiaten?
Angesichts der Vergangenheit des Westens mit entsetzlichen Kriegen und einem oftmals brutalen Imperialismus erscheint dies unwahrscheinlich. Außerdem war die Hilfe, die gewöhnliche Chinesen für die Opfer des Erdbebens in Sichuan auf die Beine stellten, ebenso bemerkenswert wie die spontanen Bemühungen der Menschen in Burma ihren Landsleuten beizustehen, obwohl das Militär herzlich wenig tat. Der Buddhismus betont Mitgefühl und Barmherzigkeit ebenso wie das Christentum. Keine einzige asiatische Kultur zeigt sich gleichgültig gegenüber dem Leiden.
Tatsächlich widersprach auch kein asiatisches UNO-Mitgliedsland, als die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedete. In dieser Erklärung heißt es, dass „die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet.“
Dennoch könnte es kulturelle Unterschiede in der praktischen Anwendung von Mitgefühl geben. Das Ideal universeller Gleichheit und allgemeingültiger Rechte ist der Geschichte der westlichen Kultur zuzuschreiben, von Sokrates’ „natürlicher Gerechtigkeit“ über das Christentum bis hin zur französischen Erklärung der Rechte des Menschen. Die Völker des Westens sind diesen universalistischen Idealen nicht immer gerecht geworden, aber man hat in der Vergangenheit in Europa und darüber hinaus Institutionen geschaffen, um diese Ideale umzusetzen. Bis heute gibt es keine asiatische Institution zum Schutz der Menschenrechte der Asiaten, geschweige denn der Menschheit.
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In vielen asiatischen Ländern führen Gefälligkeiten zu Verpflichtungen. Aus diesem Grund sind die Menschen vielleicht manchmal abgeneigt, sich in die Probleme der anderen einzumischen. Man ist verpflichtet, sich um Familie, Freunde oder sogar Landsleute zu kümmern, aber die Vorstellung universeller Wohltätigkeit ist zu abstrakt und hat den Beigeschmack jener unerwünschten Einmischung, die westliche Imperialisten – und die ihnen folgenden christlichen Missionare – zu lange praktizierten.
„Asiatische Werte“, die vor allem in offiziellen Schriften aus Singapur hochgehalten wurden, waren zum Teil als Kritik an den universalistischen westlichen Ansprüchen formuliert. Dieser Theorie zufolge haben die Asiaten ihre eigenen Werte, zu denen Sparsamkeit, Achtung vor Autoritäten, der Verzicht auf individuelle Bedürfnisse zugunsten der Interessen Allgemeinheit und auch die Überzeugung zählen, wonach sich ein Land nicht in die Angelegenheiten eines anderen einmischen soll. Daher auch diese zögerliche Reaktion der südostasiatischen Regierungen – und der Öffentlichkeit – auf die Katastrophe in Burma.
Eine Möglichkeit Kritik an dieser Denkart zu üben, ist einfach die Überlegenheit der westlichen Werte hervorzuheben. Aber eine andere und auch sympathischere Art der Reaktion wäre, aufzuzeigen, dass individuelle Rechte und Freiheitsideen nicht-westlichen Kulturen durchaus nicht fremd sind.
Ökonomie-Nobelpreisträger Amartya Sen wies darauf hin, dass große indische Herrscher wie Ashoka (3. Jahrhundert vor Christus) und Akbar (im 16. Jahrhundert) lange vor der europäischen Aufklärung für Pluralismus, Toleranz und Vernunft eintraten. Ebenso beobachtete er, dass Hungersnöte nicht in Demokratien auftreten, weil die Informationsfreiheit dazu beiträgt, sie zu verhindern.
Wenig überraschend ist Sen ein energischer Kritiker der Lehre von den „asiatischen Werten“. Dennoch herrscht weit verbreitet die Ansicht, dass Demokratie und auch universelle Menschenrechte typisch westliche Ideen sind und dass eine asiatische Autokratie, wie beispielsweise in China praktiziert, für Asiaten nicht nur besser geeignet, sondern auch effizienter ist. Demokratische Regierungen werden von Lobbys, Partikularinteressen, der öffentlichen Meinung, Parteipolitik und vielem mehr behindert, während asiatische Autokraten unpopuläre, aber notwendige Entscheidungen durchsetzen können.
Die beiden jüngsten Naturkatastrophen in Burma und China haben diese Vorstellungen auf eine harte Probe gestellt. China hat sich nicht so schlecht geschlagen, vor allem, weil die Regierung durch die Ereignisse in Burma, durch die schlechte Presse rund um die Demonstrationen in Tibet und durch die bevorstehenden Olympischen Spiele gezwungen war, weit mehr Informationsfreiheit zu gewähren, als dies normalerweise der Fall ist. Man kann nur hoffen, dass sich dieser Anflug von Freiheit mit der Zeit ausweitet.
Burma versagte jämmerlich und auch die ASEAN, trotz verspäteter Bemühungen, aus den schrecklichen Umständen noch das beste zu machen. Am Ende ist es natürlich nicht so wichtig, ob wir die Versäumnisse der Autokratie und Nichteinmischung etwas typisch „Asiatischem“ zuschreiben. Worin der Grund auch liegen mag, die Folgen sind bedauerlich.