NEW YORK – Das Wissen um den grundlegenden chemischen Prozess der Eisenherstellung ist älter als das Periodensystem: Eisenerz + Kohle = Eisen + Kohlendioxid. Der letzte Teil – CO2 – hat die Eisen- und Stahlindustrie wegen ihres Beitrags zum Klimawandel ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Stahl (eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung) allein ist für etwa 8% der jährlichen weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, und weit über 10%, wenn man die Emissionen aus der Stromerzeugung und dem Kohlebergbau einbezieht.
Glücklicherweise ist es sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich sinnvoll, bis Mitte des Jahrhunderts fast das gesamte CO2 aus der Eisen- und Stahlerzeugung zu eliminieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist jedoch ein gezielter politischer Vorstoß erforderlich.
Es ist entscheidend, zunächst die Hauptquelle der Emissionen zu ermitteln. Über 80% stammen aus dem ersten Schritt: dem Abbau von Eisenerz, das größtenteils aus Eisen und Sauerstoff besteht, und der chemischen Abtrennung des Sauerstoffs. Die wichtigste Zutat für diese „Reduktion“ ist Kohle, die natürlich große Mengen an CO2 erzeugt. An diesem Punkt wird die Umwandlung von Eisen in Stahl zu einem vergleichsweise emissionsarmen Prozess.
Eine Möglichkeit, die Emissionen der Industrie zu senken, besteht also darin, diesen ersten Schritt ganz zu vermeiden, indem mehr Eisen- und Stahlerzeugnisse recycelt werden, als dies derzeit der Fall ist. Zwar schwankt die Recyclingquote von Eisen und Stahl in den Vereinigten Staaten zwischen 80-90% und liegt weltweit bei über 80%, aber Stahl ist zu 100% recycelbar. Um ihn vollständig zu recyceln, müssen Konstrukteure dazu angehalten werden, Produkte zu entwickeln, die sich leichter zerlegen lassen, um Kupferleitungen und andere Verunreinigungen leichter entfernen zu können.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist grundsätzliche Materialeffizienz, also von vornherein weniger Stahl einzusetzen. Architekten und Bauingenieure können die Verwendung von Stahl in ihren Entwürfen minimieren. An dieser Stelle sind Regierungen als die größten Käufer von Infrastrukturen gefordert, aber auch die Architektur- und Ingenieursberufe sowie die Automobilhersteller.
Stahl könnte zum Aushängeschild für Kreislaufwirtschaft werden, aber nur, wenn Regierungen Maßnahmen einführen, die auf jeden Schritt in der Stahllieferkette abzielen. Sowohl das Recycling als auch die effiziente Materialnutzung sind mit zusätzlichem physischen, logistischen und unternehmerischen Aufwand verbunden, was bedeutet, dass die Industrie sie nicht automatisch einführen wird, selbst wenn beides letztlich die Kosten senkt. Das heißt, dass die Bauordnung und die Vorschriften für den Fahrzeugbau verbessert werden müssen (unter Berücksichtigung größerer Trade-offs beim Einsatz anderer Materialien wie Glas, Zement und Metallen wie Aluminium) und dass die Stahlverbraucher verpflichtet werden müssen, den gesamten Schrott zu recyceln.
Die Dekarbonisierung der nächsten Generation von Eisen- und Stahlwerken wird eine andere Art von staatlichem Vorstoß erfordern, um große Neuinvestitionen zu ermöglichen. Dies ist keine kleine Aufgabe. Wir müssen den konventionellen Hochofen von einst und das Sauerstoffaufblasverfahren als Arbeitspferde der Eisen- und Stahlproduktion ersetzen.
Wenn es um die Umwandlung von Eisen in Stahl geht, sind Elektrolichtbogenöfen eine effektive Lösung. Sie machen heute über 70% der Stahlproduktion in den USA aus, gegenüber 15% im Jahr 1970 und knapp 50% im Jahr 2000. Als Ersatz für Hochöfen, die mit Kohle betrieben werden, gibt es derzeit zwei Möglichkeiten: Öfen, die mit emissionsarmem Wasserstoff betrieben werden, um dem Eisenerz Sauerstoff zu entziehen, und neuartige elektrochemische Verfahren, die dies mit Strom bewerkstelligen können.
Varianten der wasserstoffbasierten Option (die erstmals in den 1970er Jahren entwickelt wurde) machen derzeit 5% der weltweiten Stahlproduktion aus, sind aber immer noch teurer als traditionelle Hochöfen. Die zusätzlichen Kosten belaufen sich auf etwa 200-300 US-Dollar pro Tonne vermiedenem CO2, was dem 2-3fachen des in Europa vorherrschenden Kohlenstoffpreises entspricht und deutlich höher ist als die Kohlenstoffpreise fast überall sonst. Auch wenn solche Preise aus klimapolitischer Sicht durchaus gerechtfertigt sein mögen, werden politische Interventionen nötig sein, um die Märkte mitzunehmen.
Doch auch wenn die Dekarbonisierung der Stahlindustrie von anhaltend hohen Kohlenstoffpreisen profitieren würde, ist das, was wirklich notwendig ist, eine politische Strategie, die sowohl größer als auch gezielter ist. Die unmittelbare Aufgabe besteht darin, die erste Welle von Anlagen mit nahezu Null-Emissionen zu bauen, damit sie zum neuen Standard werden können.
Das weltweit erste großangelegte Stahlwerk basierend auf sauberem Wasserstoff wird von H2 Green Steel südlich des Polarkreises im schwedischen Boden gebaut, einem Land das nahezu ideale politische Bedingungen hierfür mitbringt. Zum einen fällt Schwedens Energie- und Stahlsektor unter das Emissionshandelssystem der Europäischen Union, und zum anderen verfügt Nordskandinavien dank bereits vorhandener großer Wasserkraftwerke und neuer Windparks auch über reichlich kohlenstoffarmen Strom. Der ist zudem billig und hat einen langfristigen Stromabnahmevertrag mit dem norwegischen Energiekonzern Statkraft ermöglicht, der Strom für weniger als 0,03 US-Dollar pro Kilowattstunde liefern wird.
Strompreise von unter 0,03 US-Dollar, die möglich sind, wenn der meiste Strom aus Wind- und (vor allem) Solaranlagen stammt, würden es dem in Colorado ansässigen Start-up-Unternehmen Electra ermöglichen, mit seinem elektrochemischen Ansatz für die herkömmliche Eisenproduktion die Gewinnzone zu erreichen. Das Unternehmen wird derzeit mit 85 Millionen Dollar von Risikokapitalgebern finanziert, die bereit sind, mehr Risiken zu tragen als durchschnittliche Investoren.
Politische Entscheidungsträger können und müssen sich einschalten, um Technologien wie die von H2 Green Steel und Electra auf den Weg zu bringen. Sie sollten über grundlegende wirtschaftsweite klimapolitische Maßnahmen hinausgehen und sich auf die Bereitstellung kostengünstiger, emissionsarm erzeugter Elektrizität und auf die Senkung der Investitionskosten für neue Technologien konzentrieren. Das US-Investitionsprogramm Inflation Reduction Act trägt zur Verwirklichung des erstgenannten Ziels bei, greift bei der direkten Unterstützung revolutionärer Technologien zur Eisenerzeugung aber ebenfalls zu kurz. Es könnte womöglich sogar schaden, da es die Wasserstoffforschung und die Kohlenstoffabscheidungsubventioniert, anstatt emissionsarme Eisen- und Stahlerzeugung im Allgemeinen. Sobald sich private Geldgeber mit den neuen Technologien vertraut gemacht haben, werden die zusätzlichen Kosten verkraftbar sein. Aber Projekte, mit denen Neuland betreten wird, sind von Natur aus riskant und brauchen Unterstützung. Zu diesem Zweck wären Steuergutschriften, sogenannte Production Tax Credits, speziell für emissionsarmes Eisen von großem Nutzen.
Die Zeit drängt. Asiens großer Bestand an bereits vorhandenen emissionsintensiven Hochöfen macht 75% der weltweiten Eisenproduktion aus und muss in den 2025 beginnenden zehn Jahren einer kostspieligen Generalüberholung ‒ oder Neuzustellung wie es in der Stahlindustrie heißt ‒ unterzogen werden. Da sich die Kosten für eine Neuzustellung auf bis zu 80% der Kosten für den Bau eines neuen Hochofens belaufen, bietet sich eine große Chance, in neuere, bessere Technologien zu investieren. Europa und Amerika können mit dem EU-Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus beziehungsweise den Subventionen des Inflation Reduction Act einen Beitrag leisten. Doch um den Wert der neuen Technologien unter Beweis zu stellen, müssen Regierungen mehr und direktere Investitionen in diese Technologien tätigen – und zwar bald.
Aus dem Englischen von Sandra Pontow
NEW YORK – Das Wissen um den grundlegenden chemischen Prozess der Eisenherstellung ist älter als das Periodensystem: Eisenerz + Kohle = Eisen + Kohlendioxid. Der letzte Teil – CO2 – hat die Eisen- und Stahlindustrie wegen ihres Beitrags zum Klimawandel ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Stahl (eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung) allein ist für etwa 8% der jährlichen weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, und weit über 10%, wenn man die Emissionen aus der Stromerzeugung und dem Kohlebergbau einbezieht.
Glücklicherweise ist es sowohl technisch möglich als auch wirtschaftlich sinnvoll, bis Mitte des Jahrhunderts fast das gesamte CO2 aus der Eisen- und Stahlerzeugung zu eliminieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist jedoch ein gezielter politischer Vorstoß erforderlich.
Es ist entscheidend, zunächst die Hauptquelle der Emissionen zu ermitteln. Über 80% stammen aus dem ersten Schritt: dem Abbau von Eisenerz, das größtenteils aus Eisen und Sauerstoff besteht, und der chemischen Abtrennung des Sauerstoffs. Die wichtigste Zutat für diese „Reduktion“ ist Kohle, die natürlich große Mengen an CO2 erzeugt. An diesem Punkt wird die Umwandlung von Eisen in Stahl zu einem vergleichsweise emissionsarmen Prozess.
Eine Möglichkeit, die Emissionen der Industrie zu senken, besteht also darin, diesen ersten Schritt ganz zu vermeiden, indem mehr Eisen- und Stahlerzeugnisse recycelt werden, als dies derzeit der Fall ist. Zwar schwankt die Recyclingquote von Eisen und Stahl in den Vereinigten Staaten zwischen 80-90% und liegt weltweit bei über 80%, aber Stahl ist zu 100% recycelbar. Um ihn vollständig zu recyceln, müssen Konstrukteure dazu angehalten werden, Produkte zu entwickeln, die sich leichter zerlegen lassen, um Kupferleitungen und andere Verunreinigungen leichter entfernen zu können.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist grundsätzliche Materialeffizienz, also von vornherein weniger Stahl einzusetzen. Architekten und Bauingenieure können die Verwendung von Stahl in ihren Entwürfen minimieren. An dieser Stelle sind Regierungen als die größten Käufer von Infrastrukturen gefordert, aber auch die Architektur- und Ingenieursberufe sowie die Automobilhersteller.
Stahl könnte zum Aushängeschild für Kreislaufwirtschaft werden, aber nur, wenn Regierungen Maßnahmen einführen, die auf jeden Schritt in der Stahllieferkette abzielen. Sowohl das Recycling als auch die effiziente Materialnutzung sind mit zusätzlichem physischen, logistischen und unternehmerischen Aufwand verbunden, was bedeutet, dass die Industrie sie nicht automatisch einführen wird, selbst wenn beides letztlich die Kosten senkt. Das heißt, dass die Bauordnung und die Vorschriften für den Fahrzeugbau verbessert werden müssen (unter Berücksichtigung größerer Trade-offs beim Einsatz anderer Materialien wie Glas, Zement und Metallen wie Aluminium) und dass die Stahlverbraucher verpflichtet werden müssen, den gesamten Schrott zu recyceln.
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Die Dekarbonisierung der nächsten Generation von Eisen- und Stahlwerken wird eine andere Art von staatlichem Vorstoß erfordern, um große Neuinvestitionen zu ermöglichen. Dies ist keine kleine Aufgabe. Wir müssen den konventionellen Hochofen von einst und das Sauerstoffaufblasverfahren als Arbeitspferde der Eisen- und Stahlproduktion ersetzen.
Wenn es um die Umwandlung von Eisen in Stahl geht, sind Elektrolichtbogenöfen eine effektive Lösung. Sie machen heute über 70% der Stahlproduktion in den USA aus, gegenüber 15% im Jahr 1970 und knapp 50% im Jahr 2000. Als Ersatz für Hochöfen, die mit Kohle betrieben werden, gibt es derzeit zwei Möglichkeiten: Öfen, die mit emissionsarmem Wasserstoff betrieben werden, um dem Eisenerz Sauerstoff zu entziehen, und neuartige elektrochemische Verfahren, die dies mit Strom bewerkstelligen können.
Varianten der wasserstoffbasierten Option (die erstmals in den 1970er Jahren entwickelt wurde) machen derzeit 5% der weltweiten Stahlproduktion aus, sind aber immer noch teurer als traditionelle Hochöfen. Die zusätzlichen Kosten belaufen sich auf etwa 200-300 US-Dollar pro Tonne vermiedenem CO2, was dem 2-3fachen des in Europa vorherrschenden Kohlenstoffpreises entspricht und deutlich höher ist als die Kohlenstoffpreise fast überall sonst. Auch wenn solche Preise aus klimapolitischer Sicht durchaus gerechtfertigt sein mögen, werden politische Interventionen nötig sein, um die Märkte mitzunehmen.
Doch auch wenn die Dekarbonisierung der Stahlindustrie von anhaltend hohen Kohlenstoffpreisen profitieren würde, ist das, was wirklich notwendig ist, eine politische Strategie, die sowohl größer als auch gezielter ist. Die unmittelbare Aufgabe besteht darin, die erste Welle von Anlagen mit nahezu Null-Emissionen zu bauen, damit sie zum neuen Standard werden können.
Das weltweit erste großangelegte Stahlwerk basierend auf sauberem Wasserstoff wird von H2 Green Steel südlich des Polarkreises im schwedischen Boden gebaut, einem Land das nahezu ideale politische Bedingungen hierfür mitbringt. Zum einen fällt Schwedens Energie- und Stahlsektor unter das Emissionshandelssystem der Europäischen Union, und zum anderen verfügt Nordskandinavien dank bereits vorhandener großer Wasserkraftwerke und neuer Windparks auch über reichlich kohlenstoffarmen Strom. Der ist zudem billig und hat einen langfristigen Stromabnahmevertrag mit dem norwegischen Energiekonzern Statkraft ermöglicht, der Strom für weniger als 0,03 US-Dollar pro Kilowattstunde liefern wird.
Strompreise von unter 0,03 US-Dollar, die möglich sind, wenn der meiste Strom aus Wind- und (vor allem) Solaranlagen stammt, würden es dem in Colorado ansässigen Start-up-Unternehmen Electra ermöglichen, mit seinem elektrochemischen Ansatz für die herkömmliche Eisenproduktion die Gewinnzone zu erreichen. Das Unternehmen wird derzeit mit 85 Millionen Dollar von Risikokapitalgebern finanziert, die bereit sind, mehr Risiken zu tragen als durchschnittliche Investoren.
Politische Entscheidungsträger können und müssen sich einschalten, um Technologien wie die von H2 Green Steel und Electra auf den Weg zu bringen. Sie sollten über grundlegende wirtschaftsweite klimapolitische Maßnahmen hinausgehen und sich auf die Bereitstellung kostengünstiger, emissionsarm erzeugter Elektrizität und auf die Senkung der Investitionskosten für neue Technologien konzentrieren. Das US-Investitionsprogramm Inflation Reduction Act trägt zur Verwirklichung des erstgenannten Ziels bei, greift bei der direkten Unterstützung revolutionärer Technologien zur Eisenerzeugung aber ebenfalls zu kurz. Es könnte womöglich sogar schaden, da es die Wasserstoffforschung und die Kohlenstoffabscheidungsubventioniert, anstatt emissionsarme Eisen- und Stahlerzeugung im Allgemeinen. Sobald sich private Geldgeber mit den neuen Technologien vertraut gemacht haben, werden die zusätzlichen Kosten verkraftbar sein. Aber Projekte, mit denen Neuland betreten wird, sind von Natur aus riskant und brauchen Unterstützung. Zu diesem Zweck wären Steuergutschriften, sogenannte Production Tax Credits, speziell für emissionsarmes Eisen von großem Nutzen.
Die Zeit drängt. Asiens großer Bestand an bereits vorhandenen emissionsintensiven Hochöfen macht 75% der weltweiten Eisenproduktion aus und muss in den 2025 beginnenden zehn Jahren einer kostspieligen Generalüberholung ‒ oder Neuzustellung wie es in der Stahlindustrie heißt ‒ unterzogen werden. Da sich die Kosten für eine Neuzustellung auf bis zu 80% der Kosten für den Bau eines neuen Hochofens belaufen, bietet sich eine große Chance, in neuere, bessere Technologien zu investieren. Europa und Amerika können mit dem EU-Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus beziehungsweise den Subventionen des Inflation Reduction Act einen Beitrag leisten. Doch um den Wert der neuen Technologien unter Beweis zu stellen, müssen Regierungen mehr und direktere Investitionen in diese Technologien tätigen – und zwar bald.
Aus dem Englischen von Sandra Pontow