WASHINGTON, DC: Eine alte englische Redensart lautet: „Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles aus wie ein Nagel.“ Dies wird nirgends deutlicher als in den Diskussionen um das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten und um die globalen Finanzungleichgewichte, zumal Ökonomen dazu neigen, die meisten Wirtschaftsprobleme auf Ersparnisfragen zu reduzieren. Leider verzerrt diese Fokussierung auf die Ersparnisse unser Verständnis und lenkt von der wirklichen Aufgabe ab: der Erschließung von Massenmärkten in Entwicklungsländern.
In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bedeutet ein Handelsdefizit, dass ein Land mehr verbraucht als es produziert. Aus der Sicht eines Buchhalters ist es daher folgerichtig, Handelsdefizite als negative Ersparnisse zu bezeichnen.
Die meisten Ökonomen gehen einen Schritt weiter und bestehen darauf, dass das US-Defizit durch einen Mangel an Ersparnissen hervorgerufen wurde. Doch da das Handelsdefizit des einen Landes einen Handelsbilanzüberschuss für ein anderes Land bedeutet, argumentiert der US-Notenbankchef Ben Bernanke dafür, die herkömmliche Logik auf den Kopf zu stellen: Das US-Handelsdefizit sei nicht die Folge eines Mangels an Ersparnissen, sondern das Ergebnis eines globalen Ersparnisüberschusses – besonders in China.
Beide Erklärungen sind fehlerhaft. Wie kann sich ein Ersparnisüberschuss auf die Exporte auswirken, wenn die Privathaushalte nichts exportieren? Genauso kann man fragen: Wenn die USA zu viel konsumieren, warum wurden dann Produktionsstätten geschlossen und warum ist der Arbeitsmarkt so schwach?
Sowohl die Ersparnismangel- als auch die Ersparnisüberschusshypothese verwechseln das buchhalterische Ergebnis mit den Ursachen. Handelsdefizite spiegeln Transaktionen zwischen Herstellern und Käufern wider, wobei diese Transaktionen das Ergebnis von Anreizen und Preissignalen sind. Die US-Verbraucher kaufen eher Importe als in den USA hergestellte Waren, weil Importe billiger sind. Dieser Preisvorteil ist häufig durch Wechselkurse in Ländern wie China und Japan bedingt, deren Währungen um 25 % bis 40 % unterbewertet sind, was die Effizienzvorteile in der US-Produktion ausgleicht.
Unterbewertete Währungen sind nur eine Maßnahme, zu der manche Länder greifen, um ihre Exporte zu steigern und die Importe zu beschränken, sodass sie Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaften, während ihre Handelspartner (u. a. die USA) Defizite verzeichnen. Auch Exportsubventionen und Importschranken zählen zu den Maßnahmen, die das Wachstum durch Export sicherstellen sollen.
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Im modernen Zeitalter der Globalisierung wird das exportbedingte Wachstum durch Maßnahmen ergänzt, die Auslandsdirektinvestitionen anziehen sollen, eine Kombination, die besonders in China erfolgreich war. Zu diesen Maßnahmen zählen Investitionssubventionen, Steuernachlasse und die Befreiung von heimischen Regeln und Gesetzen.
Diese Politik ermutigt Unternehmen, die Produktion in Entwicklungsländer zu verlagern, die moderne Produktionskapazitäten erreichen. Dadurch steigen die Exporte der Entwicklungsländer, und ihr Importbedarf sinkt (oder steigt langsamer als das Exportwachstum). Unterdessen reduzieren die Unternehmen im Heimatland die Fertigungskapazität und die Investitionen, wodurch die Exporte des Landes sinken, während die Importe steigen. Wieder einmal zeigt China eindeutige Anzeichen für dieses Muster, denn nahezu 60 % der chinesischen Exporte werden von ausländischen Unternehmen produziert.
Diese Erklärung unterscheidet sich von Grund auf von der Ersparnismangel- und Ersparnisüberschusshypothese, und sie führt zu vollkommen anderen politischen Maßnahmen. Entwicklungsländer müssen wachsen, aber heutzutage ist es einfacher, durch Auslandsdirektinvestitionen Kapazitäten und Wachstum zu schaffen, als im eigenen Land Massenmärkte aufzubauen. Daher hat es die Weltwirtschaft nicht mit einem Ersparnisüberschuss, sondern vielmehr mit einem Problem der mangelnden Nachfrage in den Entwicklungsländern zu tun.
Die Aufgabe lautet nun, die Unternehmen dazu zu bringen, in Entwicklungsländer zu investieren, jedoch mit dem Ziel, für die Verbraucher vor Ort zu produzieren. Dazu müssen die Märkte in den Entwicklungsländern erweitert werden, das heißt, die Einkommensunterschiede müssen ausgeglichen werden, und das Einkommen muss in den richtigen Händen landen – eine enorme organisatorische Herausforderung, die derzeit nicht wahrgenommen wird, weil sich die Ökonomen ausschließlich auf Ersparnis- und Angebotsprobleme konzentrieren.
Arbeitsnormen, Mindestlöhne und Gewerkschaften sind Teil der Lösung, genau wie in den erfolgreich industrialisierten Ländern. Die Gewerkschaften sind historisch besonders wichtig, da sie dezentrale Lohnverhandlungen durchführen, die die Löhne an die Produktivität der jeweiligen Firmen binden. In der Folge kann der Markt die Löhne tragen. Staatliche Ausgaben können auch helfen, doch ist ihre Rolle begrenzt. Länder, die Marktausgaben durch staatliche Ausgaben ersetzen, erzeugen entweder inflationäre Haushaltsdefizite oder haben am Ende übertrieben hohe Steuersätze, die jeglichen Anreiz zerstören.
Eine Lösung ist erst dann möglich, wenn wir die Hypothesen vom Ersparnismangel bzw. ‑überschuss aufgeben und eine Verbindung zwischen den aktuellen globalen Finanzungleichgewichten auf der einen Seite und den globalen Produktionsmodellen und der unzureichenden Nachfrage in den Entwicklungsländern auf der anderen Seite herstellen. Gewundene Behauptungen, dass es sich bei Ersparnissen lediglich um die Umkehrung von Verbrauchs- und Investitionsausgaben handelt, sind das wirtschaftliche Pendant zu Humpty Dumptys Schlussfolgerung in Alice hinter den Spiegeln : „Wenn ich ein Wort benutze, hat es genau die Bedeutung, die ich wähle.“
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At the end of a year of domestic and international upheaval, Project Syndicate commentators share their favorite books from the past 12 months. Covering a wide array of genres and disciplines, this year’s picks provide fresh perspectives on the defining challenges of our time and how to confront them.
ask Project Syndicate contributors to select the books that resonated with them the most over the past year.
WASHINGTON, DC: Eine alte englische Redensart lautet: „Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles aus wie ein Nagel.“ Dies wird nirgends deutlicher als in den Diskussionen um das Handelsdefizit der Vereinigten Staaten und um die globalen Finanzungleichgewichte, zumal Ökonomen dazu neigen, die meisten Wirtschaftsprobleme auf Ersparnisfragen zu reduzieren. Leider verzerrt diese Fokussierung auf die Ersparnisse unser Verständnis und lenkt von der wirklichen Aufgabe ab: der Erschließung von Massenmärkten in Entwicklungsländern.
In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung bedeutet ein Handelsdefizit, dass ein Land mehr verbraucht als es produziert. Aus der Sicht eines Buchhalters ist es daher folgerichtig, Handelsdefizite als negative Ersparnisse zu bezeichnen.
Die meisten Ökonomen gehen einen Schritt weiter und bestehen darauf, dass das US-Defizit durch einen Mangel an Ersparnissen hervorgerufen wurde. Doch da das Handelsdefizit des einen Landes einen Handelsbilanzüberschuss für ein anderes Land bedeutet, argumentiert der US-Notenbankchef Ben Bernanke dafür, die herkömmliche Logik auf den Kopf zu stellen: Das US-Handelsdefizit sei nicht die Folge eines Mangels an Ersparnissen, sondern das Ergebnis eines globalen Ersparnisüberschusses – besonders in China.
Beide Erklärungen sind fehlerhaft. Wie kann sich ein Ersparnisüberschuss auf die Exporte auswirken, wenn die Privathaushalte nichts exportieren? Genauso kann man fragen: Wenn die USA zu viel konsumieren, warum wurden dann Produktionsstätten geschlossen und warum ist der Arbeitsmarkt so schwach?
Sowohl die Ersparnismangel- als auch die Ersparnisüberschusshypothese verwechseln das buchhalterische Ergebnis mit den Ursachen. Handelsdefizite spiegeln Transaktionen zwischen Herstellern und Käufern wider, wobei diese Transaktionen das Ergebnis von Anreizen und Preissignalen sind. Die US-Verbraucher kaufen eher Importe als in den USA hergestellte Waren, weil Importe billiger sind. Dieser Preisvorteil ist häufig durch Wechselkurse in Ländern wie China und Japan bedingt, deren Währungen um 25 % bis 40 % unterbewertet sind, was die Effizienzvorteile in der US-Produktion ausgleicht.
Unterbewertete Währungen sind nur eine Maßnahme, zu der manche Länder greifen, um ihre Exporte zu steigern und die Importe zu beschränken, sodass sie Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaften, während ihre Handelspartner (u. a. die USA) Defizite verzeichnen. Auch Exportsubventionen und Importschranken zählen zu den Maßnahmen, die das Wachstum durch Export sicherstellen sollen.
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Im modernen Zeitalter der Globalisierung wird das exportbedingte Wachstum durch Maßnahmen ergänzt, die Auslandsdirektinvestitionen anziehen sollen, eine Kombination, die besonders in China erfolgreich war. Zu diesen Maßnahmen zählen Investitionssubventionen, Steuernachlasse und die Befreiung von heimischen Regeln und Gesetzen.
Diese Politik ermutigt Unternehmen, die Produktion in Entwicklungsländer zu verlagern, die moderne Produktionskapazitäten erreichen. Dadurch steigen die Exporte der Entwicklungsländer, und ihr Importbedarf sinkt (oder steigt langsamer als das Exportwachstum). Unterdessen reduzieren die Unternehmen im Heimatland die Fertigungskapazität und die Investitionen, wodurch die Exporte des Landes sinken, während die Importe steigen. Wieder einmal zeigt China eindeutige Anzeichen für dieses Muster, denn nahezu 60 % der chinesischen Exporte werden von ausländischen Unternehmen produziert.
Diese Erklärung unterscheidet sich von Grund auf von der Ersparnismangel- und Ersparnisüberschusshypothese, und sie führt zu vollkommen anderen politischen Maßnahmen. Entwicklungsländer müssen wachsen, aber heutzutage ist es einfacher, durch Auslandsdirektinvestitionen Kapazitäten und Wachstum zu schaffen, als im eigenen Land Massenmärkte aufzubauen. Daher hat es die Weltwirtschaft nicht mit einem Ersparnisüberschuss, sondern vielmehr mit einem Problem der mangelnden Nachfrage in den Entwicklungsländern zu tun.
Die Aufgabe lautet nun, die Unternehmen dazu zu bringen, in Entwicklungsländer zu investieren, jedoch mit dem Ziel, für die Verbraucher vor Ort zu produzieren. Dazu müssen die Märkte in den Entwicklungsländern erweitert werden, das heißt, die Einkommensunterschiede müssen ausgeglichen werden, und das Einkommen muss in den richtigen Händen landen – eine enorme organisatorische Herausforderung, die derzeit nicht wahrgenommen wird, weil sich die Ökonomen ausschließlich auf Ersparnis- und Angebotsprobleme konzentrieren.
Arbeitsnormen, Mindestlöhne und Gewerkschaften sind Teil der Lösung, genau wie in den erfolgreich industrialisierten Ländern. Die Gewerkschaften sind historisch besonders wichtig, da sie dezentrale Lohnverhandlungen durchführen, die die Löhne an die Produktivität der jeweiligen Firmen binden. In der Folge kann der Markt die Löhne tragen. Staatliche Ausgaben können auch helfen, doch ist ihre Rolle begrenzt. Länder, die Marktausgaben durch staatliche Ausgaben ersetzen, erzeugen entweder inflationäre Haushaltsdefizite oder haben am Ende übertrieben hohe Steuersätze, die jeglichen Anreiz zerstören.
Eine Lösung ist erst dann möglich, wenn wir die Hypothesen vom Ersparnismangel bzw. ‑überschuss aufgeben und eine Verbindung zwischen den aktuellen globalen Finanzungleichgewichten auf der einen Seite und den globalen Produktionsmodellen und der unzureichenden Nachfrage in den Entwicklungsländern auf der anderen Seite herstellen. Gewundene Behauptungen, dass es sich bei Ersparnissen lediglich um die Umkehrung von Verbrauchs- und Investitionsausgaben handelt, sind das wirtschaftliche Pendant zu Humpty Dumptys Schlussfolgerung in Alice hinter den Spiegeln : „Wenn ich ein Wort benutze, hat es genau die Bedeutung, die ich wähle.“