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Bidens Zölle auf Solarmodule untergraben seine Klimaagenda

WASHINGTON, D.C.: In einer Zeit rapider technologischer Umwälzungen und raschen wirtschaftlichen Wandels ist die politische Entscheidungsfindung komplexer denn je. Mit zunehmenden Einkommen ist auch die Nachfrage nach mehr und besseren Gütern gestiegen. Neue Technologien haben zur Befriedigung dieser Nachfrage beigetragen und die Entwicklung einer breiten Palette neuer Produkte ermöglicht, die Produktion allerdings zugleich zunehmend komplizierter gemacht. Angesichts dieses beispiellosen Überflusses muss die staatliche Politik sorgfältig darauf bedacht sein, die Produktion in den richtigen Bereichen zu stärken. Die Solarmodulpolitik von US-Präsident Joe Biden zeigt, was passiert, wenn derartige Bemühungen scheitern.

Die Biden-Regierung hat sich drei Hauptziele gesetzt: Kontrolle der Inflation, Bekämpfung des Klimawandels und Schaffung „guter Arbeitsplätze“. Ihr derzeitiger Ansatz im Bereich der Solarenergie – der hohe Zölle auf importierte Solarmodule und, im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA), Subventionen für Solaranlagen vorsieht – untergräbt alle diese Ziele.

In 2022 lag der Anteil der Solarenergie an der US-Stromerzeugung bei lediglich 3,4 %. Die Biden-Regierung hat sich jedoch das Ziel gesetzt, bis 2035 eine 100 % kohlenstofffreie Stromerzeugung zu erreichen, was bedeutet, dass die jährliche Installationsrate von Solarmodulen verdoppelt werden muss. Das Problem dabei: Die Biden-Regierung möchte, dass diese Module größtenteils in den USA produziert werden, auch um das Ziel der Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze zu erreichen.

Im Jahr 2008 lagen die durchschnittlichen Kosten für die Herstellung eines Solarmoduls in China – das schon damals ein führender Akteur in der Solarindustrie war – bei etwa drei Dollar pro Watt und damit niedriger als in den USA. In 2011 reagierten die USA mit einem Programm, das die Kosten für Solaranlagen bis 2020 um 75 % senken sollte. Obwohl das Programm die Produktionskosten erfolgreich senkte, gelang es nicht, die US-Module im Vergleich zu China preislich wettbewerbsfähig zu machen. Ende 2024 wird ein in den USA hergestelltes Solarmodul immer noch mehr als dreimal so viel kosten wie ein in China hergestelltes.

Also verlegten sich die USA auf höhere Zölle. Im Jahr 2018 verhängte die Regierung von Donald Trump einen Zoll von 30 % auf die Einfuhr von Solarmodulen. In 2022 beschloss die Biden-Regierung, die Zölle noch weiter zu erhöhen und Zölle von 50-250 % auf importierte Vorprodukte für die Solarindustrie aus China und Südostasien zu erheben. Nach weit verbreiteten Protesten von Installateuren jedoch erließ die Regierung eine zweijährige Ausnahmeregelung und verschob die zusätzlichen Zölle auf Mitte 2024.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Kosten für in China hergestellte Photovoltaik-Module (PV-Module) auf 0,11 Dollar pro Watt gesunken, was Chinas Status als weltweit billigster Hersteller festigte und dem Land die Kontrolle über 80 % der globalen Lieferkette für Solarmodule verschaffte. In Erwartung dieser bevorstehenden Zollerhöhungen bevorrateten sich die US-Installateure mit Solarmodulen, was 2023 zu einem Anstieg der Importe um 82 % führte. Als die Bestände eine Größenordnung erreichten, um die Nachfrage für anderthalb Jahre zu decken, sanken die Preise um 50 %.

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Aber da die Importpreise für Solarmodule aufgrund von Bidens Zöllen voraussichtlich um bis zu 286 % steigen werden, dürften die Verbraucherpreise für PV-Module in den USA – die mit 0,31 Dollar pro Watt schon jetzt fast dreimal so hoch sind wie der weltweite Durchschnitt – steigen, was die Nachfrage dämpfen könnte. Eine Studie schätzt, dass die von Trumps Vorgänger Barack Obama eingeführten Zölle die Nachfrage nach Solarenergie in den USA zwischen 2012 und 2018 um 17 % verringerten. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl neu installierter Solaranlagen in den USA bis 2024 voraussichtlich um 20 % zurückgehen wird, wird immer deutlicher, dass die Solarzölle die Energiewende in den USA gefährden.

Doch untergräbt Biden damit nicht nur die Klimaagenda seiner eigenen Regierung, sondern er hat mit seiner Solarpolitik auch keine guten Arbeitsplätze geschaffen. Im Jahr 2022 lag das durchschnittliche Jahresgehalt für Installateure von Solarmodulen in den USA bei 72.816 Dollar, verglichen mit 50.953 Dollar für Arbeiter in den Fabriken, in denen Solarmodule gefertigt werden. Damit ist die Installation der „bessere“ Job. Bemerkenswert ist, dass im Jahr 2022 171.558 Amerikaner als Installateure arbeiteten, gegenüber 33.400 Beschäftigten in der Fertigung. Doch schon 2019 warnte eine Studie, dass für jeden durch Solarzölle geschaffenen Arbeitsplatz in der Fertigung 31 Arbeitsplätze in der Installation verloren gehen könnten.

Mit Rückgang der Neuinstallationen dürfte auch die Zahl der Arbeitsplätze in der Installation zurückgehen. Allein 2019 wurden geplante Installationen im Umfang von schätzungsweise 10,5 Gigawatt aufgrund steigender Preise für Solarmodule gestrichen. Zwar subventioniert der IRA Investitionen in neue Produktionsanlagen für Solarmodule in den USA – von denen mehrere bereits Steuergutschriften zur Senkung der Investitionskosten erhalten haben –, doch die Aussicht auf höhere Zölle könnte zu weiteren Stornierungen führen.

Da China derzeit etwa 80 % des weltweiten Siliziums und andere wichtige Vorprodukte für PV-Module produziert, ist unklar, inwieweit die USA ihre Produktionskapazitäten für Solarmodule realistischerweise steigern oder ihre Abhängigkeit von China verringern können. Außerdem wird erwartet, dass Chinas eigene Produktionskapazität bis 2027 mehr als doppelt so hoch sein wird wie die weltweite Nachfrage. Solange Bidens Zölle in Kraft bleiben, werden die Inlandspreise viel höher sein als die Preise auf anderen Märkten, was die Nachfrage weiter verringern wird.

Als Biden 2022 seine neuen Solarzölle verschob, sollte das den Herstellern Zeit verschaffen, die heimische Produktion hochzufahren. Doch während sich die Regierung bisher stark auf die Investitionszuschüsse des IRA stützt, bleibt unklar, ob diese Maßnahmen den gewünschten Produktionsschub herbeiführen können.

Eine wirksamere Strategie wäre es gewesen, wenn Regierung und Privatunternehmen sich mit Solarmodulen bevorratet hätten, solange die Preise noch niedrig waren. Die zweijährige Vorlaufzeit hätte reichlich Gelegenheit geboten, ausreichende Vorräte anzulegen, und wenn es zu Unterbrechungen bei den ausländischen Lieferungen gekommen wäre, hätten Investitionszuschüsse eingeführt werden können. Eine derartige Politik hätte stärker mit den wirtschafts-, umwelt- und geopolitischen Zielen der Regierung Biden im Einklang gestanden.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/XVvc4olde