PARIS – Während die Welt immer instabiler wird und die Sicherheit, die viele Menschen für selbstverständlich hielten, in Frage gestellt wird, ist der Klimawandel, der einst als bestimmende Herausforderung unserer Zeit galt, durch die Geopolitik, die Themen wie Aufrüstung und den Wettlauf um die Vorherrschaft der künstlichen Intelligenz in den Vordergrund gerückt hat, in den Hintergrund gedrängt worden. Doch sind der steigende Meeresspiegel, langanhaltende Hitzewellen und verheerende Stürme keine bloßen Risiken mehr; sie sind inzwischen Realität. Die Bedrohung durch den Klimawandel nimmt ganz offensichtlich zu, aber viele Unternehmen und sogar Klima-Innovatoren sind verstummt.
Die Zunahme des „Greenhushings“ – bei dem Unternehmen Umweltziele aus finanziellen oder politischen Gründen herunterspielen – spiegelt nicht bloß veränderte Kommunikationsstrategien wider, sondern auch zunehmende Spannungen zwischen konkurrierenden Prioritäten. Inmitten neuer geopolitischer Konflikte und wirtschaftlicher Zwänge argumentieren einige, dass Nachhaltigkeit zum unerschwinglichen Luxus geworden sei. Man sollte jedoch nicht von einem Zielkonflikt zwischen Nachhaltigkeit und Sicherheit ausgehen. Im Gegenteil: Wenn wir Klimawandel, Sicherheitsrisiken und wirtschaftliche Bedürfnisse als konkurrierende Prioritäten begreifen, laufen wir Gefahr, an allen Fronten zu verlieren.
Sicherlich scheint der Wettbewerb um Ressourcen, Territorium und Technologien finanzielle und intellektuelle Ressourcen auf Kosten der Bemühungen um Klimaschutz und Klima-Anpassung zu monopolisieren. Doch sind diese Probleme eng miteinander verwoben. Das Gerangel um seltene Erden, der Ausbau der Dateninfrastruktur und das Erfordernis energieeffizienter KI zeigen allesamt, dass Geopolitik und Klimapolitik Teil ein und derselben Gleichung sind.
Angesichts begrenzten Kapitals und der Beschränkungen für grenzüberschreitende Finanzströme fühlen sich viele Unternehmen und Regierungen wie gelähmt. Wir haben es jahrzehntelang versäumt, in unsere langfristige Resilienz zu investieren – selbst als die Bedrohung durch den Klimawandel bereits umfassend bekannt war. Doch sich im Bedauern zu suhlen führt jetzt nicht weiter. Stattdessen sollten wir unsere Kurzsichtigkeit eingestehen und sofort handeln, um sie zu korrigieren.
Die Ära der „Friedensdividenden“ und niedrigen Zinsen ist vorbei. Jetzt geht es darum, sich auf eine Zeit der Kapitalknappheit und geopolitischen Fragmentierung einzustellen. Die Frage ist nicht mehr, ob Klimamaßnahmen wichtig sind, sondern wie sie sich in eine sich rasch wandelnde globale Landschaft integrieren lassen. Das bedeutet, dass wir uns von überholten Ansätzen verabschieden und eine kohärente Strategie entwickeln müssen, die Sicherheit, Innovation und Nachhaltigkeit vereint.
Im heutigen politischen Klima werden viele Greenhushing als vernünftige Strategie ansehen. Ähnlich wie die Manager von US-Unternehmen, die bei DEI (Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion) und anderen dem Kulturkampf zum Opfer gefallenen Themen zurückrudern, mag es pragmatisch erscheinen, sich in Umweltfragen bedeckt zu halten. Doch birgt Greenhushing erhebliche Risiken, da es die Illusion weckt, dass Nachhaltigkeit weniger dringend oder praktikabel ist, als das tatsächlich der Fall ist.
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Zunächst einmal droht die Vernachlässigung der Nachhaltigkeit grüne Innovationen gerade zu einem Zeitpunkt zu bremsen, an dem diese am dringendsten benötigt werden. Greenhushing könnte das Vertrauen der Verbraucher untergraben und die Dynamik in Branchen, die bereits mit dem Aufbau einer kohlenstoffneutralen Zukunft begonnen haben, bremsen. Mit der Zeit wird sich dies – sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer Hinsicht – als weitaus kostspieliger erweisen als alle Risiken, die mit dem Festhalten an Klimaschutz und Klima-Anpassung verbunden sind.
Noch schlimmer ist, dass es branchenübergreifend zu einem „Lemming-Effekt“ kommen könnte. Wenn jeder davon ausgeht, dass die Nachhaltigkeit aufgegeben wird, dann wird auch jeder die Nachhaltigkeit aufgeben. Der Gruppenzwang, der die Fortschritte des Privatsektors in diesem Bereich vorangetrieben hat, wird verschwinden.
Trotz dieser Hürden besteht noch Hoffnung. Der Wandel hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft hat begonnen – selbst in den USA. Das Tempo des Fortschritts mag sich zwar verlangsamen, aber die Richtung, in die die Reise geht, muss sich nicht ändern. Bei der Anpassung an die neuen Gegebenheiten sollte das oberste Ziel lauten, Kurs zu halten.
Nachhaltigkeit ist eine strategische Notwendigkeit. Viele Unternehmen – große und kleine, auf allen Kontinenten – haben dies bereits erkannt und Geschäftsmodelle entwickelt, die Rentabilität und Umweltverantwortung miteinander verbinden. Ihr Erfolg zeigt, dass die Anpassung an diese neue Ära nicht bedeutet, dass langfristige Ziele aufgegeben werden müssen. Vielmehr bedeutet es, neue Wertschöpfungsquellen zu erschließen, in ökoeffiziente Infrastrukturen zu investieren und Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit Kosteneinsparungen und Resilienz in Einklang zu bringen.
Aber auch öffentlich-private Zusammenarbeit ist unerlässlich. Die Märkte allein können nicht die erforderlichen Ergebnisse liefern, wenn sich die Prioritäten ständig abrupt verschieben (z. B. von der Nachhaltigkeit zur KI zur Verteidigung). Die Regierungen müssen eingreifen, um die Erwartungen zu stabilisieren, und sie können dies durch öffentlich-private Initiativen tun, die Nachhaltigkeit mit nationaler Sicherheit verknüpfen. So können etwa öffentlich geförderte Investitionen in saubere Energie und resiliente Lieferketten die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, was wiederum die wirtschaftliche Resilienz stärkt und die Bedeutung geopolitischen Wettbewerbs mindert.
Auch wenn ein koordinierter, globaler Ansatz diesbezüglich ideal wäre, dürften regionale, lokale und sektorspezifische Initiativen in der heutigen fragmentierten politischen Landschaft erfolgversprechender sein. Der Schlüssel liegt darin, finanzielle Anreize mit Nachhaltigkeitszielen zur Deckung zu bringen, um sicherzustellen, dass Klimamaßnahmen nicht zugunsten kurzfristiger Gewinne in den Hintergrund treten.
Das kollektive Projekt, das alle Länder vor zehn Jahren mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung und dem Pariser Klimaabkommen in Angriff genommen haben, muss unser Leitstern bleiben, auch wenn der Pragmatismus auf dem Weg dorthin strategische Feinjustierungen erfordert. Dies ist nicht die Zeit für Zynismus oder Verzweiflung. Wenn wir jemandem Vorwürfe machen sollten, dann jenen, die die Lage in zynischer Weise ausnutzen, um kurzfristige Gewinne einzustreichen. Jedes Unternehmen, das sich ehrlich bemüht, seine Strategie neu zu justieren, verdient Unterstützung.
Wir müssen pragmatisch, aber entschlossen bleiben. Wir hatten die Chance zum Handeln, als die Zeiten einfacher waren, aber dieses Zeitfenster hat sich geschlossen. Steigende Temperaturen, Extremwetterereignisse und der Verlust biologischer Vielfalt sind keine fernen Bedrohungen; sie sind bereits da und verschärfen die geopolitischen Spannungen. Greenhushing mag sich wie eine bequeme Antwort auf die heutigen Herausforderungen anfühlen, aber nachhaltig ist es nicht. Schweigen wird uns nicht retten.
Nötig ist das Gegenteil: mutiges, gemeinsames Handeln, das die Klimaprioritäten in unsere wirtschaftlichen und geopolitischen Strategien einbindet. Wirtschaftsführer, die sich jetzt nicht zu Wort melden, werden das später bereuen.
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World order is a matter of degree: it varies over time, depending on technological, political, social, and ideological factors that can affect the global distribution of power and influence norms. It can be radically altered both by broader historical trends and by a single major power's blunders.
examines the role of evolving power dynamics and norms in bringing about stable arrangements among states.
Donald Trump has left no doubt that he wants to build an authoritarian, illiberal world order based on traditional spheres of influence and agreements with other illiberal leaders. The only role that the European Union plays in his script is an obstacle that must be pushed aside.
warns that the European Union has no place in Donald Trump’s illiberal worldview.
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PARIS – Während die Welt immer instabiler wird und die Sicherheit, die viele Menschen für selbstverständlich hielten, in Frage gestellt wird, ist der Klimawandel, der einst als bestimmende Herausforderung unserer Zeit galt, durch die Geopolitik, die Themen wie Aufrüstung und den Wettlauf um die Vorherrschaft der künstlichen Intelligenz in den Vordergrund gerückt hat, in den Hintergrund gedrängt worden. Doch sind der steigende Meeresspiegel, langanhaltende Hitzewellen und verheerende Stürme keine bloßen Risiken mehr; sie sind inzwischen Realität. Die Bedrohung durch den Klimawandel nimmt ganz offensichtlich zu, aber viele Unternehmen und sogar Klima-Innovatoren sind verstummt.
Die Zunahme des „Greenhushings“ – bei dem Unternehmen Umweltziele aus finanziellen oder politischen Gründen herunterspielen – spiegelt nicht bloß veränderte Kommunikationsstrategien wider, sondern auch zunehmende Spannungen zwischen konkurrierenden Prioritäten. Inmitten neuer geopolitischer Konflikte und wirtschaftlicher Zwänge argumentieren einige, dass Nachhaltigkeit zum unerschwinglichen Luxus geworden sei. Man sollte jedoch nicht von einem Zielkonflikt zwischen Nachhaltigkeit und Sicherheit ausgehen. Im Gegenteil: Wenn wir Klimawandel, Sicherheitsrisiken und wirtschaftliche Bedürfnisse als konkurrierende Prioritäten begreifen, laufen wir Gefahr, an allen Fronten zu verlieren.
Sicherlich scheint der Wettbewerb um Ressourcen, Territorium und Technologien finanzielle und intellektuelle Ressourcen auf Kosten der Bemühungen um Klimaschutz und Klima-Anpassung zu monopolisieren. Doch sind diese Probleme eng miteinander verwoben. Das Gerangel um seltene Erden, der Ausbau der Dateninfrastruktur und das Erfordernis energieeffizienter KI zeigen allesamt, dass Geopolitik und Klimapolitik Teil ein und derselben Gleichung sind.
Angesichts begrenzten Kapitals und der Beschränkungen für grenzüberschreitende Finanzströme fühlen sich viele Unternehmen und Regierungen wie gelähmt. Wir haben es jahrzehntelang versäumt, in unsere langfristige Resilienz zu investieren – selbst als die Bedrohung durch den Klimawandel bereits umfassend bekannt war. Doch sich im Bedauern zu suhlen führt jetzt nicht weiter. Stattdessen sollten wir unsere Kurzsichtigkeit eingestehen und sofort handeln, um sie zu korrigieren.
Die Ära der „Friedensdividenden“ und niedrigen Zinsen ist vorbei. Jetzt geht es darum, sich auf eine Zeit der Kapitalknappheit und geopolitischen Fragmentierung einzustellen. Die Frage ist nicht mehr, ob Klimamaßnahmen wichtig sind, sondern wie sie sich in eine sich rasch wandelnde globale Landschaft integrieren lassen. Das bedeutet, dass wir uns von überholten Ansätzen verabschieden und eine kohärente Strategie entwickeln müssen, die Sicherheit, Innovation und Nachhaltigkeit vereint.
Im heutigen politischen Klima werden viele Greenhushing als vernünftige Strategie ansehen. Ähnlich wie die Manager von US-Unternehmen, die bei DEI (Vielfalt, Chancengleichheit und Inklusion) und anderen dem Kulturkampf zum Opfer gefallenen Themen zurückrudern, mag es pragmatisch erscheinen, sich in Umweltfragen bedeckt zu halten. Doch birgt Greenhushing erhebliche Risiken, da es die Illusion weckt, dass Nachhaltigkeit weniger dringend oder praktikabel ist, als das tatsächlich der Fall ist.
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Zunächst einmal droht die Vernachlässigung der Nachhaltigkeit grüne Innovationen gerade zu einem Zeitpunkt zu bremsen, an dem diese am dringendsten benötigt werden. Greenhushing könnte das Vertrauen der Verbraucher untergraben und die Dynamik in Branchen, die bereits mit dem Aufbau einer kohlenstoffneutralen Zukunft begonnen haben, bremsen. Mit der Zeit wird sich dies – sowohl in wirtschaftlicher als auch in ökologischer Hinsicht – als weitaus kostspieliger erweisen als alle Risiken, die mit dem Festhalten an Klimaschutz und Klima-Anpassung verbunden sind.
Noch schlimmer ist, dass es branchenübergreifend zu einem „Lemming-Effekt“ kommen könnte. Wenn jeder davon ausgeht, dass die Nachhaltigkeit aufgegeben wird, dann wird auch jeder die Nachhaltigkeit aufgeben. Der Gruppenzwang, der die Fortschritte des Privatsektors in diesem Bereich vorangetrieben hat, wird verschwinden.
Trotz dieser Hürden besteht noch Hoffnung. Der Wandel hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft hat begonnen – selbst in den USA. Das Tempo des Fortschritts mag sich zwar verlangsamen, aber die Richtung, in die die Reise geht, muss sich nicht ändern. Bei der Anpassung an die neuen Gegebenheiten sollte das oberste Ziel lauten, Kurs zu halten.
Nachhaltigkeit ist eine strategische Notwendigkeit. Viele Unternehmen – große und kleine, auf allen Kontinenten – haben dies bereits erkannt und Geschäftsmodelle entwickelt, die Rentabilität und Umweltverantwortung miteinander verbinden. Ihr Erfolg zeigt, dass die Anpassung an diese neue Ära nicht bedeutet, dass langfristige Ziele aufgegeben werden müssen. Vielmehr bedeutet es, neue Wertschöpfungsquellen zu erschließen, in ökoeffiziente Infrastrukturen zu investieren und Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit Kosteneinsparungen und Resilienz in Einklang zu bringen.
Aber auch öffentlich-private Zusammenarbeit ist unerlässlich. Die Märkte allein können nicht die erforderlichen Ergebnisse liefern, wenn sich die Prioritäten ständig abrupt verschieben (z. B. von der Nachhaltigkeit zur KI zur Verteidigung). Die Regierungen müssen eingreifen, um die Erwartungen zu stabilisieren, und sie können dies durch öffentlich-private Initiativen tun, die Nachhaltigkeit mit nationaler Sicherheit verknüpfen. So können etwa öffentlich geförderte Investitionen in saubere Energie und resiliente Lieferketten die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern, was wiederum die wirtschaftliche Resilienz stärkt und die Bedeutung geopolitischen Wettbewerbs mindert.
Auch wenn ein koordinierter, globaler Ansatz diesbezüglich ideal wäre, dürften regionale, lokale und sektorspezifische Initiativen in der heutigen fragmentierten politischen Landschaft erfolgversprechender sein. Der Schlüssel liegt darin, finanzielle Anreize mit Nachhaltigkeitszielen zur Deckung zu bringen, um sicherzustellen, dass Klimamaßnahmen nicht zugunsten kurzfristiger Gewinne in den Hintergrund treten.
Das kollektive Projekt, das alle Länder vor zehn Jahren mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung und dem Pariser Klimaabkommen in Angriff genommen haben, muss unser Leitstern bleiben, auch wenn der Pragmatismus auf dem Weg dorthin strategische Feinjustierungen erfordert. Dies ist nicht die Zeit für Zynismus oder Verzweiflung. Wenn wir jemandem Vorwürfe machen sollten, dann jenen, die die Lage in zynischer Weise ausnutzen, um kurzfristige Gewinne einzustreichen. Jedes Unternehmen, das sich ehrlich bemüht, seine Strategie neu zu justieren, verdient Unterstützung.
Wir müssen pragmatisch, aber entschlossen bleiben. Wir hatten die Chance zum Handeln, als die Zeiten einfacher waren, aber dieses Zeitfenster hat sich geschlossen. Steigende Temperaturen, Extremwetterereignisse und der Verlust biologischer Vielfalt sind keine fernen Bedrohungen; sie sind bereits da und verschärfen die geopolitischen Spannungen. Greenhushing mag sich wie eine bequeme Antwort auf die heutigen Herausforderungen anfühlen, aber nachhaltig ist es nicht. Schweigen wird uns nicht retten.
Nötig ist das Gegenteil: mutiges, gemeinsames Handeln, das die Klimaprioritäten in unsere wirtschaftlichen und geopolitischen Strategien einbindet. Wirtschaftsführer, die sich jetzt nicht zu Wort melden, werden das später bereuen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan