NAIROBI – Nichtübertragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Lungenerkrankungen, Diabetes, Fettleibigkeit und psychische Störungen sind häufig chronisch und entwickeln sich über einen langen Zeitraum. Insgesamt entfallen etwa 70 Prozent aller weltweiten Todesfälle auf nichtübertragbare Krankheiten (60 Prozent in Sub-Sahara-Afrika, wo sie in Ländern wie Kenia für über 55 Prozent der Hospitalisierungen verantwortlich sind). Die Entwicklungsländer sind daher mit einer doppelten Krankheitslast konfrontiert, da übertragbare Krankheiten wie Malaria, HIV und Tuberkulose neben der zunehmenden Verbreitung der nichtübertragbaren Krankheiten immer noch eine große Herausforderung darstellen.
Man möchte nun meinen, dass die hohe und weiter steigende Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten die vermehrte Bereitstellung finanzieller Mittel und Ressourcen zu ihrer Bekämpfung zur Folge haben würde. Die entsprechenden Bemühungen sind jedoch chronisch unterfinanziert und haben im Vergleich zur Bekämpfung der Infektionskrankheiten nach wie vor geringe Priorität.
Ein Grund für diese Diskrepanz ist der relative Mangel an evidenzbasierter Forschung im Bereich nichtübertragbarer Krankheiten. Finanzierungsorganisationen, die verpflichtet sind, in datengestützte Strategien zu investieren, konzentrieren sich daher eher auf andere Bereiche. Außerdem herrscht hinsichtlich nichtübertragbarer Krankheiten immer noch ein hohes Maß an Unverständnis. Vielerorts ist man der Ansicht, diese Krankheiten seien ausschließlich durch den betroffenen Menschen selbst verursacht, wobei alle anderen sozialen, wirtschaftlichen und strukturellen Faktoren außer Acht gelassen werden. Schwache Aufklärungsmaßnahmen an der Basis und die unzureichende Thematisierung des Problems nichtübertragbarer Krankheiten in der Öffentlichkeit sind ebenfalls nicht hilfreich.
Am bedeutsamsten ist vielleicht, dass nichtübertragbare Krankheiten keinen Eingang in die Millenniums-Entwicklungsziele fanden und daher im Zeitraum von 2000 bis 2015 auch nicht von der Dynamik höherer Finanzierungen im Gesundheitsbereich profitierten. Sogar jetzt noch ist die Senkung der Zahl vorzeitiger Todesfälle durch nichtübertragbare Krankheiten lediglich eines von 169 Zielen im Rahmen der Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDG 3.4), wodurch dessen Finanzierung erschwert wird.
Da die Belastung aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten wahrscheinlich weiter zunehmen wird, sind mehrere dringende Schritte erforderlich, um eine Verschiebung der globalen Finanzierungsprioritäten zu erreichen.
Access every new PS commentary, our entire On Point suite of subscriber-exclusive content – including Longer Reads, Insider Interviews, Big Picture/Big Question, and Say More – and the full PS archive.
Subscribe Now
Der erste Schritt besteht darin, die engen Zusammenhänge zwischen übertragbaren und nichtübertragbaren Krankheiten hervorzuheben, so dass man einen Teil der bereits für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten eingesetzten Mittel auch für die Lösung dieser Zusammenhänge verwenden kann. So haben beispielsweise viele HIV-Patienten ihre Viruslast zwar erfolgreich in den Griff bekommen, aber bis zu 40 Prozent sterben mittlerweile an nichtübertragbaren Krankheiten wie ischämischen Herzkrankheiten und Diabetes. Ebenso zeigen epidemiologische Daten, dass nichtübertragbare Krankheiten in hohem Maße zu Tuberkulose-Todesfällen beitragen. Der ausschließliche Schwerpunkt auf übertragbare oder nichtübertragbare Krankheiten ohne Berücksichtigung der jeweils anderen wird langfristig zu verringerter Wirksamkeit der Maßnahmen führen.
Zweitens gilt es, die allgemeine Gesundheitsversorgung auszubauen, damit man sich zunächst auf die Ärmsten konzentrieren kann, die von nichtübertragbaren Krankheiten am stärksten betroffen sind. Arme Menschen mit nichtübertragbaren Krankheiten haben oft keinen Zugang zu Medikamenten oder können sich die damit verbunden Ausgaben und die Palliativversorgung nicht leisten. Erst wenn die Armen in den Genuss einer allgemeinen Gesundheitsversorgung kommen, kann damit begonnen werden, die Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten wirksam anzugehen. In den entsprechenden Leistungskatalogen sollte auch ein umfassendes Paket für nichtübertragbare Krankheiten enthalten sein, das sich auf Gesundheitsförderung und -erhaltung konzentriert und auch Behandlungen abdeckt.
Drittens sollten die Länder einschlägige Forschungsergebnisse und Daten nutzen, um einen finanziellen Anreiz für Investitionen auf nationaler Ebene zu schaffen. Die Finanzierungsprioritäten werden sich je nach Land und Region unterschiedlich gestalten. Einige werden einen krankheitsspezifischen Ansatz verfolgen, andere wiederum eher auf präventive und fördernde Strategien setzen.
Doch unabhängig vom Schwerpunkt erfordert eine solide Investitionsgrundlage eine starke, von der Basis ausgehende Bewegung, die von den Regierungen hinsichtlich ihrer Zusagen Rechenschaft verlangt. So haben beispielsweise die meisten Staaten die Abuja-Erklärung unterzeichnet, derzufolge die Ausgaben für öffentliche Gesundheit mindestens 15 Prozent des gesamten Staatshaushalts zu betragen haben. In vielen, vor allem afrikanischen Ländern liegt dieser Wert allerdings bei weniger als 5 Prozent.
Viertens kann die Abstimmung einer Strategie im Bereich nichtübertragbarer Krankheiten mit einer umfassenderen nationalen Entwicklungsstrategie die Länder in die Lage versetzen, größere Vorteile aus beiden Vorhaben zu ziehen. Durch die Verknüpfung von Projekten in den Bereichen Infrastruktur und gebaute Umwelt mit Bemühungen zur Bekämpfung von nichtübertragbaren Krankheiten können öffentliche Räume geschaffen werden, wo Gehen und andere körperliche Aktivitäten gefördert und die Luftverschmutzung reduziert wird. In ähnlicher Weise können wir in Zusammenarbeit mit der Lebensmittelindustrie die Lebensmittelkennzeichnung verbessern, Transfette eliminieren und Steuern auf Zucker, Salz und ungesunde Lebensmittel erhöhen, um die Menschen zu ermutigen, ihre Ernährung anzupassen.
Der Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten erfordert eindeutig einen partnerschaftlichen Ansatz. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass nichtübertragbare Krankheiten nur durch individuelles Verhalten verursacht werden, zeigen Forschungsergebnisse immer wieder die enormen Auswirkungen von Umwelt und staatlicher Politik auf diese Krankheiten.
All diese Vorschläge unterstreichen die Bedeutung des Aufbaus stabiler Gesundheitssysteme, mit dem Ziel, über eine starke, gesunde Gesellschaft zu verfügen, in der nichtübertragbare Krankheiten verhindert, bewältigt und kontrolliert werden können. Ein Blick auf das Gesamtbild lässt deutlich werden, dass die nachhaltige Verringerung der weltweiten Belastung aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten ein Ziel ist, das es nicht zu verfehlen gilt.
To have unlimited access to our content including in-depth commentaries, book reviews, exclusive interviews, PS OnPoint and PS The Big Picture, please subscribe
World order is a matter of degree: it varies over time, depending on technological, political, social, and ideological factors that can affect the global distribution of power and influence norms. It can be radically altered both by broader historical trends and by a single major power's blunders.
examines the role of evolving power dynamics and norms in bringing about stable arrangements among states.
Donald Trump has left no doubt that he wants to build an authoritarian, illiberal world order based on traditional spheres of influence and agreements with other illiberal leaders. The only role that the European Union plays in his script is an obstacle that must be pushed aside.
warns that the European Union has no place in Donald Trump’s illiberal worldview.
Log in/Register
Please log in or register to continue. Registration is free.
NAIROBI – Nichtübertragbare Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Lungenerkrankungen, Diabetes, Fettleibigkeit und psychische Störungen sind häufig chronisch und entwickeln sich über einen langen Zeitraum. Insgesamt entfallen etwa 70 Prozent aller weltweiten Todesfälle auf nichtübertragbare Krankheiten (60 Prozent in Sub-Sahara-Afrika, wo sie in Ländern wie Kenia für über 55 Prozent der Hospitalisierungen verantwortlich sind). Die Entwicklungsländer sind daher mit einer doppelten Krankheitslast konfrontiert, da übertragbare Krankheiten wie Malaria, HIV und Tuberkulose neben der zunehmenden Verbreitung der nichtübertragbaren Krankheiten immer noch eine große Herausforderung darstellen.
Man möchte nun meinen, dass die hohe und weiter steigende Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten die vermehrte Bereitstellung finanzieller Mittel und Ressourcen zu ihrer Bekämpfung zur Folge haben würde. Die entsprechenden Bemühungen sind jedoch chronisch unterfinanziert und haben im Vergleich zur Bekämpfung der Infektionskrankheiten nach wie vor geringe Priorität.
Es besteht kein einziger weltweiter Fonds für irgendeine nichtübertragbare Krankheit: Im Jahr 2019 kamen über 40 Prozent der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit im Bereich nichtübertragbarer Krankheiten von privaten Institutionen. Für die Bemühungen im Kampf gegen übertragbare Krankheiten – deren Krankheitslast sich über die Jahre wesentlich verringerte - bestehen mehrere dafür bestimmte internationale Finanzierungsinstitutionen, darunter der Globale Fonds, Gavi, der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen und die Bill & Melinda Gates Foundation. Und obwohl nichtübertragbare Krankheiten weltweit die häufigste Todesursache sind, entfallen auf sie weniger als 10 Prozent des weltweiten Gesundheitsbudgets.
Ein Grund für diese Diskrepanz ist der relative Mangel an evidenzbasierter Forschung im Bereich nichtübertragbarer Krankheiten. Finanzierungsorganisationen, die verpflichtet sind, in datengestützte Strategien zu investieren, konzentrieren sich daher eher auf andere Bereiche. Außerdem herrscht hinsichtlich nichtübertragbarer Krankheiten immer noch ein hohes Maß an Unverständnis. Vielerorts ist man der Ansicht, diese Krankheiten seien ausschließlich durch den betroffenen Menschen selbst verursacht, wobei alle anderen sozialen, wirtschaftlichen und strukturellen Faktoren außer Acht gelassen werden. Schwache Aufklärungsmaßnahmen an der Basis und die unzureichende Thematisierung des Problems nichtübertragbarer Krankheiten in der Öffentlichkeit sind ebenfalls nicht hilfreich.
Am bedeutsamsten ist vielleicht, dass nichtübertragbare Krankheiten keinen Eingang in die Millenniums-Entwicklungsziele fanden und daher im Zeitraum von 2000 bis 2015 auch nicht von der Dynamik höherer Finanzierungen im Gesundheitsbereich profitierten. Sogar jetzt noch ist die Senkung der Zahl vorzeitiger Todesfälle durch nichtübertragbare Krankheiten lediglich eines von 169 Zielen im Rahmen der Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDG 3.4), wodurch dessen Finanzierung erschwert wird.
Da die Belastung aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten wahrscheinlich weiter zunehmen wird, sind mehrere dringende Schritte erforderlich, um eine Verschiebung der globalen Finanzierungsprioritäten zu erreichen.
Introductory Offer: Save 30% on PS Digital
Access every new PS commentary, our entire On Point suite of subscriber-exclusive content – including Longer Reads, Insider Interviews, Big Picture/Big Question, and Say More – and the full PS archive.
Subscribe Now
Der erste Schritt besteht darin, die engen Zusammenhänge zwischen übertragbaren und nichtübertragbaren Krankheiten hervorzuheben, so dass man einen Teil der bereits für die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten eingesetzten Mittel auch für die Lösung dieser Zusammenhänge verwenden kann. So haben beispielsweise viele HIV-Patienten ihre Viruslast zwar erfolgreich in den Griff bekommen, aber bis zu 40 Prozent sterben mittlerweile an nichtübertragbaren Krankheiten wie ischämischen Herzkrankheiten und Diabetes. Ebenso zeigen epidemiologische Daten, dass nichtübertragbare Krankheiten in hohem Maße zu Tuberkulose-Todesfällen beitragen. Der ausschließliche Schwerpunkt auf übertragbare oder nichtübertragbare Krankheiten ohne Berücksichtigung der jeweils anderen wird langfristig zu verringerter Wirksamkeit der Maßnahmen führen.
Zweitens gilt es, die allgemeine Gesundheitsversorgung auszubauen, damit man sich zunächst auf die Ärmsten konzentrieren kann, die von nichtübertragbaren Krankheiten am stärksten betroffen sind. Arme Menschen mit nichtübertragbaren Krankheiten haben oft keinen Zugang zu Medikamenten oder können sich die damit verbunden Ausgaben und die Palliativversorgung nicht leisten. Erst wenn die Armen in den Genuss einer allgemeinen Gesundheitsversorgung kommen, kann damit begonnen werden, die Belastung durch nichtübertragbare Krankheiten wirksam anzugehen. In den entsprechenden Leistungskatalogen sollte auch ein umfassendes Paket für nichtübertragbare Krankheiten enthalten sein, das sich auf Gesundheitsförderung und -erhaltung konzentriert und auch Behandlungen abdeckt.
Drittens sollten die Länder einschlägige Forschungsergebnisse und Daten nutzen, um einen finanziellen Anreiz für Investitionen auf nationaler Ebene zu schaffen. Die Finanzierungsprioritäten werden sich je nach Land und Region unterschiedlich gestalten. Einige werden einen krankheitsspezifischen Ansatz verfolgen, andere wiederum eher auf präventive und fördernde Strategien setzen.
Doch unabhängig vom Schwerpunkt erfordert eine solide Investitionsgrundlage eine starke, von der Basis ausgehende Bewegung, die von den Regierungen hinsichtlich ihrer Zusagen Rechenschaft verlangt. So haben beispielsweise die meisten Staaten die Abuja-Erklärung unterzeichnet, derzufolge die Ausgaben für öffentliche Gesundheit mindestens 15 Prozent des gesamten Staatshaushalts zu betragen haben. In vielen, vor allem afrikanischen Ländern liegt dieser Wert allerdings bei weniger als 5 Prozent.
Viertens kann die Abstimmung einer Strategie im Bereich nichtübertragbarer Krankheiten mit einer umfassenderen nationalen Entwicklungsstrategie die Länder in die Lage versetzen, größere Vorteile aus beiden Vorhaben zu ziehen. Durch die Verknüpfung von Projekten in den Bereichen Infrastruktur und gebaute Umwelt mit Bemühungen zur Bekämpfung von nichtübertragbaren Krankheiten können öffentliche Räume geschaffen werden, wo Gehen und andere körperliche Aktivitäten gefördert und die Luftverschmutzung reduziert wird. In ähnlicher Weise können wir in Zusammenarbeit mit der Lebensmittelindustrie die Lebensmittelkennzeichnung verbessern, Transfette eliminieren und Steuern auf Zucker, Salz und ungesunde Lebensmittel erhöhen, um die Menschen zu ermutigen, ihre Ernährung anzupassen.
Der Kampf gegen nichtübertragbare Krankheiten erfordert eindeutig einen partnerschaftlichen Ansatz. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, dass nichtübertragbare Krankheiten nur durch individuelles Verhalten verursacht werden, zeigen Forschungsergebnisse immer wieder die enormen Auswirkungen von Umwelt und staatlicher Politik auf diese Krankheiten.
All diese Vorschläge unterstreichen die Bedeutung des Aufbaus stabiler Gesundheitssysteme, mit dem Ziel, über eine starke, gesunde Gesellschaft zu verfügen, in der nichtübertragbare Krankheiten verhindert, bewältigt und kontrolliert werden können. Ein Blick auf das Gesamtbild lässt deutlich werden, dass die nachhaltige Verringerung der weltweiten Belastung aufgrund nichtübertragbarer Krankheiten ein Ziel ist, das es nicht zu verfehlen gilt.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier