nancy pelosi white house Chip Somodevilla/Getty Images

Nancy Pelosis große Mauer des Widerstands

WASHINGTON, DC – Wer auch immer dem damals designierten Präsidenten Donald Trump erklärt hat, was es bedeutet, Präsident zu sein – sofern es denn überhaupt jemand tat –, versäumte, ihm zu sagen, dass ein Präsident gelegentlich einen Kampf über die zu verfolgende politische Linie verliert. Dieser Jemand vergaß zudem, dem künftigen Präsidenten zu erklären, dass er, wenn er ein großes, ggf. unerfüllbares Versprechen abgäbe, sich etwas würde einfallen lassen müssen, um im Fall der Fälle seine leidenschaftlichsten Anhänger nicht zu vergrätzen.

Eine schlampige Vorbereitung auf seine Arbeit führte – zusammen mit Trumps verdrehter Persönlichkeit – 35 Tage lang (der längste derartige Zeitraum in der US-Geschichte) zur weitgehenden Paralyse eines Großteils der US-Bundesregierung, schadete dabei 800.000 unschuldigen Angestellten und mündete in eine Demütigung des Präsidenten, der enormen Wert darauf legt, als stark angesehen zu werden. Doch wie die meisten Schulhoftyrannen zeigt Trump gelegentlich seine innere Schwäche.

Jemand, der dies erkannte, ist Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses. Nach einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit dem Präsidenten und dem Vorsitzenden der Demokratischen Minderheitsfraktion im Senat, Chuck Schumer, im Dezember informierte Pelosi ihre Demokratischen Kollegen über Trumps nahezu halluzinogenes Beharren auf der Freigabe von Mitteln zur Finanzierung einer Mauer entlang der Grenze zu Mexiko, um illegale Einwanderer abzuhalten. „Es ist sowas wie ein Männlichkeitsfimmel für ihn“, so Pelosi damals. „Als ob man Männlichkeit je mit ihm verbinden würde.“

Trump hatte sich in einen echten Schlamassel hereingeritten. Ein Problem war, dass er nicht erwartet hatte, die Wahl zu gewinnen; daher konnte er versprechen, was er wollte, ohne sich Sorgen zu machen, wie er es erfüllen könnte. Anfang Januar berichtete die New York Times, dass Trumps langjähriger ehemaliger Berater, der inzwischen unter Anklage stehende Roger Stone, die Idee zum Bau einer Mauer aufgeworfen hatte, um den Bauunternehmer Trump zu erinnern, die Einwanderung, die ein wichtiges Thema für ihn werden sollte, bei seinen Wahlkampfauftritten anzusprechen.

Der Trick funktionierte allzu gut. Trump stützte sich auf die Mauer, um das Publikum bei seinen Auftritten anzuheizen. „Und wer wird die Mauer bezahlen?“, rief er ins Publikum. Und wie aus einem Mund antwortete die Menge: „Mexiko!“ Natürlich hatte Mexiko nicht die leiseste Absicht, für eine derartige Mauer zu bezahlen.

Pelosi ist, wie Trump nun erfahren musste, nicht die kümmerlich schwache „San Franciscoer Liberale“, als die sie bei den Republikanern galt. Obwohl sie, was ihre politischen Positionen angeht, der Linken zuneigt, ist sie strategisch pragmatisch und zeigt alle in einer Situation erforderliche Härte. Tatsächlich ist sie ein Produkt der politischen Landschaft Baltimores, in der mit harten Bandagen gekämpft wurde und wo ihr Vater einst Bürgermeister und „der Boss“ war.

HOLIDAY SALE: PS for less than $0.7 per week
PS_Sales_Holiday2024_1333x1000

HOLIDAY SALE: PS for less than $0.7 per week

At a time when democracy is under threat, there is an urgent need for incisive, informed analysis of the issues and questions driving the news – just what PS has always provided. Subscribe now and save $50 on a new subscription.

Subscribe Now

Trump wird aus Pelosi ganz eindeutig nicht schlau. Er hatte noch nie mit einer Frau zu tun, die so intelligent, würdevoll und hart im Nehmen ist wie Pelosi. Sie ist die Einzige unter seinen politischen Gegenspielern, für die ihm bisher kein vernichtender Spottname (wie etwa „Crooked Hillary“ (betrügerische Hillary)) eingefallen ist: „Nancy, wie ich sie nenne“, sagte er, als er gegen sie zu schwächeln begann, was für Spott in großen Teilen Washingtons (und auf Twitter) sorgte.

Trumps Unreife und miserables Urteilsvermögen zeigten sich, als er bei seinem Treffen im Dezember mit Pelosi und Schumer herausplatzte: „Ich bin stolz darauf, die Regierung zum Stillstand zu bringen, wenn es dem Grenzschutz dient.“ Er ergänzte: „Ich übernehme die Verantwortung. Ich werde es sein, der sie stilllegt.“ Schumer tat sich sichtlich schwer, angesichts von Trumps monumentalem Patzer nicht in Gelächter auszubrechen. Jeder halbwegs informierte Mensch weiß, dass derjenige, der als Verursacher eines „Shutdowns“ ausgemacht wird, in den Meinungsumfragen als Verlierer dasteht. Trump hatte sich selbst eine Grube gegraben.

Jeder Shutdown der Regierung rückt den Amerikanern dieselben drei Dinge ins Bewusstsein: dass Bundesbedienstete – oft verächtlich als „Bürokraten“ bezeichnet – Menschen mit Familien, Krankheiten und anderen Problemen sind, dass die meisten nicht im Großraum Washington leben, sondern über das gesamte Land verteilt sind, und dass auch die Auftragnehmer der Regierung leiden – nicht Boeing usw., aber Gebäudereiniger, Cafeteria-Personal etc. Zusätzlich zu den rund 800.000 Regierungsbeschäftigten – von denen ein Teil zwangsbeurlaubt wurde und andere ohne Bezahlung arbeiten mussten – waren schätzungsweise eine weitere Millionen Menschen direkt betroffen. Zudem litten Restaurants und andere Kleinunternehmen im Umkreis von Regierungseinrichtungen unter dem Ausbleiben ihrer Kundschaft. Bald dominierten in den Nachrichten Meldungen über die harten Auswirkungen des Shutdowns.

Mit wachsender Dauer des Shutdowns wurden Politiker auf beiden Seiten immer nervöser. Republikaner aus Gegenden mit einer großen Zahl von Regierungsbeschäftigten, von denen viele zu Trumps Basis gehören, wurden ungeduldig. Viele Demokraten waren besorgt, dass – auch wenn die meisten Bürger Trump für den Shutdown verantwortlich machten – Pelosis Kompromisslosigkeit für die Demokraten nach hinten losgehen würde. Doch Pelosi blieb fest, riet zur Geduld und erklärte, dass die Demokraten, sobald sie Trump Geld für seine Mauer böten, sein Spiel mitspielen und ihr Argument verlieren würden, dass man die Regierung nicht wegen einer politischen Meinungsverschiedenheit lahmlegen dürfe.

Als die Regierungsbeschäftigten dann erstmals kein Gehalt ausgezahlt bekamen, begannen politisch schädliche Anekdoten zu zirkulieren: von der Frau, die sich zwischen ihrer Chemotherapie und der Mietzahlung würde entscheiden müssen, dem Wachmann in der Smithsonian Institution, dem die Zwangsräumung angedroht wurde, und den Eltern, die ihren Kindern nicht erklären konnten, warum sie nicht zur Arbeit waren und kein Geld hatten.

Einige der Milliardäre in der Regierung, wie etwa Handelsminister Wilbur Ross, gaben begriffsstutzige Äußerungen von sich (z. B: „Warum können sie keinen Kredit aufnehmen?“). Manche der Beschäftigten, die gezwungen waren, ohne Bezahlung zu arbeiten – insbesondere Fluglotsen –, meldeten sich krank. FBI-Mitarbeiter (unter anderem) reihten sich bei den Tafeln ein und standen um Essen an. Trumps Zustimmungsraten fielen. Flugverspätungen wurden zur Norm. Vom Vorsitzenden der Republikanischen Mehrheitsfraktion im Senat, Mitch McConnell, dem mehr als alles andere darum gelegen ist, den Senat in Republikanischen Händen zu halten, erhielt Trump schließlich die Warnung, dass ihre Seite den PR-Krieg verliere.

McConnells Warnung sowie wütende Äußerungen von Republikanern gegenüber Regierungsmitgliedern leiteten die Wende ein. Am Freitag, dem 25. Januar – nach fünf Wochen, die das Leben von tausenden von Reisenden gefährdet und Millionen von Unschuldigen das Leben zur Qual gemacht hatten – kapitulierte Trump. Er stimmte zu, die Regierung für drei Wochen zu öffnen, ohne dafür ein Finanzierungsversprechen für seine Mauer erhalten zu haben; die Hoffnung sei, dass man in dieser Zeit eine Lösung finden würde. Trump stand mit leeren Händen da.

Wie es seine Gewohnheit ist, versuchte Trump, seinen Rückzug zu vertuschen. In einer Rede im Rosengarten des Weißen Hauses drosch er die vertrauten Phrasen, präsentierte die bekannten irreführenden Statistiken über von illegalen Einwanderern angeblich begangene Verbrechen und erzählte Lügen darüber, wie Drogen ins Land gelangten – wobei er unerwähnt ließ, dass die meisten in Autos, Lastwagen und Zügen über legale Grenzkontrollstellen ins Land kommen und nicht durch Öffnungen entlang der südlichen Grenze.

Pelosi hatte Trump ausmanövriert. Plötzlich erschien der Präsident nicht mehr so gefährlich. Er hatte verschiedene Winkelzüge ausprobiert: eine landesweit ausgestrahlte Ansprache vom Oval Office aus, von der selbst Trump wusste, dass sie bleiern und schwerfällig war, einen Besuch an der Südgrenze, von dem er selbst nicht erwartete, dass er irgendjemanden dazu bringen würde, seine Meinung zu ändern, und Drohungen, seine „Mauer“ – die inzwischen zu einem Stahlzaun mutiert war – durch Ausrufung eines nationalen Notstands zu bauen (was vermutlich vor Gericht landen würde), obwohl praktisch niemand zustimmte, dass ein Notstand vorlag. Tatsächlich ist die Zahl derjenigen, die über die Südgrenze in die USA gelangen, derzeit so niedrig wie seit Jahren nicht.

Wie der Zufall es wollte, war ich am Freitag, als Trump kapitulierte, in einem Restaurant, in dem Pelosi und ihr Mann Paul zusammen mit einem anderen Paar zum Abendessen waren. Als die Sprecherin des Repräsentantenhauses aufbrach, applaudierten ihr Gäste und Mitarbeiter. Eine neben mir stehende Kellnerin murmelte, den Tränen nah: „Wir brauchen jemanden, der für uns kämpft.“

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/CNsDW1ode