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Die Modernisierung unseres Arsenals gegen Malaria

GENF – Man denke an die unscheinbare Stechmücke. Im Vergleich zu einigen der bekanntesten und gefährlichsten Raubtiere der Welt mag sie unauffällig erscheinen, aber sie  hat im Lauf der Geschichte mehr Menschen getötet als jedes andere Lebewesen. Als Überträgerin einiger der tödlichsten Krankheiten der Welt, darunter Malaria, Gelbfieber, Zika, Dengue und Chikungunya, flößt sie Millionen von Menschen auf der ganzen Welt Angst ein.

Die Geschichte der ältesten dieser Krankheiten, der Malaria, reicht bis in die Zeit der Dinosaurier zurück und sie hat bis heute verheerende Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Jeden Tag raubt sie tausenden jungen Menschen die Zukunft. Bei zwei Drittel der im Jahr 2019 verzeichneten 400.000 Malaria-Todesfälle handelte es sich um Kinder unter fünf Jahren und fast alle von ihnen lebten in Afrika.  

Während meiner Laufbahn im öffentlichen Gesundheitswesen habe ich erlebt, wie moderne Technologien unseren jahrhundertealten Kampf gegen Malaria innerhalb weniger Jahrzehnte veränderten. Als ich mein Medizinstudium aufnahm, war von insektizid-behandelten Moskitonetzen, der Innenraumbesprühung mit Residualeffekt, Diagnose-Schnelltests und neuen Behandlungs- und Prophylaxemethoden überhaupt nicht die Rede. Heute retten diese Interventionen jeden Tag Menschenleben.

Die Gewährleistung eines breiteren Zugangs zu diesen Innovationen hat entscheidend zu den Fortschritten beigetragen, die wir im Hinblick auf die Linderung des Leides von Millionen Menschen und die Ausrottung der Krankheit in vielen Ländern erzielt haben. Klar ist jedoch, dass diese Instrumente nicht ausreichen werden, um das endgültige Ziel der Ausrottung zu erreichen.

Die Stechmücken und der Malariaparasit haben derart lange überdauert, weil sie sich ständig an veränderte Bedingungen anpassten. Mittlerweile droht die zunehmende Resistenz gegen Medikamente und Insektizide in der Region rund um den Mekong sowie in Afrika südlich der Sahara unsere derzeitigen Möglichkeiten der Prävention und Behandlung zu schwächen. Es bedarf dringend der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und dem Privatsektor, um neue Medikamente zur Bekämpfung von Resistenzen gegen Artemisinin - dem Hauptbestandteil des Erstlinienmedikaments zur Behandlung der häufigsten Malaria-Form – und gegen Insektizide zu entwickeln, die die Malaria übertragende Anopheles-Mücke in Schach halten.  

In den letzten Jahren haben sich einige potenziell bahnbrechende Innovation herausgebildet. Geht die Entwicklungsarbeit weiter, könnte sich damit der Kampf gegen Malaria (erneut) verändern. So testet man beispielsweise derzeit im Rahmen des New Nets Project des Innovative Vector Control Consortium Moskitonetze, die mit neuartigen Insektizidkombinationen wurden, um damit Resistenzen in ganz Afrika südlich der Sahara zu bekämpfen. Für eine beschleunigte Medikamentenentwicklung bringt das Medicines for Malaria Venture führende Pharmaunternehmen zusammen. Und Forscher bei Target Malaria führen Studien zu Gene-Drive-Methoden durch, um die Fähigkeit der Anopheles-Mücke zur Übertragung der Malaria auf Artniveau zu reduzieren oder zu eliminieren.

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Auch wenn uns noch ein langer Weg bevorsteht, ist es doch bemerkenswert, dass diese Fortschritte vor nicht allzu langer Zeit noch unvorstellbar gewesen wären. Außerdem hat die rasche Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen das Argument für vermehrte Investitionen zur Bekämpfung anderer tödlicher Krankheiten noch verstärkt.

Weltweit macht man sich seit über 30 Jahren Hoffnungen auf einen wirksamen Malaria-Impfstoff. Der Malariaparasit ist zwar wesentlich komplexer als das Coronavirus, doch in jüngster Zeit wurden Fortschritte bei der präventiven Behandlung verzeichnet. Der von der Weltgesundheitsorganisation unterstützte und von GSK hergestellte RTS,S-Impfstoff wird bereits in drei afrikanischen Ländern erprobt und es hat sich kürzlich gezeigt, dass er in Kombination mit einer saisonalen Malaria-Chemoprophylaxe schwere Malariafälle und Todesfälle bei Kleinkindern um 70 Prozent senkt. Es handelt sich dabei um einen vielversprechenden Impfstoff der ersten Generation, aber es sind weitere Investitionen erforderlich, um einen hochwirksamen Impfstoff für alle Altersgruppen zu entwickeln. Und mittlerweile hat auch BioNTech angekündigt, nach dem beispiellosen Erfolg mit dem Covid-19-Impfstoff, auch die Entwicklung eines mRNA-Impfstoffs gegen Malaria fortzusetzen.

Obwohl neue Technologien zur Beschleunigung des Fortschritts beitragen, gibt es keine Wunderwaffe. Bis zur Ausrottung der Malaria bedarf es stetiger Innovationen, um der Evolution immer einen Schritt voraus zu sein. Bei diesen Interventionen gilt es, sie strategisch in Kombination mit bestehenden Maßnahmen zur Prävention und Behandlung von Malaria einzusetzen.

Außerdem müssen seit langem bestehende Hindernisse für den breiten Einsatz dieser Innovationen überwunden werden, um sie allgemein - auch für Menschen in entlegenen Gebieten - zugänglich zu machen. Neue Interventionen werden ihr Potenzial jedoch bei weitem nicht ausschöpfen, wenn sie nicht auch von Maßnahmen begleitet werden, die das mit ihrer Durchführung betraute Gesundheitspersonal ermächtigen und unterstützen. Die routinemäßige Nutzung von Daten für einen gezielteren Einsatz von Behandlungen und Präventionsmaßnahmen ist dabei von entscheidender Bedeutung. Die Covid-19-Pandemie hat uns auf drastische Weise vor Augen geführt, wie wichtig es ist, in Echtzeit-Gesundheitsinformationen zu investieren.

Wir haben in unserem Kampf gegen Malaria bisher viel erreicht. Aber nur wenn wir neue Entdeckungen und Technologien nutzen, die Länder entsprechend ihrer Bedürfnisse mit den richtigen Instrumenten ausstatten und den Zugang zu lebensrettenden Innovationen beschleunigen, werden wir die Malaria neben Krankheiten wie den Pocken in die Geschichtsbücher verbannen und eine gesündere, wohlhabendere Welt für alle schaffen können.

Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier

https://prosyn.org/01UPu1ede