CAMBRIDGE – Momentan herrscht in allen Industrieländern niedrige Inflation und angesichts der Kombination aus hoher Arbeitslosigkeit und stagnierendem BIP-Wachstum entfallen auch die üblichen Gründe für den Aufwärtsdruck auf die Preise. Dennoch zeigen sich Finanzinvestoren zunehmend in Sorge, dass die Inflation aufgrund der von der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank (EZB) veranlassten enormen Ausweitung der Reserven der Geschäftsbanken letztendlich ansteigen wird. Zumindest manche Investoren erinnern sich, dass eine steigende Inflation typischerweise die Folge einer monetären Expansion ist und sie befürchten, dass es auch diesmal nicht anders sein wird.
Die Anleger reagieren auf diese Befürchtungen mit dem Kauf von Gold, landwirtschaftlichen Flächen und anderen herkömmlichen Absicherungen gegen die Inflation. Der Goldpreis stieg jüngst auf ein Vier-Monats-Hoch und nähert sich nun einem Preis von 1.700 Dollar pro Unze. Die Preise für Ackerland in Iowa und Illinois sind im vergangenen Jahr mehr als 10 Prozent gestiegen. Und die jüngst veröffentlichten Sitzungsprotokolle des Vorstandes der Federal Reserve, aus denen hervorgeht, dass man eine weitere Runde der quantitativen Lockerung unterstützt, sorgten für drastische Preissprünge bei Gold, Silber, Platin und anderen Metallen.
Aber im Gegensatz zu den privaten Anlegern beharren die Vertreter der Fed, dass es diesmal sehr wohl anders sein wird. Sie stellen fest, dass die enorme Expansion der Reserven der Geschäftsbanken nicht zu einem vergleichbaren Anstieg der Geldmenge und der Kredite geführt hat. Obwohl die Reserven in den vergangenen drei Jahren jährlich um einen Wert von 22 Prozent anstiegen, ist das Geldmengenaggregat M2, welches das nominale BIP-Wachstum und die Inflation über lange Zeit am besten nachvollzieht, in den gleichen drei Jahren um weniger als 6 Prozent gestiegen.
In den letzten Jahrzehnten führten umfangreiche Ausweitungen der Bankreserven zu einer drastischen Zunahme des Kreditvolumens, wodurch die Geldmenge anstieg und das inflationäre Ausgabenwachstum geschürt wurde. Nun aber sind die Geschäftsbanken bereit, ihre überschüssigen Reserven bei der Fed zu halten, weil sie dafür von der Fed Zinsen bekommen. Auch die EZB bezahlt Zinsen für Einlagen, weswegen auch sie es im Prinzip verhindern kann, dass höhere Reserven zu einer ungewollten Explosion bei den Krediten führen.
Diese Zinszahlungen der Fed sind der Schlüssel zu der von ihr so bezeichneten „Exit-Strategie“ aus der quantitativen Lockerung. Wenn die wirtschaftliche Erholung an Fahrt gewinnt, werden die Geschäftsbanken, die von der Fed geschaffenen riesigen Reserven nutzen wollen, um Kredite an Firmen und Verbraucher zu vergeben. Steigen diese Kredite zu rasch an, kann die Fed die von ihr bezahlten Zinsen auf die Einlagen erhöhen. Bei ausreichend hohen Zinssätzen werden die Geschäftsbanken der von der Fed gebotenen Kombination aus Liquidität, Sicherheit und Ertrag gegenüber einer Ausweitung der Privatkredite den Vorzug geben.
So jedenfalls lautet die Theorie. Kein Mensch weiß, ob das auch in der Praxis funktionieren würde. Wie hoch müsste die Fed - oder eben die EZB – die Zinsen auf Einlagen anheben, um einen übermäßigen Anstieg der Bankkredite zu verhindern? Was, wenn dieser Zinssatz bei 4 oder 6 oder gar 8 Prozent liegen müsste? Würden die Fed oder die EZB ihre Einlagenzinsen in solche Höhen schrauben oder würde man ein rasches, potenziell inflationäres Kreditwachstum in Kauf nehmen?
Die ungewöhnliche Erscheinungsform der aktuellen Arbeitslosigkeit verschärft das Risiko einer zukünftigen Inflation noch weiter. Beinahe die Hälfte aller Arbeitslosen in den USA beispielsweise sind seit sechs Monaten oder noch länger ohne Job, während die traditionelle mediane Dauer der Arbeitslosigkeit lediglich 10 Wochen betrug. Wenn sich die Wirtschaft erholt, werden die Langzeitarbeitslosen viel langsamer wieder eingestellt als diejenigen, deren Arbeitslosigkeit kürzer dauerte.
Die Gefahr besteht daher darin, dass sich die Situation auf den Gütermärkten anspannt, obwohl noch immer eine hohe gemessene Arbeitslosigkeit vorliegt. Die Inflation wird eher auf den Gütermärkten als auf dem Arbeitsmarkt ihren Ausgang nehmen. Die Firmen werden Kredite aufnehmen wollen und den Banken wird es darum gehen, ihr Kreditgeschäft auszuweiten. Unter diesen Bedingungen müsste die Fed die Zinssätze anheben, um eine Beschleunigung der Inflation zu verhindern.
Wenn aber die Arbeitslosenrate zu diesem Zeitpunkt immer noch hoch ist – sagen wir, über 7 Prozent – könnten einige Mitglieder des Offenmarktausschusses der Fed argumentieren, dass aus dem doppelten Mandat der Fed – geringe Arbeitslosigkeit und auch niedrige Inflation – hervorgeht, dass es für eine Erhöhung der Zinssätze zu früh ist.
Außerdem könnte auch der US-Kongress starken Druck ausüben, die Zinssätze nicht zu erhöhen. Obwohl die rechtliche „Unabhängigkeit“ der Fed bedeutet, dass ihr das Weiße Haus nicht vorschreiben kann, was sie zu tun hat, ist die Fed jedoch dem Kongress voll rechenschaftspflichtig. Mit dem vor kurzem verabschiedeten Dodd-Frank-Gesetz zur Finanzreform büßte die Fed einige Befugnisse ein und die legislative Debatte rund um die Gesetzesvorlage deutet darauf hin, dass es breite Unterstützung für weitere Restriktionen geben könnte, wenn der Kongress mit der Politik der Fed nicht zufrieden ist.
Der Wunsch der Politiker, die Zinssätze niedrig zu halten, um die Arbeitslosigkeit zu senken, steht oft im Widerspruch zur Sorge der Fed, zeitgerecht zu handeln, um die Preisstabilität aufrecht zu erhalten. Die große Zahl der Langzeitarbeitslosen könnte das Problem diesmal schwieriger gestalten, weil dadurch die Arbeitslosigkeit hoch bleibt, auch wenn auf den Gütermärkten eine steigende Inflation einsetzt.
Wenn das eintritt, stehen die Vertreter der Fed vor einer schwierigen Entscheidung: Entweder man strafft die Geldpolitik, um ein beschleunigtes Preiswachstum einzudämmen, wodurch man sich gegen den Kongress stellt und möglicherweise mit Restriktionen zu rechnen hat, die eine zukünftige Inflationsbekämpfung in Zukunft erschweren oder man tut überhaupt nichts. Beide Entscheidungen könnten eine höhere zukünftige Inflationsrate bedeuten, wie man auf den Finanzmärkten fürchtet.
Obwohl es die EZB nicht mit direkter legislativer Überwachung zu tun hat, ist klar, dass es Direktoriumsmitglieder gibt, die sich gegen höhere Zinssätze aussprechen würden und dass politischer Druck von Regierungschefs und Finanzministern ausgeübt wird, um die Zinsen niedrig zu halten.
Eine steigende Inflation ist gewiss nicht unabwendbar, aber sowohl in den USA als auch in Europa ist sie zu einer Gefahr geworden, mit der man rechnen muss.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier
CAMBRIDGE – Momentan herrscht in allen Industrieländern niedrige Inflation und angesichts der Kombination aus hoher Arbeitslosigkeit und stagnierendem BIP-Wachstum entfallen auch die üblichen Gründe für den Aufwärtsdruck auf die Preise. Dennoch zeigen sich Finanzinvestoren zunehmend in Sorge, dass die Inflation aufgrund der von der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank (EZB) veranlassten enormen Ausweitung der Reserven der Geschäftsbanken letztendlich ansteigen wird. Zumindest manche Investoren erinnern sich, dass eine steigende Inflation typischerweise die Folge einer monetären Expansion ist und sie befürchten, dass es auch diesmal nicht anders sein wird.
Die Anleger reagieren auf diese Befürchtungen mit dem Kauf von Gold, landwirtschaftlichen Flächen und anderen herkömmlichen Absicherungen gegen die Inflation. Der Goldpreis stieg jüngst auf ein Vier-Monats-Hoch und nähert sich nun einem Preis von 1.700 Dollar pro Unze. Die Preise für Ackerland in Iowa und Illinois sind im vergangenen Jahr mehr als 10 Prozent gestiegen. Und die jüngst veröffentlichten Sitzungsprotokolle des Vorstandes der Federal Reserve, aus denen hervorgeht, dass man eine weitere Runde der quantitativen Lockerung unterstützt, sorgten für drastische Preissprünge bei Gold, Silber, Platin und anderen Metallen.
Aber im Gegensatz zu den privaten Anlegern beharren die Vertreter der Fed, dass es diesmal sehr wohl anders sein wird. Sie stellen fest, dass die enorme Expansion der Reserven der Geschäftsbanken nicht zu einem vergleichbaren Anstieg der Geldmenge und der Kredite geführt hat. Obwohl die Reserven in den vergangenen drei Jahren jährlich um einen Wert von 22 Prozent anstiegen, ist das Geldmengenaggregat M2, welches das nominale BIP-Wachstum und die Inflation über lange Zeit am besten nachvollzieht, in den gleichen drei Jahren um weniger als 6 Prozent gestiegen.
In den letzten Jahrzehnten führten umfangreiche Ausweitungen der Bankreserven zu einer drastischen Zunahme des Kreditvolumens, wodurch die Geldmenge anstieg und das inflationäre Ausgabenwachstum geschürt wurde. Nun aber sind die Geschäftsbanken bereit, ihre überschüssigen Reserven bei der Fed zu halten, weil sie dafür von der Fed Zinsen bekommen. Auch die EZB bezahlt Zinsen für Einlagen, weswegen auch sie es im Prinzip verhindern kann, dass höhere Reserven zu einer ungewollten Explosion bei den Krediten führen.
Diese Zinszahlungen der Fed sind der Schlüssel zu der von ihr so bezeichneten „Exit-Strategie“ aus der quantitativen Lockerung. Wenn die wirtschaftliche Erholung an Fahrt gewinnt, werden die Geschäftsbanken, die von der Fed geschaffenen riesigen Reserven nutzen wollen, um Kredite an Firmen und Verbraucher zu vergeben. Steigen diese Kredite zu rasch an, kann die Fed die von ihr bezahlten Zinsen auf die Einlagen erhöhen. Bei ausreichend hohen Zinssätzen werden die Geschäftsbanken der von der Fed gebotenen Kombination aus Liquidität, Sicherheit und Ertrag gegenüber einer Ausweitung der Privatkredite den Vorzug geben.
So jedenfalls lautet die Theorie. Kein Mensch weiß, ob das auch in der Praxis funktionieren würde. Wie hoch müsste die Fed - oder eben die EZB – die Zinsen auf Einlagen anheben, um einen übermäßigen Anstieg der Bankkredite zu verhindern? Was, wenn dieser Zinssatz bei 4 oder 6 oder gar 8 Prozent liegen müsste? Würden die Fed oder die EZB ihre Einlagenzinsen in solche Höhen schrauben oder würde man ein rasches, potenziell inflationäres Kreditwachstum in Kauf nehmen?
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Die ungewöhnliche Erscheinungsform der aktuellen Arbeitslosigkeit verschärft das Risiko einer zukünftigen Inflation noch weiter. Beinahe die Hälfte aller Arbeitslosen in den USA beispielsweise sind seit sechs Monaten oder noch länger ohne Job, während die traditionelle mediane Dauer der Arbeitslosigkeit lediglich 10 Wochen betrug. Wenn sich die Wirtschaft erholt, werden die Langzeitarbeitslosen viel langsamer wieder eingestellt als diejenigen, deren Arbeitslosigkeit kürzer dauerte.
Die Gefahr besteht daher darin, dass sich die Situation auf den Gütermärkten anspannt, obwohl noch immer eine hohe gemessene Arbeitslosigkeit vorliegt. Die Inflation wird eher auf den Gütermärkten als auf dem Arbeitsmarkt ihren Ausgang nehmen. Die Firmen werden Kredite aufnehmen wollen und den Banken wird es darum gehen, ihr Kreditgeschäft auszuweiten. Unter diesen Bedingungen müsste die Fed die Zinssätze anheben, um eine Beschleunigung der Inflation zu verhindern.
Wenn aber die Arbeitslosenrate zu diesem Zeitpunkt immer noch hoch ist – sagen wir, über 7 Prozent – könnten einige Mitglieder des Offenmarktausschusses der Fed argumentieren, dass aus dem doppelten Mandat der Fed – geringe Arbeitslosigkeit und auch niedrige Inflation – hervorgeht, dass es für eine Erhöhung der Zinssätze zu früh ist.
Außerdem könnte auch der US-Kongress starken Druck ausüben, die Zinssätze nicht zu erhöhen. Obwohl die rechtliche „Unabhängigkeit“ der Fed bedeutet, dass ihr das Weiße Haus nicht vorschreiben kann, was sie zu tun hat, ist die Fed jedoch dem Kongress voll rechenschaftspflichtig. Mit dem vor kurzem verabschiedeten Dodd-Frank-Gesetz zur Finanzreform büßte die Fed einige Befugnisse ein und die legislative Debatte rund um die Gesetzesvorlage deutet darauf hin, dass es breite Unterstützung für weitere Restriktionen geben könnte, wenn der Kongress mit der Politik der Fed nicht zufrieden ist.
Der Wunsch der Politiker, die Zinssätze niedrig zu halten, um die Arbeitslosigkeit zu senken, steht oft im Widerspruch zur Sorge der Fed, zeitgerecht zu handeln, um die Preisstabilität aufrecht zu erhalten. Die große Zahl der Langzeitarbeitslosen könnte das Problem diesmal schwieriger gestalten, weil dadurch die Arbeitslosigkeit hoch bleibt, auch wenn auf den Gütermärkten eine steigende Inflation einsetzt.
Wenn das eintritt, stehen die Vertreter der Fed vor einer schwierigen Entscheidung: Entweder man strafft die Geldpolitik, um ein beschleunigtes Preiswachstum einzudämmen, wodurch man sich gegen den Kongress stellt und möglicherweise mit Restriktionen zu rechnen hat, die eine zukünftige Inflationsbekämpfung in Zukunft erschweren oder man tut überhaupt nichts. Beide Entscheidungen könnten eine höhere zukünftige Inflationsrate bedeuten, wie man auf den Finanzmärkten fürchtet.
Obwohl es die EZB nicht mit direkter legislativer Überwachung zu tun hat, ist klar, dass es Direktoriumsmitglieder gibt, die sich gegen höhere Zinssätze aussprechen würden und dass politischer Druck von Regierungschefs und Finanzministern ausgeübt wird, um die Zinsen niedrig zu halten.
Eine steigende Inflation ist gewiss nicht unabwendbar, aber sowohl in den USA als auch in Europa ist sie zu einer Gefahr geworden, mit der man rechnen muss.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier